Neues Jahr, neues Glück, neue Chancen

Vorsätze für die Tonne oder fürs Leben?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wer kennt sie nicht, die immer wieder guten Vorsätze zum Jahresanfang? Oft sind sie nur ein bloßes, lang geübtes Ritual ohne Nachwirkung. Das liegt zum einen daran, dass sie oft einfach so dahingesagt sind und sich in nett-positiv konnotierter Beliebigkeit ergehen. Wer möchte nicht netter zu seiner Umwelt sein, manch persönliches Laster eindämmen, ein paar Pfunde loswerden und sich mehr um dies und das, diesen und jene kümmern? Zum anderen sind solche Vorsätze gern aus feiertagstrunkenem Idealismus und Frohsinn heraus geboren.

Dabei ist für einen Erfolg nüchterner Realismus vonnöten. Das Scheitern ist unter solchen Voraussetzungen quasi schon fest in den Begriffen "gute Vorsätze" eingepreist. Wir wundern uns eher, dass sich hin und wieder mal etwas davon bewahrheitet. Vielleicht liegt es auch daran, dass Vorsätze aus unserer Sozialisation heraus immer "gut" sein müssen. Könnte es gar die Erfolgswahrscheinlichkeit steigern, wenn das Vorzeichen einfach einmal umgedreht würde? "Im neuen Jahr ekele ich meinen widerborstigen Mieter hinaus." "Im Betrieb, in welchem inzwischen die Mäuse auf dem Tisch tanzen, spiele ich einfach mal vier Wochen das A-Loch, damit alle sehen, wie gut sie es eigentlich normalerweise haben." „Die drei nörgeligsten Kunden, die mehr Zeit als hundert andere zusammen benötigen, aber kaum was kaufen, empfehlen wir im neuen Jahr gerne an die Konkurrenz!“ Oder vulgo: „Wir schmeißen sie raus.“ Und gern manches mehr …

Es kann psychologisch sehr entlastend wirken, selbst solche "Anti-Vorsätze" zu formulieren und sich die eigenen Abgründe der Bosheit einzugestehen. Und manches entpuppt sich gar nicht so sehr als "Anti" und boshaft, sondern dem Grunde nach und vernünftigerweise als überfällig.

Ungeachtet dieser bisweilen nötigen Psycho-Inventur, passend zum Jahreswechsel, stellt sich dennoch schnell die Frage: Wozu überhaupt Vorsätze? Bleiben diese auf der Meta-Ebene des Ungefähren, ist die Frage berechtigt. Aber was würden Sie sagen, wenn die Frage lautete: Wozu überhaupt eine Zielplanung, oder, noch weiter gehend, wozu überhaupt Ziele? Da würden die meisten dann doch stutzen. Und damit sind wir wieder bei den Vorsätzen, diesmal als möglichst konkrete Ziele und Erwartungen formuliert, mit einem Ist-Zustand heute und einem realistisch eingeschätzten Ziel-Zustand zum Beispiel am Jahresende.

Gleichwohl mögen grundsätzlichere, universellere Vorsätze, am besten solche mit langanhaltender "Retard-Wirkung", ihren Sinn haben. In diesen Zeiten steht das Thema "höhere Resilienz" ganz weit oben. Was macht Sie stabiler, belastbarer, ausgeglichener, stressresistenter, am Ende so auch glücklicher und zudem erfolgreicher (in jedem Falle zumindest einmal gegenüber denjenigen, die hier patzen und dann viele Fehler machen)? Hier nachzudenken und ein regelrechtes "Resilienz-Programm" aufzulegen, dürfte eine der rentabelsten Investitionen in Ihre Zukunft sein. Das ist ein dickes Brett, welches Sie da bohren müssen, es sei denn, Sie sind schon von Anbeginn mit einer "Schlachterhund-Mentalität" geboren und haben bereits heute die Variante "kalt wie Hundeschnauze" in ihrem Verhaltensrepertoire. Aber selbst dann gibt es Optimierungspotenzial.

Hierüber gibt es eine ganze Flut an Büchern, Seminaren, Videos oder Coachings. Im Grunde geht es mit starkem Willen auch autodidaktisch: Ein gesunder, fitter Körper umschließt einen gesunden Geist. Eine aufmerksamere Wahrnehmung der Umwelt und der Mitmenschen mindert das Überraschungspotenzial. Eine klare Prioritätensetzung hilft, sich ein dickeres Fell zuzulegen, sich nicht von allem und jedem die Zeit stehlen zu lassen – und gern einmal Unrat vorbeischwimmen zu lassen. Eine solide Ziel- und Finanzplanung hilft, Abhängigkeiten zu erkennen, Klumpenrisiken zu minimieren und früher den Zustand der (vorrangig finanziellen) Freiheit zu erlangen. Aus "muss" wird "kann" – ein wirklich erstrebenswertes Ziel!

Im übertragenen Sinne können Sie am Ende mit der Beweglichkeit und Eleganz eines Judokämpfers Angriffe abwehren und von sich weglenken. Und ein gefestigter, stabiler Kern, der ähnlich einer modernen Pkw-Knautschzone rundum geschützt ist, steckt dann auch mal einen größeren Crash weg.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(01):19-19