Helmut Lehr
Zu den außergewöhnlichen Belastungen zählen insbesondere Krankheitskosten. Diese sind jedoch nicht per se abzugsfähig, sondern nur, wenn sie durch einen Arzt oder Heilpraktiker verordnet wurden. Bei bestimmten „Behandlungen/Maßnahmen“ ist der Gesetzgeber noch strenger und fordert ein vor Beginn der Therapie bzw. Erwerb des Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten (Tabelle 1). Alternativ „genügt“ auch die ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.

Hinweis: Die zuständigen Gesundheitsbehörden müssen auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen ausstellen (vgl. § 64 Absatz 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung).
Behandlung eines Lipödems steuerlich begünstigt?
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob die Kosten für eine Liposuktion als außergewöhnliche Belastungen begünstigt sind: Die Klägerin litt an einem Lipödem, zu dessen Behandlung laut privatärztlichem Attest „eventuell die Durchführung einer Liposuktion“ vorgeschlagen wurde.
Die Krankenkasse hatte eine Kostenübernahme abgelehnt, weil es sich hierbei um eine unkonventionelle Behandlungsmethode handele, die mangels entsprechender Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von der vertraglichen Kassenleistung ausgeschlossen sei. Das Finanzamt verweigerte den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung.
Auch die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg blieb erfolglos (vgl. Urteil vom 27.09.2017, Aktenzeichen: 7 K 1940/17): Nach Ansicht des Gerichts kommt eine Steuerminderung nicht in Betracht, weil es sich bei der Liposuktion um keine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Behandlung eines Lipödems handele und die Patientin weder ein vor der Operation ausgestelltes amtsärztliches Attest noch ein Zeugnis des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vorlegen konnte. Das Gericht beruft sich bei der Einstufung als „nicht wissenschaftlich anerkannte“ Behandlungsmethode dabei auf ein allgemeines Gutachten der Expertengruppe des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen aus dem Jahr 2011, das im Jahr 2015 nochmals aktualisiert wurde.
Hinweis: Solange die Liposuktion innerhalb der Medizin nicht als wissenschaftlich anerkannte (Standard-)Therapie eingestuft wird, haben es Steuerpflichtige natürlich schwer, entsprechende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abzusetzen. Ganz unmöglich ist es jedoch nicht: Ergibt nämlich die individuelle Begutachtung durch den Amtsarzt oder den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, dass im Einzelfall eine erfolgreiche Behandlung der Beschwerden erreicht werden kann, sollte auch das Finanzamt die Kosten anerkennen. Dazu müssen das entsprechende Gutachten bzw. die Bescheinigung allerdings vor Beginn der Behandlung ausgestellt worden sein.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(05):18-18