Wird das E-Rezept zum BER 2.0 ...?


Dr. Hubert Ortner

Liebe Leserinnen und Leser,

zwischen dem Flughafen BER und dem E-Rezept gibt es erstaunliche Parallelen: Zwei politisch aufgeladene Großprojekte, mit utopischen Zeit- und Kostenplänen, deren Technik schon vor Inbetriebnahme veraltet ist – Stichwort TI-Konnektorentausch für 500 Mio. €. Da muten die allseits zu hörenden Jubelarien aufs E-Rezept – von den gleichnamigen Enthusiasten bis hin zum Bundesgesundheitsminister, der gar von einem „Durchbruch bei der Digitalisierung“ schwärmt – schon fast grotesk an. Nüchterne Gegenfrage: Und wenn das E-Rezept doch nicht zum Fliegen kommt …?

Genau dieses Szenario hält Jochen Brüggemann (siehe Interview) für „gar nicht unwahrscheinlich“. Und führt handfeste Argumente an: Das Interesse der Ärzte sei gleich Null, weil sie zwar mehr Aufwand, aber bislang keinen Nutzen davon haben. Zudem fürchten die Apotheker zu Recht, dass das E-Rezept nur die niederländischen Versender groß macht. Insofern brauche es eine kluge „Incentivierung“ statt Sanktionierung der beiden Hauptbeteiligten. Aus rein technischer Sicht wäre für Brüggemann „Einreißen und Neubauen“ der TI ohnehin die bessere Option. Beinahe schon surreal erscheint ihm der Versuch, alle TI-Dienste zeitgleich mit einem völlig utopischen Zeitplan einzuführen, obwohl keiner bislang wirklich „fliegt“. Von 0 auf 100 in 0,1 Sekunden: Das ist in etwa so, als wenn man kurz vor der Eröffnung des BER schnell noch ein zweites Terminal dazu baut und das Stromnetz von 110 auf 220 Volt umstellen muss. Damit sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt gelandet. Und der zumindest ein wenig versöhnlichen Erkenntnis, dass der Flughafen BER nach 14 Jahren Bauzeit letzten Endes ja doch noch seinen Betrieb aufgenommen hat ...

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Dr. Hubert Ortner

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(12):2-2