Prof. Dr. Reinhard Herzog
Bisher liegen vor: Auswertungen der Marktforscher IQVIA und Insight Health sowie des GAmSi-Schnellinformationssystems der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und weiterhin die vorläufigen GKV-Finanzergebnisse und die ABDA-Apothekenstatistik.
Das tragende Rx-Segment wird seitens IQVIA bei 738 Mio. Packungen (–0,3%) gesehen (Abb. 1). Der Versand ist hier enthalten. Nach Wert zu apothekenrelevanten Listen-Hersteller- bzw. Erstattungspreisen, welche die Grundlage für die Großhandels- und Apothekenhonorare bilden, umfassen die Rx-Produkte etwa 30.870 Mio. € (+4,8%). Addiert man die gesetzlichen Großhandels- und Apothekenzuschläge, sollte der Apothekenverkaufspreis in diesem Berichtskreis bei etwa 38,5 Mrd. € (+4,0%) liegen.
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OTC-Produkte („Gesundheitsmittel“, umfassen einige, aber nicht alle Nicht-Arzneimittel, einschließlich Versand) werden mit 911 Mio. Packungen (+0,7%) ausgewiesen. 58 Mio. Packungen davon (–2,2%) wurden zulasten der GKV, 75 Mio. (+/–0%) privat verordnet. Nicht verordnete Produkte legten schwach um 0,9% zu. Bei den reinen OTC-Arzneimitteln herrschte Stagnation. Nach Umsatz legten die Gesundheitsmittel um 3,7% zu auf 8.704 Mio. € zu Kunden-Endpreisen.
Betrachten wir den GKV-Markt etwas näher. Die vorläufigen Rechnungsergebnisse der Krankenkassen weisen für Arznei- und Verbandmittel aus Apotheken Bruttokosten von 39,9 Mrd. € einschließlich Zuzahlungen aus (+3,7%), davon 2.160 Mio. € Eigenanteile. 410 Mio. € (+12%) stammen aus dem Versand. Hilfsmittel von allen Anbietern machen stolze 8,5 Mrd. € (+3,1%) aus. Zudem wurden in der GKV 35,3 Mio. Einzeldosen Impfstoffe im Wert von knapp 1,1 Mrd. € brutto verbraucht (+1,4%).
409 Mio. Packungen, je Apotheke 20.500, gingen als Rabattvertragsarzneimittel über die HV-Tische. Diese spielten 4.018 Mio. € Einsparungen ein (gut 200.000 € je Apotheke oder rechnerisch etwa 9,80 € je Packung). Nach dem GAmSi-Schnellinformationssystem verbergen sich hinter diesen GKV-Ausgaben etwa 462 Mio. Rezeptblätter, gut 23.000 je Apotheke. Darauf standen 757 Mio. Einzelverordnungen, der größte Teil davon mit 651 Mio. Fertigarzneimitteln, wiederum 597 Mio. davon verschreibungspflichtig. Diese Werte sind allesamt mit etwa 0,5% bis 1% rückläufig gewesen.
Dem standen Ende des Jahres noch 19.748 Apotheken gegenüber (per Saldo –275 bzw. –1,4%, verteilt auf 120 Neueröffnungen und 395 Schließungen).
Am Rande erwähnt sei der Klinikmarkt, der seit Jahren stärker als der Apothekenmarkt wächst und nunmehr bei etwa 5,68 Mrd. € (+8,3% gegenüber dem Vorjahr, allerdings auch hier mit einem leichten Mengenrückgang um knapp 1%) angekommen ist. Ganz grob macht der Klinikmarkt stets gut ein Zehntel des Gesamt-Apothekenmarktes aus.
Gewinner und Verlierer
Das Wachstum wurde in 2017 vor allem angetrieben durch:
- Onkologika (vor allem Antikörper und Tyrosinkinase-Hemmer sowie Hormonantagonisten),
- Tumornekrosefaktor-Hemmer mit verschiedenen Indikationen sowie
- neue Gerinnungs-Hemmer (Faktor Xa-Hemmer).
Eine beachtliche Karriere ist den o.g. Gerinnungs-Hemmern beschieden. Seit 2012 haben sich die „Zähleinheiten“ (= einzelne Tabletten, Kapseln etc.) von 506 Mio. auf nunmehr 1.150 Mio. mehr als verdoppelt. Dominierten vor fünf Jahren noch die Vitamin-K-Antagonisten mit 85% nach Menge, haben nunmehr die teureren, direkten oralen Antikoagulantien (DOAK, die „...-gatrane“) mit 73% die klare Führung übernommen. Hier entfällt das aufwendige Monitoring, und die Therapiesteuerung fällt aufgrund kürzerer Halbwertszeiten leichter. Dieser geringere Aufwand überzeugt offenkundig die Ärzte immer mehr.
Auf der Seite der Verlierer mit Rückgängen um 5% finden sich etliche „Klassiker“ wie Ulkuspräparate, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), topische Schmerzmittel-Einreibungen oder auch Diabetes-Tests. Einen starken Rückgang erlebten zudem die Hepatitis-C-Mittel: 2015 noch 1,35 Mrd. € (brutto) und 155.000 Packungen umfassend, waren 2017 noch 597 Mio. €, verteilt auf 97.000 Packungen, zu verzeichnen.
Regional fallen die Verordnungswerte traditionell auseinander. Vor Abzug von Rabatten zu Brutto-Apothekenumsatzwerten rangiert Mecklenburg-Vorpommern beim Pro-Kopf-GKV-Umsatz mit 751 € unangefochten an der Spitze. Es folgt Sachsen-Anhalt mit noch 703 €. Am anderen Ende finden sich Hessen (536 €) und Bayern (529 €). Der Bundesdurchschnitt liegt bei 583 € mit einem Zuwachs von 2,6%.
Versand
Der Rx-Versandhandel hat 2017 nach Angaben des Marktforschers IQVIA um rund 6% nach Menge und gut 4% nach Wert zugelegt. Angesichts der gewaltigen Werbetrommeln ist das ein bescheidenes Ergebnis. Absolut werden hier 8,3 Mio. Packungen verortet (= 1,1% Marktanteil, nach Wert ähnlich, absolut knapp 400 Mio. € netto), wobei es insbesondere hinsichtlich der Privatverordnungen Erfassungslücken gibt, dergleichen im Hinblick auf das Auslandsgeschäft.
420 Rx-Packungen tritt die Durchschnitts-Apotheke somit an die Päckchenkonkurrenz ab, Rohertrag um 4.000 €. Dies würde bei einem Rx-Versandverbot wieder zurückfließen, eine überschaubare Größenordnung.
Ganz anders die Lage im Non-Rx-Markt. Auch hier weisen die Marktdaten „blinde Flecken“ auf. Dies betrifft vor allem Nicht-Arzneimittel, von Kosmetik über Teststreifen bis hin zu Geräten (Beispiel: kontinuierliche Blutglukose-Messung), die erst gar nicht über die Apotheken vermarktet werden. IQVIA veranschlagt den Versandmarkt der „Gesundheitsmittel“ auf 112 Mio. Packungen (+6,3%) zum Listen-Herstellerpreis von 842 Mio. € (+9,8%) bzw. 1.376 Mio. € zum Netto-Apothekenverkaufspreis.
Der Marktforscher Insight Health nennt 168 Mio. (+12,8%) Packungseinheiten im OTC-Versand, Listen-Herstellerpreis 1.367 Mio. € und Listen-Verkaufspreis hochgerechnet etwa 2.200 Mio. € netto. Der OTC-Gesamtmarkt (Arznei- und Nicht-Arzneimittel ohne Diagnostika) wird hier auf 1.062 Mio. (–0,7%) Packungen mit einem Herstellerpreis von 6.126 Mio. € (zu Listenverkaufspreisen sind das rund 10 Mrd. € netto) taxiert. Diagnostika können zusätzlich mit gut 30 Mio. Packungen zum Listenverkaufspreis von etwa 700 Mio. € angesetzt werden.
Der Versandanteil nach Menge beträgt demnach stolze 15,3%, nach Wert zu Listenpreisen (nicht nach realen Verkaufspreisen des Versands!) fast 20%. Der OTC-Versand ist aktuell die wirtschaftliche Großbaustelle, und weniger das Rx-Geschäft.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(07):4-4