Prof. Dr. Reinhard Herzog
Schauen wir uns einige Passagen des Koalitionsvertrages an:
„Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.“
Diese Zeilennummern 4574 und 4575 dürften den größten Gefallen finden, beinhalten aber einiges Enttäuschungspotenzial, zumal der monetäre Gewinn nicht allzu groß wäre. Je Apotheke werden vielleicht 400 bis 450 Rx-Packungen zurückgeholt, entsprechend einem Rohertrag von reichlich 4.000 € pro Jahr. Es ist eher eine Art Versicherung, wobei eine Folgeregierung selbst das wiederum ändern könnte. Wie hoch wird dagegen der Preis für diese womöglich nur temporäre Versicherungspolice an anderer Stelle werden? Die Honorardiskussion lässt grüßen ...
Doch es gibt weitere bemerkenswerte gesundheitspolitische Punkte im „GroKo-Vertrag“:
„Wir werden die Ausbildung der Gesundheitsfachberufe im Rahmen eines Gesamtkonzeptes neu ordnen und stärken. Wir wollen das Schulgeld für die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen abschaffen (…).“
So sinnvoll und überfällig dies für die PTA-Ausbildung ist – ich bin gespannt, wie viel Sand von unseren PTA-Privatschulen ins Getriebe gestreut werden wird, wenn möglicherweise dieser Ausbildungsmarkt vor einem Umbruch steht …
„Wir werden die Telematikinfrastruktur weiter ausbauen und eine elektronische Patientenakte für alle Versicherten in dieser Legislaturperiode einführen (…). Die einschränkenden Regelungen zur Fernbehandlung werden wir auf den Prüfstand stellen (…).“
Angesichts der vielen Beteiligten, des IT-Universalprojektkillers Datenschutz und der Erfahrungen mit Großprojekten aller Art darf man dies getrost als hehre Absichtserklärung verbuchen. Aber ich lasse mich gerne mal positiv überraschen!
„Wir werden den Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland (AMTS) entschlossen umsetzen und die Fälschungssicherheit von Arzneimitteln verbessern (…).“
So wünschenswert das Ziel, so sehr drohen „Securpharm plus X“ und Zusatzbürokratie ohne adäquates Zusatzgeld. Der geflügelte Spruch „Viel Arbeit teuer einkaufen“ wird hoffentlich rechtzeitig die Runde machen! Hier gilt es für die Apotheken, sehr genau hinzuschauen und sich nicht in eine süße pharmazeutische Falle locken zu lassen. Mehr als einmal hat man sich viel neue Arbeit ohne angemessene Honorierung aufdrücken lassen – oder manchmal selbst danach gerufen.
„Sowohl die ambulante Honorarordnung in der GKV (EBM), als auch die Gebührenordnung der PKV (GOÄ) müssen reformiert werden (…). Die Bundesregierung wird (…) eine wissenschaftliche Kommission einsetzen, die bis Ende 2019 (…) Vorschläge vorlegt (…).“
Da wäre es schön, wenn bei einer möglichen Angleichung bei den Ärzten auch unser Kassenrabatt auf der Strecke bliebe! Ansonsten: Wer nicht weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis! Und der tagt, tagt, tagt – bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag ...
„Um eine gute stationäre Versorgung sicherzustellen, sind deutlich erhöhte Investitionen in Krankenhäuser für Umstrukturierungen, neue Technologien und Digitalisierung notwendig (…). Die Qualitätsoffensive für Krankenhäuser soll fortgesetzt werden (…). Künftig sollen Pflegepersonalkosten besser und unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden. Die Krankenhausvergütung wird auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung umgestellt (...).“
Das könnte teuer werden. Wie vieles andere auch. Für Arbeitgeber am greifbarsten ist die künftige, hälftige Beteiligung am Krankenkassen-Zusatzbeitrag. Rund 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte, Tendenz steigend, kommen ab 2019 auf die Lohnnebenkosten obenauf. Bei einer durchschnittlichen Apotheke sind das gut 1.200 € jährlich, fast ein Drittel des warmen Rx-Versandverbot-Regens.
Auch sonst dürften Beiträge, Kosten und Bürokratie eher stärker steigen, ob bei Rente, Pflege oder im Arbeitsrecht. Und ob sich der Verzicht auf Steuererhöhungen angesichts unklarer Zukunftslasten (Flüchtlingspolitik!?) und einer nicht immer in Schönwetterlaune befindlichen Wirtschaft durchhalten lässt, sei mal dahingestellt. Allen wohl und niemandem weh? Wir werden sehen …
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(05):19-19