Emanuel Winklhofer
Seit 2011 gibt es diese Serie auch in Deutschland. Gerne schaut man bei so etwas von außen zu und amüsiert sich. Doch haben Sie sich schon einmal selbst gefragt, was denn passieren würde, wenn Sie unerkannt in Ihrer eigenen Apotheke einkaufen bzw. dort eine komplizierte und anspruchsvolle Beratung in Anspruch nehmen würden? Wären Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Oder sähen Sie Verbesserungspotenziale bei der Beratungsqualität oder im persönlichen Umgang mit den Kunden? „Pseudo Customer“ oder „Mystery Shopper“ gibt es ja bereits. Die eigene Anschauung wäre gleichwohl noch einmal etwas anderes.
Nun, vielleicht braucht es ja gar keine so intensive Maßnahme. Meist würde es schon genügen, wenn Sie sich immer wieder einmal die Zeit nehmen, um sich irgendwo im Verkaufsraum aufzuhalten und intensiv zuzuhören, wie die Kundengespräche in Ihrer Apotheke in praxi ablaufen (manch einer mag bereits aus den „stummen“ Bildern seiner Überwachungskameras so seine Schlüsse ziehen können).
Fachliches – die Pflicht ...
Zwei Bereiche sind hierbei besonders zu beachten. Zum einen natürlich das Fachliche. Die Apotheke ist für viele Menschen die erste Anlaufstelle in Fragen rund um die Gesundheit. Hier werden die weiteren therapeutischen und ggf. präventiv wirksamen Schritte der Kunden maßgeblich geprägt und in die richtigen oder eben falschen Bahnen gelenkt.
Die Apothekenmitarbeiter übernehmen dabei eine wichtige Rolle und sollten deshalb kompetente Ansprechpartner sein. Dafür brauchen sie einfach ein gewisses fachliches Wissen, um alle pharmazeutischen Belange abdecken zu können, sowie weiterhin Kenntnisse über Prävention und allgemeine Gesundheitsbetreuung. Diese fachliche Thematik wird ja immer wieder über die Pseudo-Customer-Systeme der Kammern oder seitens anderer Organisationen geprüft.
Persönliches – die Kür ...
Doch kommt schon seit jeher auch den persönlichen Aspekten eine extrem hohe Bedeutung zu. Wie gehen die Mitarbeiter mit den Kunden um, wie wirken die Mitarbeiter auf die Kunden, welche Ausstrahlung besitzen sie? Diese persönlichen Kriterien nehmen an Bedeutung eher zu, während die fachliche Kompetenz mehr und mehr für selbstverständlich erachtet wird (selbst wenn sie das im Einzelfall auch mal nicht ist).
Ähnliche Entwicklungen sehen wir in anderen Handelssegmenten: Eine mehr oder weniger hohe Grundqualität wird vorausgesetzt, es dominieren somit individuelle, oftmals emotionale Differenzierungsmerkmale, weswegen das Marketing immer mehr auf Persönliches, Emotionales abstellt und nicht auf fachliche oder technische Details. Das zieht sich durch bis zur Werbung oder Prospektgestaltung selbst für so technische Dinge wie Autos.
Fühlen sich nun die Menschen wohl bei Ihnen, werden sie angenommen, herrscht ein freundlicher, gar herzlicher Umgangston und verlassen die Menschen Ihre Apotheke wieder mit einem angenehmen Gefühl? Aus den Erfahrungen des Mystery Shoppings (hierbei geht es nur um das Wohlbefinden der Kunden) weiß man heute sehr gut, was in den Kunden vorgeht und was sie sich wünschen.
Ganz oben auf dieser Liste steht, dass Kunden zuvorkommend behandelt werden wollen, sie wünschen sich schlicht freundliche Mitarbeiter(innen). Die weiteren Punkte sind: Eine individuelle Beratung, die zudem noch – wen wundert es – kompetent ist. Kunden wünschen sich, dass sie zu der Person, die sie bedient, Vertrauen aufbauen können. Dies erreichen wir durch die persönliche Wertschätzung von Menschen, indem wir sie durch Fragen ins Verkaufsgespräch einbinden, sie persönlich ansprechen und den Blickkontakt halten. Diese Art des Umgangs sollten wir übrigens mit allen Kunden pflegen und nicht nur mit den uns sehr bekannten oder angenehmen Kunden, auch wenn die Fokussierung auf den „rentablen“ und netten Stammkunden auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen mag. Nur: Auch aus dem heute noch wirtschaftlich wenig bedeutsamen Laufkunden kann morgen ein Stammkunde werden. Älter (und damit bedürftiger) werden zudem auch alle …
Beispiel Restauranttester
Ruth Reichel war eine bekannte amerikanische Gastrokritikerin, die vor vielen Jahren von der Washington Times zur New York Times wechselte. Die Nachricht verbreitete sich in New York wie ein Lauffeuer. Jedes Lokal, das etwas auf sich hielt, hatte ein Bild von Ruth Reichel irgendwo im Backoffice, damit sie sofort erkannt wurde, falls sie einmal das Lokal besuchen sollte. Ein Bericht von ihr in der Zeitung konnte über Aufstieg oder Untergang eines Restaurants entscheiden!
Und so wurde sie natürlich überall bestens behandelt. Wenn sie kam, wurde schon der rote Teppich ausgerollt und der Service war nur vom Feinsten. Irgendwann überlegte sie sich, wie sie denn einmal Restaurants auch „ungeschminkt“ wahrnehmen könne, und sie legte sich eine zweite Persönlichkeit zu. Eine Freundin ihrer Mutter war Maskenbildnerin und verlieh ihr oft ein zweites Aussehen. Die meisten Lokale, über die sie schrieb, besuchte sie mehrmals.
Mal kam sie nicht als die bekannte Journalistin, sondern als eine einfache alte Frau in ein Lokal und sagte, sie habe nun lange gespart und freue sich schon so, denn sie wolle einmal in ein so vornehmes Restaurant gehen. Sie war so erstaunt über die Unterschiedlichkeit der Behandlung, dass sie ein Buch über ihre Erfahrungen diesbezüglich schrieb. Manchmal setzte man sie an einen Tisch im Durchgang, bot ihr die Weinkarte schon gar nicht an und auch der Service und die Freundlichkeit waren eher unterdurchschnittlich.
Die „älteren Semester“ unter uns kennen vielleicht noch den französischen Komiker Louis de Funès, der im Film „Brust oder Keule“ (1976) genau dieses Thema schon aufs Korn nahm …
Legendär auch das Erlebnis in einem Autohaus eines bekannten süddeutschen Nobelherstellers, in welches sich ein durchaus wohlhabender Handwerksmeister „verirrte“ und für ein gehobenes Modell interessierte, leider versehentlich noch im Arbeitskittel. Die Frage des blasierten Jungverkäufers und Anzugträgers: „Na, können Sie sich denn so einen Wagen überhaupt leisten?“
Wie würde so ein Experiment in Ihrer Apotheke ausgehen? Wird jedem Kunden die gleiche Freundlichkeit und die gleiche kommunikative Aufmerksamkeit geboten?
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Fazit
Sie brauchen sicherlich keinen Maskenbildner, müssen auch nicht als Undercover-Boss in Ihr eigenes Unternehmen eingeschleust werden. Doch nehmen Sie sich konsequent einmal pro Monat eine Stunde Zeit, um ganz bewusst zu prüfen, wie der Umgang mit Kunden abläuft und was verbesserungsfähig ist. Ihre Aufzeichnungen dazu können Sie bestens bei den Einzelgesprächen mit Ihren Mitarbeitern nutzen. Die Tabelle fasst hierzu die wichtigsten Beobachtungspunkte in Form einer Checkliste zusammen.
Viel Erfolg! Versprochen: Der Einsatz dieser Stunde ist für Sie mehr wert, als Sie selbst in 8 Stunden Arbeit verdienen könnten!
3-Minuten-Video
Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zum Thema finden Sie auf der Homepage des Autors unter der Rubrik AWA: www.winklho.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(16):9-9