Dr. Andreas Nagel
Kunden, die sich beschweren, sind mit einem Produkt oder einer Leistung der Apotheke unzufrieden – unabhängig davon, ob die Beschwerde objektiv berechtigt ist oder nicht. Der Kunde fühlt sich im Recht, denn sonst würde er sich nicht beschweren. Er erwartet nun, dass die Beschwerde zu seiner Zufriedenheit bearbeitet wird – anderenfalls besteht die Gefahr, dass Sie ihn für immer verlieren. Das bedeutet aber nicht, dass Sie bei unberechtigten Beschwerden „um des lieben Friedens willen“ immer sofort nachgeben müssen. Es kommt vor allem darauf an, im Gespräch mit dem Kunden eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Verständnis zeigen
Der Kunde sollte zunächst Gelegenheit haben, seinem Ärger Luft zu machen. Lassen Sie ihn ausreden, zeigen Sie Verständnis für seine Verärgerung und drücken Sie dies auch durch ein gelegentliches Nicken oder die Bemerkung „Ich verstehe“ aus. Stellen Sie dann Fragen zum Sachverhalt und kündigen Sie gegebenenfalls eine genaue Prüfung an. So fühlt sich der Kunde ernst genommen und verstanden.
Gelegentlich kommt es vor, dass Kunden ihre Beschwerde sehr laut vortragen und andere Kunden dementsprechend darauf aufmerksam werden. Die Bitte, etwas leiser zu sprechen, hat bei diesem emotionalen Kundentyp meist wenig Erfolg. In diesem Fall empfiehlt es sich, den Kunden in eine getrennte Beratungsecke oder in einen Büroraum zu bitten und gegebenenfalls einen Kollegen hinzuzuziehen. Durch eine dritte Person versachlicht sich die Diskussion häufig sehr schnell, und der Kunde fühlt sich besonders wichtig, weil sich nun bereits zwei Personen mit seinem Anliegen beschäftigen.
Manche Kunden wünschen sich bei Beschwerden generell das Gespräch mit dem Apotheken- oder dem Filialleiter. Überlassen Sie das Beschwerdegespräch daher nicht nur Ihren Mitarbeitern. Legen Sie gemeinsam fest, in welchen Fällen Sie als Apotheken- bzw. Filialleiter hinzugezogen werden sollen, um dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, dass seine Beschwerde besonders ernst genommen wird.
Beschwerde zurückweisen
Erscheint Ihnen eine Beschwerde unberechtigt, sollten Sie dem Kunden so ausführlich wie möglich erklären, warum Sie dies denken. Eine nachvollziehbare Erklärung ist in dieser Situation besonders wichtig. Der Kunde muss im Detail erfahren, warum Sie seine Beschwerde nicht anerkennen. Ein kurzes „Tut mir leid“ ist dazu sicherlich nicht ausreichend. Nehmen Sie sich Zeit für eine ausführliche Erklärung. Vielleicht erkennt der Kunde dann selbst, dass er sich zu Unrecht beschwert hat: Die Angelegenheit ist damit erledigt.
Manchen Kunden ist es in diesem Fall sogar peinlich, wenn sie einen eigenen Irrtum oder Denkfehler eingestehen müssen. Zeigen Sie deshalb Verständnis, und machen Sie dem Kunden kein schlechtes Gewissen. Auch spöttische oder abwertende Bemerkungen verbieten sich in dieser Situation von selbst.
Kulanzlösungen
Mancher Kunde wird trotz Ihrer Erklärungen weiterhin der Meinung sein, seine Beschwerde sei berechtigt. Wenn Sie die (in Ihren Augen) unberechtigte Beschwerde nicht zur Zufriedenheit des Kunden bearbeiten, wird sich dieser ungerecht behandelt fühlen und die Apotheke enttäuscht verlassen. Oft verlieren Sie ihn für immer.
Dadurch entgeht Ihnen zum einen zukünftiger Umsatz. In welcher Höhe das der Fall sein wird, können Sie bei einem Stammkunden vermutlich anhand der Werte aus der Vergangenheit abschätzen. Zum anderen berichtet der enttäuschte Kunde in seinem Freundes- und Bekanntenkreis über die Beschwerde und über Ihr Verhalten. Dort stellt er den Sachverhalt meist nicht objektiv, sondern aus seiner ganz persönlichen Sicht dar und macht auf diese Weise negative „Mund-zu-Mund-Propaganda“ über Ihre Apotheke.
Wenn eine Beschwerde hingegen großzügig und kulant behandelt wird, so berichtet der Kunde auch darüber im Freundes- und Bekanntenkreis. Dies hat dann sogar einen positiven Effekt, weil die Apotheke als besonders kundenfreundlich dargestellt wird.
Eine einvernehmliche Lösung ist daher in den meisten Fällen am besten. Sie können entweder selbst einen Lösungsvorschlag anbieten oder den Kunden fragen, wie aus seiner Sicht eine zufriedenstellende Lösung aussehen würde, z.B. durch die Frage: „Was müsste passieren, damit Sie wieder vollkommen zufrieden mit uns sind?“
Manche Apotheken verpflichten ihre Mitarbeiter sogar ausdrücklich dazu, dem Kunden sofort und immer Recht zu geben. Eine schnelle und kommentarlose Behandlung jeder Beschwerde kann beim Kunden aber auch den Eindruck erwecken, dass Fehler und Beschwerden in dieser Apotheke an der Tagesordnung sind. Einzelne Kunden werden zudem versuchen, das kulante Verhalten systematisch auszunutzen.
Wenn Sie ein solches Verhalten vermeiden, den Kunden aber trotzdem zufriedenstellen möchten, bietet sich die folgende Lösung an: Sie können im Gespräch betonen, dass die Beschwerde aus Ihrer Sicht zwar unberechtigt oder zumindest zweifelhaft ist, dass Sie aber dennoch die vom Kunden erwartete Lösung akzeptieren. Tenor: „Ich bin zwar nicht sicher, ob das wirklich unser Fehler war. Aber wir möchten, dass Sie auch weiterhin unser zufriedener Kunde sind. Daher werde ich die Angelegenheit natürlich in Ihrem Sinne regeln.“
Beschwerde dokumentieren
Unberechtigte Beschwerden sollten nach der Bearbeitung schriftlich dokumentiert werden – auch wenn es unerfreulich ist und einige Minuten Zeit kostet. Dazu kann je nach Beschwerde entweder ein ausführliches „Beschwerdeformular“ oder ein „Beschwerdebuch“ im DIN-A5-Format eingesetzt werden, in dem die Beschwerde mit geringem Zeitaufwand stichwortartig festgehalten wird. In der nächsten Mitarbeiterbesprechung lässt sie sich dann im Team diskutieren. Dabei sollte insbesondere besprochen werden, wie die optimale Verhaltensweise in der jeweiligen Beschwerdesituation aussieht.
„Beschwerdestandard“ festlegen
Hierdurch lassen sich die Vorgehensweisen bei unterschiedlichen Arten von unberechtigten Beschwerden auf Dauer standardisieren. Damit bleibt es nicht dem Zufall überlassen, wie einzelne Mitarbeiter auf diese Beschwerden reagieren. Ein einheitlicher „Beschwerdestandard“ vermeidet vor allem instinktive oder emotionale Reaktionen und hilft, Beschwerden sachlich und zur Zufriedenheit des Kunden zu behandeln. Der „Beschwerdestandard“ sollte idealerweise neben Verhaltensregeln auch geeignete Formulierungshilfen für die unangenehme Beschwerdesituation enthalten. So verbessert sich das Beschwerdemanagement der Apotheke kontinuierlich.
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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(05):8-8