Eins vor zwölf die Reißleine gezogen


Dr. Hubert Ortner

Liebe Leserinnen und Leser,

das war aber eine schwere Geburt. Gemeint ist nicht die Einführung des E-Rezepts zum 1.1. 2022, sondern deren Verschiebung auf unbestimmte Zeit. Dabei war allen Beteiligten klar, dass diese – bitte sehen Sie mir die Wortwahl nach – "alternativlos" war: Nachdem in der Pilotphase sage und schreibe 42 Testverordnungen (in Worten: zweiundvierzig) unfallfrei durch den E-Rezept-Prozess geschleust wurden, wäre es geradezu absurd gewesen, am ursprünglichen Zeitplan festzuhalten. Für den Vatikan mit seinen 1.000 Einwohnern hätte das ausgereicht – nicht aber für ein Land, in dem die Ärzte jährlich 800 Millionen Rezepte ausstellen.

So richtig das Last-Minute-Moratorium für das E-Rezept ist, so unwürdig war das "Schwarzer Peter"-Spiel der Beteiligten in den letzten Wochen. Gut, dass das BMG dieses kurz vor Weihnachten beendet und die "Spieler" scharf dafür gerügt hat, das Ministerium zum technischen Stand des Projekts entweder falsch oder zumindest unzureichend informiert zu haben. Damit kann jetzt technisch sowie juristisch nachgebessert und der Gesamtprozess flächendeckend getestet werden, bevor man das E-Rezept auf die Patienten "loslässt". Deren Versorgungssicherheit in einer pandemischen Notlage wie jetzt ohne Not aufs Spiel zu setzen, wäre schlichtweg unverantwortlich gewesen.

Als Apotheker waren Sie in dem "Schwarzer Peter"-Spiel übrigens außen vor: Die meisten deutschen Offizinen waren nämlich schon seit geraumer Zeit "E-Rezept ready". Überdies haben sie binnen weniger Wochen 55 Millionen digitale Impfzertifikate ausgestellt und damit für alle sichtbar den Praxisbeweis erbracht, dass deutsche Apotheken höchst digital-kompetent sind!

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Dr. Hubert Ortner

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(01):2-2