Prof. Dr. Reinhard Herzog
Im letzten AWA (AWA 15/2022) haben wir den Körperpflegemarkt betrachtet. Nun also das gesamte "Randsortiment": Mit Nettoumsätzen von 4,96 Mrd. € (2019) über 5,03 Mrd. € auf 5,27 Mrd. € 2021 (= 8,8% Umsatzanteil) entfaltet dieses Segment eine verhaltene Dynamik.
Während Diagnostika (Blutzucker-Teststreifen!) seit Jahren spürbar abfallen, entwickeln sich medizinisch-technische Hilfsmittel und Verbandstoffe nach Umsatz am positivsten. Der Rest hält sich halbwegs stabil. Nicht enthalten ist der direkte Corona-Bedarf (Masken, Antigen-Bürgertests). Die einzelnen Produktgruppen zeigt Abbildung 1.
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Die klassische Selbstmedikation, u.a. mit den "Kronjuwelen der Sichtwahl", wie die bekannten OTC-Arzneimittel genannt werden, ist im gleichen Zeitraum von 3,77 Mrd. € auf 3,45 Mrd. € zurückgegangen. Neben dem Versand zeichnet hierfür die Pandemie (weniger Erkältungskrankheiten!) verantwortlich. Insoweit ist die Lage etwas verzerrt.
Auch bei den Medizinprodukten beobachten wir einen Struktureffekt: Die Absatzzahlen gehen eher zurück, die Umsätze steigen. Nicht zuletzt die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) erhöht den Aufwand kräftig. Produkte verschwinden, die übrigen werden teurer. Der Trend zur Hochpreisigkeit zeigt sich an vielen Stellen, Beispiel "Wundmanagement". Früher wurden Wunden schlicht versorgt, heute gemanagt. Spezialprodukte für teils einige hundert Euro je Packung erobern den Markt. Für die Apotheken erschließen sich bei entsprechendem Umfeld interessante Nischenmärkte mit beachtlichen Stückerträgen, auch wenn die prozentualen Margen im Hilfsmittel- und Medicalproduktebereich meist schmal sind.
Baustelle Kosmetik
Um die 40.000 € setzt eine durchschnittliche Apotheke mit kosmetischen Erzeugnissen jährlich um, zusammen mit sonstigen Pflege- und Hygieneprodukten sind es gut 50.000 €. Bei Spannen um 30% bis meist unter 40% spielt Kosmetik so 12.000 € bis vielleicht 15.000 € Rohertrag ein, um die 2% am Gesamtertrag. Doch welchen Aufwand erfordert dieses Segment im Alltag: Beratung, Schulung, Präsentation und Lagerpflege, Kapitalbindung, Werbung? Schauen Sie hin! Gern klafft hier ein Missverhältnis.
Am Ende gilt: Entweder Sie profilieren sich richtig, oder Sie lassen es aufwandsoptimiert nebenher laufen, was bei bekannten, regional unterschiedlichen "Selbstläufer-Produkten" ganz gut gelingt. Eine adrette, gepflegte Präsentation ist aber immer Voraussetzung.
Manche Standorte, meist Top-Frequenzlagen, erzielen Umsätze im sehr deutlich sechsstelligen Bereich. Der Anspruch ist umfassend: Mindestens fünf vollständig geführte Kosmetiklinien und zahlreiche Spezialprodukte für seltenere Fälle. Niemand sollte unverrichteter Dinge wieder gehen müssen. Sprechstunden einer Kosmetikerin an festen Wochentagen und Abendveranstaltungen runden das Angebot ab. Eine geringfügige Beschäftigung bietet sich an, oder eine Stundenhonorarbasis bei selbstständigen Kosmetikerinnen. Damit hat es sich regelhaft! Große Ausflüge in die Welt der Kosmetikdienstleistungen mit eigenen Kabinen, Festangestellten etc. funktionieren selten dauerhaft rentabel.
Strategische Betrachtungen
Wagen wir den Blick auf relevante Kennzahlen. Tabelle 1 stellt vier unterschiedliche Kosmetik-Produktlinien gegenüber.
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K1 ist eine klassische, mittelpreisige Linie mit hoher Produktbreite (40 Artikel), die demzufolge in mäßiger durchschnittlicher Lagertiefe von 4 vorgehalten werden. K2 ist höherwertiger in etwas geringerem Produktumfang und wird ähnlich bevorratet. K3 ist günstiger und mit schmalerem Sortiment, K4 ist eine Schnelldreher-Billiglinie mit nur fünf Produkten, die allesamt gut gehen und mit hohen Stückzahlen vorgehalten werden.
Die Lagerumschlagszahlen bzw. Verkaufsfrequenzen unterscheiden sich gerade bei großen Sortimenten stark. Wenigen A-Produkten mit hohem Absatz stehen einige ganz passabel laufende B-Artikel und leider eine Mehrzahl schlecht laufender C-Produkte gegenüber. Wir gehen hier durchaus realitätsnah von einem Verhältnis A:B:C von 10:20:70 bei den "großen" Linien aus.
Neben den Absatz-, Umsatz- und Ertragszahlen lohnt der Blick auf:
- die Nutzenkennziffer NKZ (Umschlagshäufigkeit mal Aufschlagssatz, im Grunde die Kapitalrentabilität) mit möglichst hohen Werten,
- den erzielten Ertrag je Regalmeter Präsentationsfläche,
- Kapitalbindung, Lagerdrehzahl und Bevorratungsdauer.
Die NKZ sind hier recht ähnlich und niedrig verglichen mit Sichtwahlprodukten im dort vier-, teils fünfstelligen Bereich. Bei recht geringer Kapitalbindung macht hinsichtlich des Regalmeter-Ertrags unser Billigprodukt K4 das Rennen ("Aldi-Prinzip"), welches zudem dank günstigem Einkauf einen hohen Aufschlag von 100% erlaubt und immer noch unter 5,00 € für die Kunden bleibt. Die Stückerträge sind bei den wertigen Linien trotz gar nicht so hoher Spannen viel höher, nur stehen sie gerne im Regal und finden sich seltener in der Kasse.
Reich wird man mit alldem nicht, doch macht es Sinn, sich die Realitäten anhand solcher Kennzahlen vor Augen zu führen.
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(16):4-4