Aufmerksamkeit gefragt

Zinswende in Sicht


Helmut Lehr

Die Indikatoren häufen sich, dass es mit den rekordniedrigen Zinsen vorbei sein könnte. Bei genauer Betrachtung hat die Zinswende in den USA bereits seit gut einem Jahr eingesetzt, und auch bei uns scheint das Zinstal durchschritten – mit einer ganzen Reihe von Konsequenzen.

Die Grafik illustriert diesen Befund anhand der durchschnittlichen Tagesgeldzinsen in USA sowie der hiesigen „Umlaufrendite“ (ein guter Spiegel des Zinsniveaus). Für Kreditnehmer ein Traum, entwerten aber die Niedrigzinsen das Geldvermögen zunehmend, mit Konsequenzen bis in die Versorgungswerke hinein. Weitere Folge ist eine Überhitzung an den Aktien- und Immobilienmärkten.

Doch haben sich über die Jahre hinweg mickrig verzinste Anleihen im Umfang etlicher Billionen Euro bzw. Dollar in den Büchern der Notenbanken und bei Lebensversicherern, Pensionsfonds u.a. angehäuft. Enorme Wertverluste drohen, wenn die Zinsen deutlich steigen! Schon 1 % höhere Zinsen implizieren bei einer noch 10 Jahre laufenden Anleihe einen Kursverlust von grob fast 10 %, bei 20 Jahren demzufolge an die 20 %. Das spricht gegen einen allzu forschen Zinsanstieg, obwohl die konjunkturelle Lage auch in Europa höhere Zinsen erlauben würde. Dennoch dürfte eine nachhaltige Trendwende wahrscheinlich sein. Was tun?

Rentenpapiere und -fonds werden unter einer Zinswende leiden und sind somit Verkaufspositionen. Sinnvolle Investitionen mit hohem Kreditbedarf sollten Sie nicht zu lange aufschieben und sich die günstigen Zinsen möglichst lange sichern!

Aktien

Generell bewegen sich die Aktienkurse in den meisten Industrieländern auf einem hohen Niveau. Gewinnenttäuschungen schlagen dann sehr stark auf die Kurse. Besonderes Augenmerk gilt daher der Verschuldung und dem laufenden Refinanzierungsbedarf der Unternehmen vor dem Hintergrund der erwirtschafteten Renditen. Relativ schwache Margen plus hohe Schulden sind fast eine Garantie für Gewinneinbrüche. Aktien sind also hinsichtlich Schuldenstruktur, Kapitalbedarf und EBITDA-Marge zu betrachten. Wer heute z.B. 500 Mio. € EBITDA auswirft, jährlich aber 4 oder 5 Mrd. € neu finanzieren muss, büßt mit jedem Prozentpunkt höherem Zins 8 % bis 10 % dieses EBITDA ein! (Zu) hohe Aktienkurse sollten darauf mit nochmals deutlich höheren Einbußen reagieren. Solche Werte stoßen Sie besser jetzt noch ab …

Immobilien

Bei Immobilien abseits der langfristig gefragten Top-Lagen drohen ebenfalls Einbrüche. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die eine oder andere „Altlast“ (z.B. Eigentumswohnungen, aus rein steuerlichen Motiven gekauft) zu guten Preisen loszuschlagen. Für Immobilienfonds oder -aktien (REITs) gilt das bei Aktien Gesagte: Wie hoch sind die Schulden und Zinslasten im Verhältnis zu den Mieterträgen? Wurden Objekte zu immer höheren Preisen mit immer geringeren Renditen „eingesammelt“? Über ein „Versilbern“ nachdenken, etliche Werte sind schon ins Rutschen gekommen!

Rohstoffe

Höhere Zinsen sind Gift für Gold. Platin leidet an den unsicheren Perspektiven der Verbrennungsmotoren und wurde oft durch das inzwischen ähnlich teure Palladium ersetzt. Industriemetalle (z. B. Kupfer, Nickel) sehen wir konjunkturell bedingt verhalten positiv. Im Bereich der Düngemittel zeichnet sich eine Wende zu höheren Preisen ab – davon profitieren Aktien wie z. B. Potash.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(15):16-16