Bundesfinanzhof bestätigt Steuergestaltung

Spekulationsgewinn auf Kinder verlagern


Helmut Lehr

In Zeiten explodierender Grundstückspreise sind Veräußerungsgewinne kurzfristig zu erzielen. Innerhalb der Zehnjahresfrist kostet das allerdings Steuer. Wird das Objekt kurz vor dem Verkauf auf den Nachwuchs übertragen, kann die Steuerbelastung womöglich gesenkt werden.

Wenn Sie ein Grundstück des Privatvermögens nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen und innerhalb von zehn Jahren wieder veräußern, müssen Sie den erzielten Gewinn versteuern. Die drohende Spekulationssteuer führt oft dazu, dass Grundstücksbesitzer von kurzfristigen lukrativen Verkäufen absehen.

Will man die Gelegenheit dennoch nutzen, stellt sich die Frage, ob die Steuerlast gesenkt werden kann, z.B. durch eine Schenkung an die Kinder vor der Veräußerung.

Die Ausgangslage

Apothekerin Hellmann erwarb im Jahr 2020 ein bebautes Grundstück für 500.000€. Aufgrund günstiger Marktbedingungen könnte sie das Objekt bereits im Januar 2022 wieder verkaufen und dabei unterm Strich einen Gewinn von 100.000€ erzielen – erfolgversprechende Verhandlungen mit einem potenziellen Käufer hat sie bereits geführt. Da ihre beiden volljährigen Kinder noch studieren, haben sie keine nennenswerten Einkünfte und damit eine sehr niedrige Steuerprogression. Frau Hellmann beabsichtigt bereits seit längerer Zeit, Teile ihres Vermögens im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den Kindern zu vermachen.

Frau Hellmann könnte nun kurz vor der geplanten Veräußerung das Objekt schenkweise zu hälftigem Miteigentum auf ihre Kinder übertragen. Diese könnten unmittelbar danach das Grundstück an den Erwerber veräußern.

Nach der reinen (Steuer-)Lehre wäre der Fall dann wie folgt zu lösen: Die Schenkung der Miteigentumsanteile an die Kinder führt einkommensteuerrechtlich dazu, dass diese als Einzelrechtsnachfolger "in das Grundstück" anzusehen sind (§23 Absatz1 Satz3 Einkommensteuergesetz). Das bedeutet: Die zehnjährige Spekulationsfrist und die Anschaffungskosten der Mutter werden quasi von den Kindern übernommen. Der Verkauf kurz nach der Schenkung führt dann bei diesen zu einem Spekulationsgewinn, der mit ihrem persönlichen Steuersatz erfasst und deshalb unterm Strich niedriger besteuert wird, als dies bei einer Veräußerung durch die Mutter der Fall gewesen wäre.

Hinweis: Eine Belastung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer tritt wegen der recht hohen Freibeträge – immerhin 400.000€ pro Kind – nicht ein (zur Gestaltungsmöglichkeit mit Kettenschenkungen vgl. AWA 22/2021).

Der Finanzverwaltung wird eine solche Gestaltung natürlich nicht schmecken, weil dadurch offenkundig gezielt Steuern gespart werden sollen und außersteuerliche Gründe nicht ohne Weiteres erkennbar sind.

Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs ist die gewählte Gestaltung allerdings rechtens (siehe Originalwortlaut). Insbesondere sei in einer solchen Konstellation nicht von einem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auszugehen.

Originalwortlaut des Bundesfinanzhofs

„Einem Steuerpflichtigen ist es nicht verwehrt, die rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringe Steuerbelastung ergibt. Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht für sich allein eine Gestaltung noch nicht unangemessen.“
Urteil vom 23.4.2021, Aktenzeichen: IX R 8/20

Hinweis: Im entschiedenen Streitfall hatten die Beteiligten die Schenkungen an die Kinder und den Weiterverkauf sogar am selben Tag durchgeführt. Und die Verkaufsverhandlungen waren zuvor allein von der Mutter geführt worden.

Der steuerrechtliche Hintergrund

Diese Gestaltungsmöglichkeit ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs insbesondere deshalb anzuerkennen, weil die in §23 Absatz1 Satz3 Einkommensteuergesetz angeordnete "Einzelrechtsnachfolge" bereits eine Vorschrift darstellt, die missbräuchliche Gestaltungen verhindern soll. Denn (ganz) früher war es möglich, einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn durch eine unentgeltliche Übertragung (z.B. an die Kinder) komplett zu vermeiden.

Vorliegend wurde letztlich zwar ein Veräußerungsgewinn realisiert – allerdings von einem "anderen Steuerpflichtigen", nämlich den beiden Kindern. Dies ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs grundsätzlich anzuerkennen.

Wie so oft im Leben hat auch diese Sache zumindest einen kleinen Haken. Der Bundesfinanzhof hat nämlich "nebenbei" anklingen lassen, dass besonders ungewöhnliche Umstände im Einzelfall auch zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Deshalb sollten Sie in vergleichbaren Fällen zumindest etwas auf der Hut sein und eine gewisse Vorsicht walten lassen. Soll heißen:

Ist ein Grundstück bereits konkret zum Verkauf vorbereitet, sollte die Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung absolut präzise erfolgen und dem sogenannten Fremdvergleich standhalten.

Insbesondere sollten den beschenkten Kindern im "Schenkungsvertrag" keine formellen Vorgaben zu der Veräußerung gemacht werden ("bedingungsfreie Schenkung"). Ebenso sollte klar sein, dass das steuerlich maßgebende wirtschaftliche Eigentum (Übergang Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr) nicht bereits auf den Grundstückskäufer übertragen wird, bevor die Schenkung überhaupt vollzogen ist.

Hinweis: Wenn möglich sollte vorsorglich darauf verzichtet werden, die Grundstücksveräußerung bereits am Tag der Schenkung vorzunehmen bzw. zu beurkunden. Ein gewisser zeitlicher Puffer ist hilfreich.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(01):16-16