Helmut Lehr
Bundestag und Bundesrat haben im vierten Quartal 2019 bereits zahlreiche Steueränderungen verabschiedet. Viele davon treten schon zum 01.01.2020 in Kraft. Der nachfolgende Beitrag verschafft Ihnen einen ersten Überblick zu denjenigen praxisrelevanten Neuerungen, die Sie als Apothekenleiter direkt betreffen können – gegebenenfalls auch im "privaten" steuerlichen Bereich.
Grundsteuerreform
Hierzu nur eine kurze Bemerkung: Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum Jahreswechsel neue Rahmenbedingungen für die künftige Erhebung der Grundsteuer zu schaffen. Weil der Bundesrat die Reform der Grundsteuer am 08.11.2019 – und damit rechtzeitig – beschlossen hat, bleibt für die kommenden Jahre zunächst einmal alles beim Alten: Das bisherige Recht darf weiter angewendet werden (Übergangsfrist!). Erst ab 2025 erheben die Bundesländer die Grundsteuer dann nach den neuen Regeln. Bis dahin können die notwendigen Daten gesammelt bzw. die entsprechenden Werte ermittelt werden.
Hinweis: Wer zu den Gewinnern bzw. zu den Verlierern der Reform gehören wird, lässt sich derzeit leider noch nicht sicher prognostizieren, da die Kommunen ihre Hebesätze individuell anpassen dürfen.
Weniger Bürokratie
Das sogenannte Bürokratieentlastungsgesetz III wurde ebenfalls am 08.11.2019 vom Bundesrat verabschiedet. Einige Änderungen haben unmittelbare steuerliche Auswirkung:
Kleinunternehmergrenze erhöht
Kleinunternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts (Umsatzgrenze: 17.500 €; maßgebend ist das jeweilige Vorjahr) müssen in der Regel keine Umsatzsteuer abführen. Die Umsatzgrenze wurde nun auf 22.000 € angehoben, sodass es künftig wesentlich mehr "Kleinunternehmer" gibt, die keine Umsatzsteuer zahlen müssen. Weil die Änderung zum 01.01.2020 in Kraft tritt, gilt die 22.000-€-Grenze bereits für den Umsatz 2019 – dann nämlich als "Vorjahresumsatz".
Hinweis: Als Apothekeninhaber sind Sie regelmäßig kein umsatzsteuerlicher Kleinunternehmer. Besitzen Sie aber z.B. mit Ihrem Ehepartner ein teilweise vermietetes Ferienhäuschen, für das Sie beide zusammen als Unternehmer geführt werden, kann die Änderung natürlich enorme Bedeutung haben (vgl. AWA 1/2017). Gleiches gilt, wenn Sie z.B. im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) anderweitig "nebenberufliche" Einkünfte erzielen.
Betriebliche Gesundheitsförderung
Als Arbeitgeber können Sie Ihren Mitarbeitern spezielle Gesundheitsleistungen oder entsprechende Zuschüsse zu Gesundheitsmaßnahmen (lohn-)steuerfrei anbieten. Um hier den Spielraum für Arbeitgeber etwas zu erweitern, wird der steuerfreie Höchstbetrag ab 2020 von bisher 500 €/Jahr auf 600 €/Jahr angehoben.
Gruppenunfallversicherung
Wenn Sie Ihren Mitarbeitern eine Gruppenunfallversicherung anbieten, können Sie die Lohnsteuer dafür bislang mit einem moderaten Pauschsteuersatz von 20% anmelden, sofern der steuerliche Durchschnittsbetrag ohne Versicherungsteuer 62 € im Kalenderjahr nicht übersteigt. Für Lohnzahlungszeiträume ab 2020 wird dieser Grenzbetrag auf 100 € angehoben.
Kurzfristig Beschäftigte
Für kurzfristig Beschäftigte (wie z.B. Aushilfen) können Sie die Lohnsteuer mit 25% pauschalieren. Das setzt bislang u.a. voraus, dass der durchschnittliche Arbeitslohn pro Arbeitstag maximal 72 € beträgt. Dieser Grenzbetrag wird für Lohnzahlungszeiträume ab 2020 auf immerhin 100 € angehoben.
Hinweis: Daneben wird der pauschalierungsfähige maximale durchschnittliche Stundenlohn auf 15 € erhöht.
Leider nicht umgesetzt wurden ...
- ... die zunächst geplante Verkürzung der Aufbewahrungsfristen im Steuer- und Handelsrecht von zehn auf acht Jahre. Bis auf Weiteres müssen Sie steuerrelevante Unterlagen damit nach wie vor (mindestens) zehn Jahre lang aufbewahren.
- ... die Anhebung der Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von 800 € auf 1.000 € (vgl. auch AWA 3/2018). Es ist aber gut möglich, dass diese Anhebung kurz- bzw. mittelfristig in ein anderes Gesetzgebungsverfahren einfließt.
Jahressteuergesetz 2019
Erstaunlich schnell hat der Bundesrat am 29.11.2019 dem "Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" zugestimmt. Weil das Gesetz zahlreiche einzelne Steueränderungen enthält, wird es allgemein kurz auch als "Jahressteuergesetz 2019" bezeichnet. Die wichtigsten neuen Regelungen darin sind:
Verschärfung bei Sachbezügen
Künftig sind zweckgebundene Geldleistungen an Mitarbeiter, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten, grundsätzlich keine (begünstigten) Sachbezüge mehr. Es liegen vielmehr Geldleistungen vor, sodass die monatliche Sachbezugsfreigrenze von 44 € nicht zur Anwendung kommt.
Weiterhin als Sachbezug begünstigt bleiben aber Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen. Sie müssen allerdings zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden – insbesondere nicht im Rahmen einer Gehaltsumwandlung. Auslöser für die Gesetzesverschärfung ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu einer Zusatzkrankenversicherung, die ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter bezuschusst hatte (vgl. AWA 1/2019).
Hinweis: Sofern Sie Ihren Mitarbeitern bislang "Sachlohn" insbesondere unter Nutzung der monatlichen Freigrenze von 44 € gewähren, sollten Sie kurzfristig mit Ihrem steuerlichen Berater besprechen, ob aufgrund dieser Gesetzesänderung Handlungsbedarf besteht.
Job-Ticket
Zum 01.01.2019 wurde eine neue Steuerbefreiung für das Job-Ticket eingeführt. Diese Begünstigung kann allerdings an anderer Stelle zu Nachteilen führen, weil sie auf die Entfernungspauschale angerechnet wird, die der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung geltend macht (vgl. hierzu AWA 24/2018).
Künftig können Sie als Arbeitgeber die Lohnsteuer für das Job-Ticket mit 25% pauschalieren, statt die Steuerfreiheit in Anspruch zu nehmen. Im Gegenzug entfällt für die Mitarbeiter die Anrechnung auf die Entfernungspauschale – der Werbungskostenabzug bleibt damit ungeschmälert erhalten.
Hinweis: Die Lohnsteuerpauschalierung bietet eine einfache steuerliche Lösung, um ganzen Arbeitnehmergruppen insbesondere Job-Tickets zur Verfügung zu stellen, ohne dass für einzelne Mitarbeiter die Gefahr eines steuerlichen Nachteils besteht, wenn bzw. weil sie das Ticket tatsächlich nicht oder nur eingeschränkt nutzen.
Elektrofahrzeuge
Wer betriebliche E-Autos privat nutzt, wird bereits seit Beginn des Jahres 2019 steuerlich besonders begünstigt. Damals hat man den geldwerten Vorteil halbiert (vgl. AWA 24/2018). Nun hat der Gesetzgeber nochmals nachgelegt: Aus der 0,5%-Regelung wird bis auf Weiteres eine 0,25%-Regelung – die Privatnutzung wird nun also monatlich mit einem Viertel des maßgebenden Listenpreises angesetzt! Begünstigt sind Kfz,
- die zwischen dem 01.01.2019 und dem 31.12.2030 angeschafft worden sind bzw. werden,
- die kein Kohlendioxid emittieren und
- deren Bruttolistenpreis unterhalb von 40.000 € liegt.
Hinweis: Für bestimmte extern aufladbare Elektro- und Hybridfahrzeuge, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, wird zumindest die günstige 0,5%-Regelung um einige Jahre verlängert.
Elektronutzfahrzeuge und Lastenfahrräder
Zukünftig können Sie im Jahr der Anschaffung nicht nur für Elektrolieferfahrzeuge (wie zunächst im Regierungsentwurf vorgesehen), sondern allgemein für Elektronutzfahrzeuge und elektrisch betriebene Lastenfahrräder Sonderabschreibungen in Höhe von 50% der Anschaffungskosten in Anspruch nehmen (vgl. §7c Einkommensteuergesetz, neue Fassung).
Elektronutzfahrzeuge sind dabei Fahrzeuge der EG-Fahrzeugklassen N1, N2 und N3, die ausschließlich durch Elektromotoren angetrieben und die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden. Bei elektrisch betriebenen Lastenfahrrädern handelt es sich um Schwerlastfahrräder mit einem Mindest-Transportvolumen von 1 m3, einer Nutzlast von mindestens 150 kg und einem elektromotorischen Hilfsantrieb.
Die neue Sonderabschreibung gilt für Fahrzeuge, die ab dem 01.01.2020 angeschafft werden, sofern die Europäische Kommission keine Einwände im Hinblick auf (unzulässige) Beihilfen erhebt.
Hinweis: Berücksichtigen Sie die Sonderabschreibung gegebenenfalls auch bei etwaigen Rentabilitätsberechnungen für den Botendienst (vgl. AWA 23/2019).
Private Fahrradnutzung
Wenn Sie Ihren Mitarbeitern ein betriebliches (Elektro-)Fahrrad überlassen, ist der geldwerte Vorteils daraus steuerbefreit – nun nicht mehr nur, wie im letzten Jahr beschlossen, bis Ende 2021, sondern bis Ende 2030 (vgl. auch AWA 24/2018).
Außerdem wird ab dem 01.01.2020 eine neue Lohnsteuerpauschalierungsmöglichkeit für den Fall eingeführt, dass Sie einem Mitarbeiter zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn ein betriebliches (Elektro-)Fahrrad unentgeltlich oder verbilligt übereignen. Der pauschale Steuersatz beträgt in diesem Fall 25%.
Verpflegungsmehraufwendungen
Bislang betragen die steuerlichen Verpflegungspauschalen für Dienstreisen (oder doppelte Haushaltsführungen) bei 24-stündiger Abwesenheit 24 €/Tag und für den An- und Abreisetag (bei Übernachtung) 12 €. Ebenfalls 12 €/Tag gelten bei eintägigen Auswärtstätigkeiten mit mindestens achtstündiger Abwesenheit.
Ab dem 01.01.2020 werden diese Verpflegungspauschalen auf 28 €/Tag bzw. 14 €/Tag angehoben. Das setzt natürlich voraus, dass der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte (in der Regel also der Apotheke) tätig wird.
Kranken- und Pflegeversicherung für das eigene Kind
Als Eltern können Sie unter bestimmten Voraussetzungen die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die Sie für Ihre Kinder zahlen, als eigene Sonderausgaben absetzen. Die Finanzverwaltung zeigte sich hier bislang relativ kulant, während der Bundesfinanzhof recht strenge Maßstäbe anlegte (vgl. AWA 12/2019).
Der Gesetzgeber hat nun nochmals zugunsten der Steuerpflichtigen nachgebessert und klargestellt, dass der Sonderausgabenabzug unabhängig von der Höhe der eigenen Einkünfte und der Bezüge des Kindes möglich ist.
Erzeugnisse der Monatshygiene
Das Jahressteuergesetz enthält zahlreiche umsatzsteuerliche Änderungen, insbesondere für grenzüberschreitende Umsätze. Eine Änderung betrifft allerdings auch direkt das Warensortiment der Apotheke: Für die Lieferung von Menstruationsprodukten gilt künftig der ermäßigte Steuersatz von 7% (vgl. neue Nr. 55 in der Anlage 2 zu §12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz).
Ausblick
Weitere steuerliche Änderungen enthält das sogenannte Klimapaket, das am 29.11.2019 vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuss geschickt wurde. Deshalb stand bei Redaktionsschluss für diese AWA-Ausgabe noch nicht fest, ob Fernreisen mit der Bahn ab 2020 umsatzsteuerlich begünstigt und damit billiger werden und ob sich die Entfernungspauschale ab 2021 (!) tatsächlich erhöht. Auch die Begünstigungen für energetische Gebäudesanierungen sind im Klimapaket enthalten (vgl. AWA 23/2019).
Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(24):6-6