Im Blick der Politik

Kampfzone Hochpreiser


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Überraschend war vor allem eines – dass ausgerechnet die FDP jüngst das Fass der „Hochpreiser“ im Rahmen der Diskussionen um das künftige Sparpaket im Gesundheitswesen aufgemacht hat. So stellte sie die Frage in den Raum, welchen Einspareffekt eine Deckelung des Kombimodells auf maximal 45 € Honorar hätte. Dass die Hochpreiser schon länger im Fokus der Kostenträger stehen und man dabei nach der Devise „Kleinvieh macht auch Mist“ selbst 3% Aufschlag neidet – nichts Neues. Dass ausgerechnet die vermeintliche „Apotheker- und Zahnärzte-Partei“ hier einstimmt, erstaunt dagegen sehr. Offensichtlich nimmt das aus früheren Zeiten bekannte Projekt „FDP – Fast Drei Prozent“ wieder erfolgreich Fahrt auf, zumal die Partei sich gerade auch sonst nicht mit Ruhm bekleckert.

Doch beantworten wir zunächst die Frage der „Liberalen“. Um die 17 Milliarden Euro zum Netto-Apothekeneinkaufspreis (AEP) bzw. 5 Mio. Packungen dürften die Hochpreiser dieses Jahr auf die Waage bringen (GKV- und Privatverordnungen). Daraus errechnet sich ein gesetzlicher Rohertrag von rund 545 Mio. €. Deckelt man den Stückertrag nun bei 45 € (das ist der Betrag, der fast exakt bei der Hochpreisgrenze von 1.238,50 € zu AEP anfällt), dann erwirtschaften wir noch 45 € mal 5 Mio. Packungen, entsprechend 225 Mio. €. Das macht eine Differenz von 320 Mio. € zulasten der Apotheken (und mit Mehrwertsteuer ein Plus von 380 Mio. € für die Kostenträger), mithin eine Einbuße von gut 17.000 € pro Betriebsstätte. Gibt es den Rx-Fixzuschlag doch noch obenauf und verschiebt sich die Deckelgrenze auf 1.500 €, sieht es um rund 40 Mio. € besser aus. Eigene Einkaufsrabatte kommen jeweils obenauf, spielen aber bei dieser Betrachtung keine Rolle, da sie offenkundig nicht tangiert sind. Im gleichen Atemzug nimmt der Staat an den Hochpreisern um 3,4 Mrd. € Mehrwertsteuer ein, eine ganz andere „Hausnummer“.

Dummerweise richten sich die Kammer- und teilweise Verbandsbeiträge nach dem Umsatz. Allein um 0,1% beträgt der Kammerbeitrag. Bei einem 50.000-€-Mittel würde man schon deshalb drauflegen. Zudem fallen Abrechnungsgebühren an. Mindestens im Promillebereich vom AEP ist das Retaxrisiko anzunehmen, weiterhin gibt es immer wieder Zahlungsausfälle bei Privatpatienten. Kritisch sind bei Privatkunden alle Bezahlsysteme, die in irgendeiner Form prozentuale Gebühren erheben, und seien sie ebenfalls nur im Promillebereich. Bargeld lacht hier nach wie vor! Anführen kann man noch Verfalls-, Bruch- und sonstige Risiken des Warenuntergangs bzw. -verlustes. Selbst wenn man sich gegen z.B. Diebstahl, Brand- und Wasserschäden versichern kann, gratis ist auch dies nicht und muss im Grunde auf die einzelne Packung aufgeschlagen werden. Lange Rede, kurzer Sinn: Eine derartige Deckelung ist unter heutigen Bedingungen schlicht nicht leistbar. Die Hochpreiser-Belieferung wäre dann eher eine Marketingmaßnahme, um Patienten zu halten, aber kein kaufmännisch vertretbares Handeln mehr. Und vergessen wir nicht: Diese Packungen werden mehr!

Wie sähen mögliche Lösungen aus? 45 € Stückertrag sind für sich betrachtet so schlecht nicht, wenn eben nicht ein hundert- oder tausendfach höheres Verlustrisiko damit verbunden ist. Somit müssten jedwede Hochpreiser-Retaxationen auf allenfalls diese 45 € beschränkt sein. Ein Kommissionssystem – die Apotheken reichen die Packungen nur durch – könnte das Risiko weiter minimieren. Hochpreiser-Umsätze dürften keine Gebühren- und Beitragsgrundlage mehr sein, technisch leicht umsetzbar. Nur unter solchen Bedingungen wäre überhaupt an eine Fortführung der Belieferung zu denken. Das würde natürlich nichts daran ändern, dass ein Ertragsverlust um 300 Mio. € bliebe.

Und der Versandhandel? Der Jubel wird sich dort auch in Grenzen halten. Hochpreiser sind da ebenfalls risikobehaftet. Päckchen bleiben gern mal „auf der Strecke“, oder werden (zunehmend) liederlich zugestellt. Das Geschäft steht und fällt dann mit den Einkaufsrabatten bzw. Skonti. Doch die Industrie hat keine Notwendigkeit, bei solchen Spezialpräparaten besondere Konditionen einzuräumen. Welchen Vorteil hätten die Firmen davon? Alles in allem wäre eine solche Kürzung ein Schnellschuss auf Kosten der Versorgungssicherheit, denn eines ist klar: Die Patienten werden sich ganz schön strecken müssen, um ihre Spezialpräparate noch zeit- und ortsnah zu erhalten.

Prof. Dr. Reinhard Herzog

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