Steueränderungen 2022 ff.

Was bereits gilt und was noch geplant ist…


Helmut Lehr

Einen Entwurf für ein klassisches Jahressteuergesetz gibt es von der neuen Regierung noch nicht. Dennoch treten zu Beginn des Jahres 2022 wichtige Änderungen in Kraft. Außerdem sollten Sie die neuen Steuerpläne der Ampel-Koalition zumindest ansatzweise kennen.

Natürlich bleibt das Thema Corona auch im Jahr 2022 steuerlich präsent. So hat das Bundes- finanzministerium in seinem Schreiben vom 07.12.2021 (Aktenzeichen: IV A 3 – S 0336/20/10001 :045) erklärt, dass es angesichts der aktuellen Lage nach wie vor angezeigt ist, den "Geschädigten" mit einer angemessenen Verlängerung der steuerlichen Billigkeitsmaßnahmen entgegenzukommen. Das bedeutet: Wer nachweislich und erheblich negativ wirtschaftlich betroffen ist, kann bis zum 31.01.2022 Steuerstundungen bzw. Ratenzahlungen im vereinfachten Verfahren beantragen. Auf die eigentlich fällig werdenden Stundungszinsen sollen die Finanzämter weiterhin verzichten.

Außerdem können bis zum 30.06.2022 Anträge auf Anpassung (Herabsetzung!) der Steuervorauszahlungen gestellt werden. Solche Anträge sind auch noch für das Jahr 2021 möglich, sodass eine Herabsetzung ggf. sogar zu einer vorzeitigen Steuererstattung führen kann. Natürlich macht so ein Antrag nur Sinn, wenn Sie auch tatsächlich mit einem verminderten Jahresergebnis rechnen.

Hinweis: Wie bereits in früheren Verwaltungsverlautbarungen geregelt, hat man sich auf Behördenseite dazu entschlossen, bei besonders von der Coronakrise gebeutelten Steuerpflichtigen vorläufig weiterhin von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.

Weitere Entlastung bei Steuertarif und Unterhalt

Bereits im letzten Jahr wurden im Rahmen des "Zweiten Familienentlastungsgesetzes" u.a. Erhöhungen des Kindergelds und des steuerlichen Grundfreibetrags beschlossen (vgl. AWA 24/2020). Ab dem Jahr 2022 steigt der Grundfreibetrag nochmals an – auf 9.984€. Mindestens bis zu dieser Höhe bleibt das Einkommen eines Steuerpflichtigen vollständig steuerfrei.

Zur Bekämpfung der sog. kalten Progression greift der derzeitige Höchststeuersatz (45%) 2022 erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 277.826€.

Übrigens: Bei zusammenveranlagten Ehegatten beträgt die Einkommensteuer grundsätzlich das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsamen Einkommens ergibt ("Splitting-Tarif").

Hinweis: Ebenfalls im Rahmen des Zweiten Familienentlastungsgesetzes wurde geregelt, dass der Höchstbetrag für als außergewöhnliche Belastungen absetzbare Unterhaltsleistungen ab 2022 immerhin 9.984beträgt (vgl. §33a Einkommensteuergesetz).

Freigrenze für Sachbezüge erhöht

Wenn Sie Ihren Mitarbeitern Sachbezüge gewähren, konnten Sie diese bislang bis zu einer Höhe von monatlich 44€ steuer- und sozialabgabenfrei zuwenden. Der Gesetzgeber hat diese Grenze ab 2022 auf 50€ erhöht.

Beachten Sie hierbei, dass bereits mit Wirkung ab dem Kalender 2020 gesetzliche Verschärfungen für Steuervergünstigungen von Sachzuwendungen eingetreten sind. Bestimmte lohnsteuerliche Vergünstigungen hängen nämlich davon ab, dass die gewährten Vorteile zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Gehaltsverzichte oder Lohnumwandlungen sind in diesem Zusammenhang steuerschädlich (vgl. AWA 1/2017).

Nach der Neuregelung sind nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt. Solche liegen vor, wenn

  • die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Hinweis: Sofern noch nicht geschehen, sollten Sie die neueren Anforderungen an steuerlich begünstigten Sachlohn mit Ihrem steuerlichen Berater erörtern. Dies gilt insbesondere, wenn Sie planen, Ihren Mitarbeitern "Gutscheine" oder "Geldkarten" steuergünstig zu überlassen. Hier müssen bestimmte Kriterien nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz erfüllt sein.

Grundsteuerreform startet

Bereits vor einiger Zeit war der Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht verpflichtet worden, neue Rahmenbedingungen für die künftige Erhebung der Grundsteuer zu schaffen. Die Reform wurde schließlich im November 2019 beschlossen, allerdings greifen die neuen Regelungen erst ab 2025.

Dennoch werden bereits ab dem 01.07.2022 nach und nach die Grundsteuerwerte neu festgestellt, die dann ab 2025 Basis für die zu zahlende Grundsteuer sind. In welchen Fällen eine zusätzliche Belastung eintritt, kann erst nach der konkreten Wertermittlung prognostiziert werden – das hängt natürlich auch stark davon ab, inwieweit die Kommunen ihre Hebesätze individuell anpassen.

Hinweis: Für die Erhebung der "neuen Grundsteuer" ist es erforderlich, dass zwischen dem 01.07.2022 und dem 31.10.2022 eine "Steuererklärung" zur Ermittlung der Grundstückswerte eingereicht wird. Hierzu sollten Sie sich frühzeitig mit Ihrem steuerlichen Berater besprechen, damit die erforderlichen Daten zeitnah vorliegen.

Die Steuerpläne derAmpel-Koalition

Obwohl die neue Regierung in diesen Zeiten vermeintlich wichtigere Aufgaben zu erledigen hat, muss sie sich natürlich auch an ihrem Steuerprogramm messen lassen. Bei einem Blick in den Koalitionsvertrag wird schnell klar: Das Wichtigste in diesem Bereich ist, was ausdrücklich nicht niedergeschrieben wurde: Gravierende Steuererhöhungen sind nämlich nicht zu finden, insbesondere wird es wohl alsbald keine Vermögensteuer geben. Bereits im Rahmen der Sondierung hatte man ja bereits verlautbaren lassen, dass es keine neuen Substanzsteuern geben soll und auch die Einkommens-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöht werden sollen.

Umgekehrt bedeutet das natürlich, dass auch keine Mittel für Steuerentlastungen bereitgestellt werden. Daher müssen sich insbesondere die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen damit abfinden, dass die im Wahlkampf teilweise versprochenen Erleichterungen bis auf Weiteres vom Tisch sind.

Hinweis: Die von vielen erhoffte und von zahlreichen Wirtschaftsvertretern geforderte Unternehmenssteuerreform dürfte daher voraussichtlich auch in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht einmal ansatzweise verabschiedet werden.

Warten auf die "Superabschreibung"

Allerdings möchte die Ampel die 2020er-Jahre bekanntlich zu einem "Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen" machen. Anlass zur Hoffnung bietet in diesem Zusammenhang der im Koalitionsvertrag verwendete Begriff der "Superabschreibung" (auch Investitionsprämie genannt). Damit will die neue Koalition in den Jahren 2022 und 2023 Investitionen in Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter fördern.

Was sich genau dahinter verbirgt, bleibt aber zunächst offen. Da die Superabschreibung bereits 2023 schon wieder auslaufen soll, könnte es sich hierbei – "böswillig" unterstellt – lediglich um eine Art Ersatz für die degressive Abschreibung handeln, die ja zeitlich befristet schon für Investitionen in den Jahren 2020 und 2021 beansprucht werden kann/konnte (vgl. AWA 14/2020).

Außerdem hat das Bundesfinanzministerium bereits mit Schreiben vom 26.02.2021 (vgl. AWA 8/2021, S.18f.) eine faktische Sofortabschreibung für "IT-Equipment" eingeführt, indem die steuerliche Nutzungsdauer - sofern gewünscht - auf ein Jahr verkürzt wurde. Diese "Abschreibung" gilt für klassische PCs, Notebooks, Server sowie für nahezu alle betrieblich/beruflich genutzten Softwarearten.

Welche darüber hinausgehende Bedeutung die Superabschreibung noch haben kann/wird, bleibt deshalb abzuwarten.

Hinweis: Erfahrungsgemäß wird es ohnehin noch einige Monate dauern, bis ein solches Gesetzgebungsverfahren, das ja erst noch begonnen werden muss, vom Bundesrat abgesegnet wird.

Dienstwagensteuer für E-Fahrzeuge wird teilweise erhöht

Nach den Aussagen im Koalitionsvertrag sollen Hybridfahrzeuge zukünftig nur noch dann in den Genuss der "halbierten 1%-Regelung" bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung kommen, wenn sie zu über 50% im rein elektrischen Modus genutzt werden. Gelingt dieser Nachweis nicht, soll wieder die reguläre 1%-Regelung gelten. Außerdem soll die geforderte gesetzliche Mindestreichweite für begünstigte Fahrzeuge zum 01.08.2023 auf dann 80 Kilometer erhöht werden.

Für vollständig CO2-neutrale Fahrzeuge, die derzeit von einer Viertellung der 1%-Regel profitieren ("0,25%-Regelung"), soll der pauschale Ansatz nach 2025 auf 0,5% erhöht werden.

Positiv ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber offenbar auch künftig an der Besteuerung der privaten Nutzung von Geschäfts- und Firmenwagen nach der in vielen Fällen vergleichsweise günstigen 1%-Regelung festhalten will. Kritiker sehen darin bereits ja seit Langem eine ungerechtfertigte Subvention der Automobilbranche – oder anders ausgedrückt: eines der größten Steuerprivilegien unserer Zeit.

Klare Stellungnahme des Bundesfinanzminsteriums

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 05.11.2021 (Aktenzeichen: IV C 6 – S 2177/19/10004 :008) umfassend zur Nutzung eines betrieblichen Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs u.a. für private Fahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Betriebs- bzw. Arbeitsstätte Stellung bezogen hat. Wenn Sie ein entsprechendes Fahrzeug nutzen, sollten Sie zeitnah mit Ihrem steuerlichen Berater besprechen, welche steuerlichen Folgen sich daraus für Sie konkret ergeben.

Hinweis 1: Corona-Sonderzahlung noch bis 31. März möglich

Als Arbeitgeber können Sie Ihren Mitarbeitern eine coronabedingte Sonderzahlung von bis zu 1.500 € steuer- bzw. abgabenfrei zuwenden. Die Frist für die Auszahlung des Corona-Bonus ist bereits mehrfach verlängert worden und läuft aktuell noch bis zum 31.3.2022 (vgl. AWA 12/2021). Das heißt: Wenn Sie die Höchstgrenze für die Sonderzahlung bislang noch nicht ausgenutzt haben, könnten Sie Ihren Mitarbeitern jetzt noch etwas Gutes tun. Sie müssen hierzu "lediglich" (vorsorglich schriftlich) vereinbaren, dass es sich um eine Beihilfe zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Coronakrise handelt und diese im Lohnkonto aufzeichnen.
Beachten Sie: Der Freibetrag kann nur einmal beansprucht werden. Haben Sie bereits in der Vergangenheit entsprechende Sonderzahlungen geleistet, werden diese quasi "angerechnet".

Hinweis 2: Verlängerte Abgabefrist für Steuererklärung 2020 und Zinsen

Wenn Sie bislang Ihre Steuererklärung(en) für das Kalenderjahr 2020 noch nicht beim Finanzamt eingereicht haben, bleibt Ihnen noch ein komfortables Zeitfenster. Der Gesetzgeber hat nämlich die Abgabefrist allgemein verlängert. Sofern Sie die Erklärungen von einem Steuerberater anfertigen lassen, müssen Sie diese erst zum 31.05.2022 abgeben. Die verlängerte Abgabefrist haben die Finanzämter von Amts wegen zu berücksichtigen, Sie brauchen deshalb keinen gesonderten Antrag zu stellen.
Dementsprechend wurde auch die 15-monatige Karenzzeit für den Beginn des Zinslaufs um drei Monate verschoben. Für 2020 beginnt der Zinslauf für Steuernachzahlungen (und auch für Erstattungen) erst ab dem 01.07.2022.
Hinweis: Denken Sie daran, dass Steuerbescheide für Zeiträume ab 2019 derzeit gar keine Zinsfestsetzungen enthalten dürfen, weil das Bundesverfassungsgericht den Zinssatz des Steuergesetzgebers von 6 % pro Jahr für verfassungswidrig erklärt hat. Der Gesetzgeber hat jetzt bis zum 31.07.2022 Zeit, eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Es wird erwartet, dass der Zinssatz dann max. 3% betragen oder alternativ an die allgemeine Lage an den Kapitalmärkten angepasst wird. Dies gilt dann aber (leider) auch für Steuererstattungszinsen.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(01):9-9