Jasmin Theuringer
Beide Zwecke rechtfertigen eine Videoüberwachung jedoch keinesfalls ohne Weiteres. Dies zeigen die folgenden Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung.
Überwachung zur Diebstahlprävention
Die Grenzen einer zulässigen Videoüberwachung wurden vom Verwaltungsgericht (VG) Saarlouis aufgezeigt: Ein Apotheker hatte erhebliche Differenzen seines Warenbestands feststellen müssen. Nachdem diese allein in einem Jahr einem Betrag von 44.000 € entsprachen, entschloss er sich, den Verkaufsraum, die Schleuse sowie den Betäubungsmittelschrank per Video zu überwachen. Seine vorab informierten Arbeitnehmer erklärten schriftlich ihr Einverständnis mit dieser Maßnahme. Dennoch kam es aus informierten Kreisen zu einer anonymen Anzeige der Videoüberwachung bei der Landesbeauftragten für Datenschutz. Diese untersagte nach einer Besichtigung der Apotheke die Überwachung mit Ausnahme derjenigen der Schleuse. Der Apotheker klagte dagegen. Daraufhin hob das Verwaltungsgericht die Untersagung zwar in Bezug auf den Betäubungsmittelschrank auf, bestätigte aber das Verbot der Verkaufsraumüberwachung (VG Saarlouis, Urteil vom 29.01.2016, Aktenzeichen: 1 K 1122/14).
Das Gericht begründete das Verbot mit einem Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und der damit verbundenen Verletzung der Rechte von Apothekenkunden: Nach dem BDSG ist eine Überwachung eines Verkaufsraums nicht generell unzulässig. Die Überwachung muss jedoch im konkreten Einzelfall gerechtfertigt sein. Dazu ist es notwendig, genau darlegen zu können, dass es im Bereich der Freiwahl zu Diebstählen gekommen ist und diese auf andere Art und Weise nicht aufzuklären oder zu verhindern sind. Der Apotheker im vom Gericht zu entscheidenden Fall konnte aber nicht darlegen, welche Arzneimittel und welche nicht apothekenpflichtigen Waren abhandengekommen waren. Das Gericht stellte weiterhin klar, dass auch ohne die Darlegung einer konkreten Gefährdung eine Videoüberwachung zulässig sein könne. Dann aber müsste es sich um weitläufige oder schwer einsehbare Geschäftsräume handeln oder um eine Apotheke, die in einer Gegend mit hoher Kriminalitätsdichte liege, sodass eine abstrakte Gefährdungslage bestehe. Das alles sei aber bei einem normal einsehbaren Verkaufsraum nicht der Fall.
Das bedeutet zusammengefasst, dass die Videoüberwachung der Offizin nur dann zulässig ist, wenn diese aufgrund ihrer baulichen Beschaffenheit nicht anders zu überwachen ist, wenn die Apotheke in einer problematischen Gegend liegt oder wenn es bereits nachweisbar Diebstähle in der Freiwahl gegeben hat. Zusätzlich ist durch einen Hinweis am Eingang auf die Videoüberwachung aufmerksam zu machen. Ein entsprechender Aufkleber ersetzt aber keinesfalls die erforderlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Videoüberwachung, er ist vielmehr zusätzlich zu der konkreten oder abstrakten Gefährdungssituation notwendig.
Überwachung der Arbeitnehmer
Die Kontrolle von Arbeitnehmern durch Videokameras stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Überwachten dar. Die Überwachung von Arbeitnehmern richtet sich ebenso wie die Überwachung von Kunden nach den Vorgaben des BDSG sowie nach dem Recht am eigenen Bild, da es sich nicht um Aufnahmen in einem öffentlich zugänglichen Raum handelt. In einem Verkaufsraum als öffentlich zugänglichem Bereich jedoch kann das Recht am eigenen Bild hinter dem Interesse des Betriebsinhabers auf Vermeidung von Straftaten zurücktreten.
Nach den Vorgaben des BDSG ist es möglich, dass sich Arbeitnehmer mit einer Videoüberwachung einverstanden erklären. An eine solche Einverständniserklärung werden jedoch hohe Anforderungen gestellt: Die Erklärung muss ausdrücklich erfolgen. Zudem müssen der Arbeitnehmer über den Umfang der Überwachung sowie deren Zweck hinreichend aufgeklärt und die Erklärung weiterhin ohne Druck abgegeben worden sein. Auch ist die Erklärung jederzeit widerrufbar.
Das VG Saarlouis ging im geschilderten Fall davon aus, dass Arbeitnehmer auch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis durchaus frei entscheiden könnten: Durch das Einverständnis mit der Überwachung des Betäubungsmittelschranks komme es daher nicht darauf an, ob im Übrigen das BDSG eingehalten werde. Diese Begründung darf jedoch angezweifelt werden. Es spricht Vieles dafür, dass keiner der Arbeitnehmer sich getraut hat, die Einverständniserklärung zu verweigern. So hat sich zumindest einer von ihnen damit beholfen, die Videoüberwachung anonym an die Datenschutzbehörde zu melden.
Liegt keine wirksame Einverständniserklärung vor, muss die Notwendigkeit einer Überwachung nach BDSG im konkreten Einzelfall geprüft werden. So ist es im Fall von Diebstählen oder anderen Straftaten durch Arbeitnehmer erforderlich, dass nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen. Ein allgemeiner Verdacht reicht nicht aus (zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der offenen oder heimlichen Überwachung von Arbeitnehmern vgl. auch AWA 2/2014).
Dauerhafte Leistungskontrolle
Generell unzulässig ist die dauerhafte Überwachung der Tätigkeit von Arbeitnehmern durch Videokameras, die beispielsweise im Backoffice installiert sind. Diese Art der Leistungsüberwachung findet in Apotheken leider häufig statt: Im Büro des Apothekenleiters läuft auf dem Monitor dauerhaft das von den Kameras gelieferte Bild. Durch diese Kontrolle sehen sich die Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck und Misstrauen ausgesetzt. Das BDSG lässt eine dauerhafte Überwachung zum Zwecke der Leistungskontrolle nicht zu (vgl. z.B. Landesarbeitsgericht [LAG] Hessen, Urteil vom 25.10.2010, Aktenzeichen: 7 Sa 1586/09). Es dürfte zudem für einen Arbeitgeber in der Praxis nahezu unmöglich sein darzulegen, dass sich alle Arbeitnehmer aus freien Stücken mit einer dauerhaften Überwachung einverstanden erklärt haben.
Konsequenzen einer unzulässigen Überwachung
Ergebnisse, die aus einer unzulässigen Überwachung stammen, unterliegen vor Gericht einem Verwertungsverbot. So hat jüngst das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass eine Kündigung nicht auf solche Erkenntnisse gestützt werden könne, die auf dem unzulässigen Einsatz eines sogenannten Key-Loggers – einer Software, die unbemerkt vom Arbeitnehmer dessen Eingaben auf der Computertastatur mitschreibt – beruhen (BAG, Urteil vom 27.07.2017, Aktenzeichen: 2 AZR 681/16). Das bedeutet für den Apothekenbetrieb, dass zum Beispiel selbst ein auf Video festgehaltener Diebstahl in einem Kündigungsschutzprozess nicht verwertet werden kann, wenn die Aufnahme in unzulässiger Weise entstanden ist.
Darüber hinaus begründen unzulässige Überwachungen eines Arbeitnehmers Schadensersatzansprüche des Überwachten.
Das LAG Rheinland-Pfalz verurteilte einen Arbeitgeber zur Zahlung von 10.000 € an einen Arbeitnehmer, der auf Veranlassung des Arbeitgebers von einem Detektiv überwacht worden war, ohne dass es konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat oder eine andere schwerwiegende Pflichtverletzung gegeben hatte (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.04.2017, Aktenzeichen: 5 Sa 449/16). Das LAG Hessen hielt eine Entschädigung von 7.000 € für angemessen, weil eine Angestellte über einen Zeitraum von drei Monaten unzulässig per Videokamera überwacht wurde (LAG Hessen, Urteil vom 25.10.2010, Aktenzeichen: 7 Sa 1586/09).
Fazit
Eine Überwachung des Verkaufsraums kann insbesondere dann zulässig sein, wenn es bereits Diebstähle gegeben hat, die eine Überwachung zwecks Aufklärung und Prävention erforderlich machen. Eine Videoüberwachung des Backoffice-Bereichs lässt sich vorübergehend mit einem wirksamen Einverständnis der Arbeitnehmer oder aufgrund von konkreten Verdachtsmomenten gegenüber den Arbeitnehmern legitimieren. Dagegen wird eine dauerhafte Überwachung zur Leistungskontrolle nicht zu rechtfertigen sein.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(18):15-15