Verluste drohen

Zinswende voraus!?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Es könnte ernst werden: Immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass die Politik des billigen Geldes, begonnen nach der Finanzkrise 2008/2009 und beschleunigt durch die Eurokrise ab 2010, nun zu Ende geht. Langsam sollten sich Investoren auf eine neue Phase einstellen.

Während die Zinsen in den USA schon einige Zeit bedächtig steigen, bewegen wir uns noch relativ nah an den Zinstiefpunkten, die Mitte 2016 erreicht waren. Doch das Tal ist durchschritten, die Anleiherenditen arbeiten sich wieder deutlicher über die Nulllinie, in jüngster Zeit mit sich beschleunigender Dynamik.

Diese Sachlage setzt alle Marktbeteiligten unter einen Entscheidungsdruck. Wer noch investieren möchte, kann da schnell in Torschlusspanik verfallen.

Billiges Geld nutzen?

Soll man noch die Gelegenheit nutzen, so günstig wie nie im historischen Vergleich Schulden zu machen? Das hängt davon ab, wofür man Geld ausgeben möchte.

Einfach ist es, wenn eine Investition sowieso ansteht. Da ergibt es Sinn, sich die günstigen Zinsen zu sichern. Im Idealfall tilgen Sie zu günstigem Zins die gesamte Investition, sodass keine Notwendigkeit eines Anschlussdarlehens mit heute kaum vorhersehbaren Zinsen besteht. Wer so oder so modernisieren will oder muss, der mache das jetzt.

Hängt der Wert der Investition dagegen seinerseits vom Zinsniveau ab, kann dies schnell eine Verlustrechnung werden. Ein typisches Beispiel sind bereits sehr hoch (zu hoch?) bewertete Immobilien, die bei einem deutlichen Zinsanstieg lageabhängig teils ganz erheblich im Wert einknicken dürften. Dann wäre es in der Tat klüger, diese Bereinigung an der Preisfront abzuwarten.

Musterrechnungen

Bei einem Tilgungsdarlehen (Tilgung in gleichbleibenden Raten, Zinsen sinken entsprechend der Restschuld, ggf. besteht noch eine Restschuld am Ende der Laufzeit) lässt sich die für diesen Kredit insgesamt bezahlte Zinssumme mit der unten stehenden Formel näherungsweise berechnen. In der Tabelle sind wir von jährlicher Zinszahlung für das zurückliegende Jahr und Tilgungsverrechnung am Jahresende ausgegangen. Unterjährige Zahlungen ändern daran nicht allzu viel.

Rechnen wir einmal eine Investition von einer runden Million Euro durch, vollständig in 20 Jahren zu tilgen. Andere Investitionsbeträge können linear umgerechnet werden. Sie sichern sich die jetzigen Zinsen für 5, 10 oder gar 20 Jahre. Diese steigen, je länger sie festgeschrieben werden; zurzeit sind es noch um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte für jeweils fünf zusätzliche Jahre. Dann müssten Sie bei den ersten beiden Varianten nach 5 resp. 10 Jahren anschlussfinanzieren.

In Tabelle 1 kosten alle Varianten das Gleiche an Zinsen! Das bedeutet: Wenn bei der am Anfang mit 1,25% preiswertesten Fünf-Jahres-Variante der Zinssatz nach fünf Jahren nicht über 3% liegen sollte, reicht diese kurzfristige Versicherung. Ansonsten würde es teurer als bereits jetzt 2,25% zu bezahlen, dafür aber 20 Jahre fest (Variante ganz rechts). Bei der 10-Jahres-Festschreibung auf 1,50% müssten die Zinsen für die Anschlussfinanzierung schon auf 4,36% steigen, was aber auf so lange Zeit möglich ist. Am Ende ist es natürlich ein wenig Kaffeesatzleserei. Aber durch eine solche Zwei-Schritt-Rechnung (jeder Kreditabschnitt separat mit der gegebenen Formel) können Sie zumindest die Randbedingungen abschätzen.

Nachrechnen mit Excel-Rechentool Zinswende zum Download hier.

Wert versus Zinsen

Steigen die Zinsen, wird das Gesamtinvestment entsprechend teurer. Die Relation von gezahlten Zinsen (die „weg“ bzw. bei der Bank sind) und dem eigentlich gekauften Wert verschlechtert sich. Zur Kompensation liegt es nahe, dass der Wert z.B. einer Immobilie, aber auch einer Anleihe sinken muss. Nehmen wir wieder unser 1-Mio.-€-Investment.

Abbildung 1 illustriert, wie weit der Preis von einer Million Euro bei 2% Ausgangszinssatz sinken müsste, damit die Summe aus Zinsen und Kaufpreis konstant bleibt. Gerechnet wurde wieder mit 20 Jahren Tilgungszeit; bei kürzeren Zeiten sinkt der Wert weniger stark, bei längeren wegen der höheren Zinssumme mehr. Brechen die Werte im Zuge eines Zinsanstieges und dem dann möglichen „Platzen der Blase“ stärker ein, machen Sie ein gutes Geschäft, wenn Sie jetzt noch zuwarten.

Apothekenwerte

Müssten die Apothekenwerte nicht ebenfalls reagieren, falls deren Finanzierung deutlich teurer würde? Kalkulatorisch sollte der Kapitalisierungszinssatz mit steigenden Zinsen und Anleiherenditen als Vergleich ebenfalls nachziehen, und damit würden die „Gewinnvervielfältiger“ (=wie viele nachhaltige Gewinne nach kalkulatorischem Unternehmerlohn werden bezahlt?) sinken. Letztere betragen bei einem Kapitalisierungszinssatz von

  • 12% (heutiger Bereich): 8,33,
  • 13% (heutiger Bereich): 7,69,
  • 14%: 7,14,
  • 16%: 6,25,
  • 18% (Krisenwert): 5,56.

Ein Zinsanstieg um einen Prozentpunkt, auf den Kapitalisierungszinssatz „weitergereicht“, würde insoweit gut einen halben kapitalisierbaren Jahresgewinn an Werteinbuße bedeuten. Wer 100.000 € kapitalisierbaren Gewinn zu verkaufen hat, müsste demnach bei einem um einen Prozentpunkt höheren Zinsniveau rechnerisch gut 50.000 € einbüßen. Indes: Angebot und Nachfrage regeln den Preis, bei attraktiven Objekten zugunsten des Verkäufers. Bei einer höheren Zinsbelastung werden jedoch die Banken genauer hinschauen und möglicherweise die maximale Kreditsumme niedriger deckeln.

Bleibt die spannende Frage: Wie weit werden die Zinsen steigen? Wer das genau wüsste, hätte ausgesorgt. Eng verbunden ist dies mit der Zukunft der Inflation: Kehrt diese zurück? Es gibt etliche Fakten, die gegen einen allzu schnellen und starken Zinsanstieg sprechen: Die enormen Notenbankbilanzen, die vor gewaltigen Abschreibungen stünden, und die weiter prekäre Schuldensituation vieler Staaten. Andererseits neigen die Finanzmärkte zu Übertreibungen – nach Phasen historisch zu niedriger Zinsen könnte nun das Pendel in die andere Richtung überschwingen.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(04):5-5