Stefan Kurth
Ein erfolgreiches Unternehmen basiert auf einer erfolgreichen unternehmerischen Idee, aber auch auf der Fähigkeit, sich zur richtigen Zeit die richtigen Fragen zu stellen. Für Sie als Apotheker zählen hierzu z.B. Fragen nach dem richtigen Preismanagement, der Arzneimittelsicherheit im Rahmen von Logistik und Lagerhaltung, dem Risiko von Vermögensschädigungen, dem Verlust von Erträgen aufgrund von Retaxationen oder nach der Ordnungsmäßigkeit der externen Rechnungslegung. Wenn Sie sich diese und ähnliche Fragen stellen, beschäftigen Sie sich mit dem IKS Ihrer Apotheke. Dessen übergeordnetes Ziel ist es, die bestehenden Risiken auf ein akzeptables Niveau zu reduzieren.
Rechtliche Anforderungen
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit seinem Schreiben vom 14.11.2014 die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (GoBD) veröffentlicht. Danach müssen steuerpflichtige Unternehmen das IKS als Teil der Verfahrensdokumentation beschreiben (vgl. auch AWA 23/2017 und AWA 1/2018).
Die GoBD gelten für alle Buchführungssysteme (Abb. 1), und ausdrücklich auch für sogenannte „Vorsysteme“, wie z.B. Faktura-, Kassen-, Warenwirtschafts- und Zeiterfassungssysteme oder auch für Waagen mit Kassenfunktion. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Unternehmen die Vorsysteme für eigene Prozesse betreiben – und nicht aufgrund steuerlicher Vorschriften oder gar für die Betriebsprüfung. Die gleiche Annahme gilt für den Anspruch der Datenkongruenz zwischen Vor-, Neben- und Hauptsystemen, also für die Übereinstimmung zwischen z.B. den Daten der Lagerwirtschaft und der Finanzbuchhaltung. Die Buchführung der Apotheke beginnt damit am HV-Tisch – bei jedem einzelnen Kassenvorgang. Besondere Brisanz ergibt sich daraus, dass die GKV-Umsätze zwar durchaus im Vorsystem verbucht, jedoch durch einen externen Dienstleister abgerechnet werden. Ein IKS muss dieser besonderen Konstellation Rechnung tragen.
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Um dabei den Anforderungen der GoBD zu genügen, muss sichergestellt sein, dass Geschäftsvorfälle nachvollziehbar und nachprüfbar, vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet und unveränderbar in den verwendeten Haupt-, Vor- und Nebensystemen erfasst werden. Ein funktionierendes IKS leistet diese Aufgabe und unterstützt Sie so im Übrigen auch dabei, auf die seit dem 1. Januar 2018 mögliche Kassen-Nachschau optimal vorbereitet zu sein (vgl. auch AWA 19/2017).
Solange die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung nicht beeinträchtigt werden, ist eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation auch im Falle einer Betriebsprüfung unproblematisch (BMF-Schreiben zu den GoBD, Tz. 155). Ergeben sich jedoch Schwierigkeiten, führt das zumindest zu Erklärungsbedarf bis hin zum Risiko von Hinzuschätzungen steuerlicher Ergebnisse nach §162 Abgabenordnung (AO).
Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung des IKS
Wird die geforderte Verfahrensdokumentation nicht nur als lästige Übung für den Fiskus erstellt, können die Anforderungen der GoBD die Chance bieten, Abläufe im Unternehmen kritisch zu hinterfragen, Risiken ebenso zu identifizieren wie auch zu bewerten und angemessene Kontrollen (weiter) zu entwickeln. Hilfestellung bieten die folgenden vier Prinzipien:
- Transparenz-Prinzip: Soll-Prozesse werden organisatorisch und technisch beschrieben. Damit kommunizieren Sie Ihre Erwartungshaltungen an die Mitarbeiter und können kontrollieren, ob die Vorgaben eingehalten werden.
- Vier-Augen-Prinzip: Kein wesentlicher Vorgang bleibt ohne Kontrolle durch (zumindest) eine zweite Person. Dies gilt insbesondere für Vorgänge, die unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis haben. Beispielhaft sei hier die Ausbuchung verfallener Arzneimittel aus dem Warenwirtschaftssystem genannt.
- Funktionstrennungs-Prinzip: Operative (z.B. Einkauf, Verkauf), erfassende (z.B. Lager- und Finanzbuchhaltung) und verwaltende Tätigkeiten (z.B. Lagerverwaltung) innerhalb eines Prozesses werden von verschiedenen Personen durchgeführt.
- Mindestinformations-Prinzip: Mitarbeiter haben nur die Informationen zur Verfügung, die sie für ihre Arbeit brauchen.
Nicht alle Prinzipien können jederzeit und gleichermaßen umgesetzt werden. So lässt sich eine Funktionstrennung zwischen Einkauf und Lagerverwaltung vor allem in kleineren Apotheken nur selten verwirklichen. Auch das Mindestinformations-Prinzip kann insbesondere in kleineren Apotheken das Vier-Augen-Prinzip konterkarieren. In diesen Fällen lässt sich durch geeignete Kontrollen Kompensation schaffen.
Die Bestandsaufnahme des IKS beginnt damit, die wesentlichen Geschäftsprozesse des Unternehmens und die mit diesen Prozessen verbundenen Risiken zu benennen. Dazu gehören z.B. der Einkauf, der Wareneingang, die Lagerwirtschaft, der Verkauf und der Warenausgang. Jeder Prozess wird Schritt für Schritt analysiert, immer mit Blick auf eventuelle Risiken und Kontrollen zur Risikoerfassung. Letztere müssen dabei dem Ausmaß der Risiken (Wie wahrscheinlich ist der Eintritt? Wie groß wäre der Schaden?) entsprechen. Dies gilt hinsichtlich der Häufigkeit (monatlich, wöchentlich, täglich, permanent) und des Zwecks (präventiv oder kurativ). Zu den infrage kommenden Kontrollen gehören u.a.:
- Zugangs- und Zugriffsberechtigungskontrollen (wer darf was erfassen, verändern, freigeben?),
- Funktionstrennungen (operative, erfassende und verwaltende Funktionen innerhalb eines Prozesses),
- Erfassungs-, Abstimmungs-, Verarbeitungskontrollen (Fehlerhinweise, Plausibilitätsprüfungen),
- Schutzmaßnahmen gegen (un-) beabsichtigte Verfälschung von Programmen, Daten und Dokumenten,
- Analyse von Sachverhalten und Entwicklungen (z.B. monatliche Entwicklung von Ertragszahlen).
Damit die Kontrollen ihre Wirkung entfalten, müssen sie dokumentiert werden. Nur so können Sie als Apothekenleitung die gewollten Prozesse durchsetzen und überwachen. Letztlich hängen die Wirksamkeit und der Nutzen eines IKS aber vom Kontrollumfeld im Unternehmen ab: Wie also sind Grundeinstellungen, Problembewusstsein und Verhalten der Führungsebene in Bezug auf das IKS beschaffen?
Ausblick
Die im BMF-Schreiben zu den GoBD geforderte Darstellung des IKS in der Verfahrensdokumentation ist im Idealfall nur das Ergebnis der skizzierten Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung des IKS: Wenn Sie Soll-Prozesse, identifizierte Risiken und durchgeführte Kontrollen nah am tatsächlichen Geschehen im Unternehmen beschreiben, können Sie Steuerungs- und Überwachungspotenzial gewinnen, um Ihre Unternehmensziele zu erreichen. Die zunehmende Automatisierung der Geschäftsabläufe – sei es im Bereich der Kassensysteme, der Warenwirtschaft oder des Vertragsmanagements – ermöglicht die Nutzung IT-gestützter Kontrollen, ohne dass ein wesentlicher personeller Aufwand hinzukommen muss.
Trotz aller formalrechtlicher Anforderungen bleibt es somit die vorrangige Aufgabe Ihres IKS, Ihre Unternehmensziele auf der Basis zuverlässiger Informationen und unter akzeptablen Risiken zu erreichen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(07):6-6