Andreas Kinzel
So wie sich die Zeiten insgesamt geändert haben, so unterscheiden sich auch die Prioritäten der Generationen Y und Z erheblich von denen der Babyboomer-Jahrgänge und der Generation X. Selbstverwirklichung alleine durch die berufliche Karriere – das scheint heute nicht mehr sonderlich angesagt. Für die ins Berufsleben nachrückende Generation zählen andere Werte: Unternehmenskultur, Flexibilität, persönliche Identifikation und soziales Engagement.
Da wirken die Arbeitsbedingungen an der "Apothekenfront" für viele Berufseinsteiger wie ein starker Kontrast: Stress und Chaos führen schnell zur Überforderung – im schlimmsten Fall sogar zum Burnout. Manch ein Mitarbeiter sucht einen Ausweg im Quiet Quitting. Der Begriff ist zwar neu, nicht aber das, was er zum Ausdruck bringt: Gemeint ist die innere Kündigung.
Damit es gar nicht erst so weit kommt, gilt es, frühzeitig gegenzusteuern: So spielt eine gute Bezahlung in Zeiten des Fachkräftemangels eine zentrale Rolle, aber auch weitere Benefits wie Zuschüsse z.B. für die Fahrkosten oder zu Versicherungen tragen zur Mitarbeiterzufriedenheit bei. Wichtig für die Generationen der letzten drei Buchstaben im Alphabet ist auch, dass sie vonseiten der Apothekenleitung ausreichend Freiraum und Eigenverantwortung bekommen. Das gilt für Beratungsgespräche ebenso wie für die Rezeptur, die Lagerlogistik oder den Einkauf.
Ebenfalls zum modernen Arbeiten gehören flache Hierarchien sowie eine Kommunikation auf Augenhöhe. Gemeinsame Entscheidungen und eigene Verantwortungsbereiche geben mehr Selbstwertgefühl als Ansagen "von oben herab".
Zwischen Extrameile und stiller Kündigung
Engagement lässt sich nicht verordnen. Es ist eine freiwillige Leistung des Teams. Können wir uns mit der Apotheke identifizieren (Wir-Gefühl), arbeiten wir gerne. Motivation und Engagement entwickelt sich. Wir sind bereit, Extrameilen zu gehen. Hinzu kommt die emotionale Komponente: Das Team hilft sich gegenseitig, und man erledigt einen Botengang auf dem Heimweg, weil man es möchte – nicht weil es extra bezahlt wird.
Bis ein Mitarbeiter zum Punkt des Quiet Quitting kommt, ist bereits vieles geschehen. Abbildung 1 fasst die typischen Schritte, die der inneren Kündigung vorausgehen bzw. nachgelagert sind, zusammen.
Mangelnde Wertschätzung und Frustration sind üblicherweise klassische Schritte auf dem Weg dorthin: Man mag zwar seinen Job und arbeitet gerne. Jedoch ist die Belastung zu hoch, der persönliche Freiraum zu gering. Durch komplizierte (QMS-)Prozesse und ein "weiter so wie immer" sinkt die Effizienz. Alles dauert länger, die Kaffeepause oder das private Gespräch werden kürzer.
Damit nähert man sich der inneren Kündigung: Der Job wird infrage gestellt, Passivität und Fehlzeiten mehren sich. Die Bereitschaft zur Extrameile sinkt. Ein komplizierter Bestellvorgang samt Botendienst wird übersehen, nach Dienstschluss wird nicht mehr noch schnell die Rezeptur für den nächsten Tag vorbereitet. Beim Quiet Quitting verrichten wir unsere Aufgaben zwar meist gewissenhaft und ordentlich – doch das Extraengagement bleibt aus. Nicht der Job als solches steht zur Debatte, sondern die Mehrarbeit.
Gradmesser für die innere Kündigung: die Extrameile
Letztlich bedeutet Quiet Quitting, nur das zu tun, für was man bezahlt wird. Dabei ist Dienst nach Vorschrift – wortwörtlich genommen – per se nicht zwangsläufig verkehrt, bedeutet es doch, die Apothekenleitung als Autorität anzuerkennen. Schließlich ist der Alltag in der Offizin in vielerlei Hinsicht reguliert und damit strikten Regeln unterworfen. So verlockend Jobsharing und flexible Dienstpläne sein mögen – am Ende kann und darf es nicht dazu führen, dass z.B. die PKA Kunden zu Arzneimitteln berät.
Um eine Extrameile zu gehen, braucht es auch die entsprechenden Voraussetzungen. Schließlich ist niemandem geholfen, wenn dadurch ein wichtiges Kundengespräch auf der Strecke bleibt, Fehler entstehen, Arbeit liegen bleibt usw. "Quiet Quitter" erkennen durchaus Möglichkeiten zur Verbesserung, z.B. ein schlecht strukturiertes Lager, das in den meisten Fällen zu einer hohen Bestellquote und damit zu Mehrarbeit für die betroffenen Kollegen führt. So gibt es verschiedene Auslöser, durch die das Team letztlich ausgebremst wird. Das Standardprogramm läuft ab, manches bleibt auf der Strecke. Die Checkliste unten fasst die typischen Auslöser zusammen, die den Dienst nach Vorschrift befördern.
Quiet Quitting sollte allerdings nicht nur als stille Kündigung von Motivation, Engagement und Mehrarbeit, sondern durchaus auch als Aufkündigung von Stress, Hektik und Ineffizienz verstanden werden. Weil Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit definiert ist, kann bei anderer – nicht unbedingt mehr (!) – Arbeit und einer effizienteren Organisation die Extrameile auch überflüssig sein.
Ist beispielsweise das Lager ausreichend bestückt und auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt sowie ein Kommissionierautomat vorhanden, erspart das dem Team wertvolle Zeit, die anderweitig eingesetzt werden kann. Andernfalls sind wortwörtlich deutlich mehr Arbeitsschritte nötig: Bestellung aufnehmen, übertragen, einbuchen, Abholung belegen, diese zum Kunden bringen und insgesamt zwei Kundengespräche.
Was Mitarbeiter am dringendsten brauchen
Gerade in Zeiten von Personalmangel und anspruchsvollen Kunden führt Stress häufig zu einer niedrigeren Frustrationsschwelle. Damit fällt die Extrameile besonders schwer.
Hier ist es die Aufgabe von Chefs, die Mitarbeiter an die Hand zu nehmen. Neben Luft zum Durchatmen (freie Wochenenden, Kaffeepausen, private Gespräche) sind die Mitarbeiter dringend auf Wertschätzung (in Form von Lob sowie angemessener Gehälter) und Entscheidungsfreiheit angewiesen. All das fördert die Motivation im Team und ist insofern das beste Mittel, um der Gefahr von Quiet Quitting frühzeitig entgegenzuwirken.
Checkliste: Die wichtigsten Auslöser von Quiet Quitting
Dienst nach Vorschrift beginnt bei …
- hohem Leistungsdruck, fehlender Zeit zur Planung und Überprüfung von Prozessen, zu wenig Freiraum für Kaffeepausen etc.,
- fehlender Anerkennung und Wertschätzung der Mitarbeiter durch die Apothekenleitung,
- Ungerechtigkeit bei Bezahlung, Aufgaben- und Urlaubsverteilung,
- unrealistischen Erwartungen, z.B. einer Missachtung von Neben- und
- Backoffice-Arbeiten,
- Überforderung in punkto Multitasking, z.B. gleichzeitige Bedienung von
- Kunden und Backoffice-Tätigkeiten,
- willkürlicher, unbegründeter Kritik,
- drückendem Arbeitsklima innerhalb des Teams und zur Apothekenleitung aufgrund von (unausgesprochenen) Konflikten,
- intransparenten Entscheidungen von Teammitgliedern oder seitens der Apothekenleitung.
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Umgang mit Quiet Quitting - Kontrolle ist gut, machen lassen besser finden Sie in AWA 5/2023 (Teil 2).
Mancher Mitarbeiter hat innerlich schon gekündigt, das gilt es zu verhindern! (AdobeStock_410067192_C_shchus)
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(03):14-14