Umgang mit Quiet Quitting – Teil 2

Kontrolle ist gut, machen lassen besser


Andreas Kinzel

Ob Extrameile, Dienst nach Vorschrift oder stille Kündigung – meist ist die Motivation der Mitarbeiter gar nicht primär in der Arbeit selbst begründet. Entscheidend sind vielmehr Führungsstärke und Organisationstalent von Chef und Team, insbesondere in den „neuen Zeiten“.

Ein Sprichwort sagt: Auf den Captain kommt es an. Das gilt umso mehr in Zeiten von Personalmangel und den hohen Ansprüchen der Generation Z. Geht es nach diesen, so sollten Chefs idealerweise zu Teamleadern werden und ihre Apothekenteams kooperativ führen.

Meist ist nicht die Arbeit der Grund einer (inneren) Kündigung, sondern die Apothekenleitung. Dies gilt insbesondere für das Quiet Quitting, da hier der Job grundsätzlich Freude bereitet. „Nur“ die Motivation zur sogenannten „Extrameile“ fehlt. Neben dem Gefühl, auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden, sind flache Hierarchien und Wertschätzung entscheidende Faktoren. Ein von „oben herab“ treibt das Team nicht nur in die Arbeit nach Vorschrift, sondern verhindert auch ein ernsthaftes Engagement. Hier gilt: Kontrolle ist gut, machen lassen besser. Besonders wenn die Kontrolle zur Überwachung wird und die Apothekenleitung beim Beratungsgespräch mitmischt, einzelne Arbeitsschritte überprüft oder bis in die Kaffeeküche „nachschleicht“, entsteht zwangsläufig Frustration.

Das Team sucht nach sinnstiftender Arbeit. Hier ist das soziale Engagement einer Apotheke ein deutlicher Pluspunkt: Werden eine Hilfsorganisation oder lokale Institutionen wie der örtliche Kindergarten unterstützt, dann ist das nicht nur positive PR, sondern erhöht auch die Motivation. Idealerweise sollten die Aufgaben nach Fähigkeiten und Vorlieben verteilt werden: Andernfalls schleichen sich Fehler ein, und die Motivation sinkt. Zum Dienst nach Vorschrift ist es dann nur noch ein kurzer Weg. Denn letztlich verlassen „Quiet Quitter“ nicht das Unternehmen, sondern die Chefs!

Trend zu mehr Selbstorganisation

Grundsätzlich gibt es verschiedene Führungsstile, die immer auf einer bestimmten Organisationsform aufbauen (siehe Abbildung 1). Dabei geht der Trend eindeutig zu mehr Selbstorganisation. Die Apothekenleitung gibt mehr Empfehlungen als Anweisungen und setzt Impulse, anstatt Entscheidungen vorzugeben. Übernehmen Teammitglieder in einem solchen Setting von sich aus eine Aufgabe, geht sie in der Regel leichter von der Hand, die Effizienz erhöht sich und positive Ergebnisse sind zu sehen. So kann die Abwärtsspirale in Richtung Quiet Quitting frühzeitig unterbrochen werden. Damit das in der Praxis funktioniert, braucht es anstelle fester Stellenbeschreibungen (Rezeptur, Rezeptkontrolle, Küchendienst etc.) möglichst flexibel definierte Rollen. So kann jeder in die Rolle hineinwachsen, die am besten zu ihm passt.

Abb. 1: Die wichtigsten Führungsstile in Unternehmen. Quelle: A. Kinzel, in Anlehnung an Laloux

Verantwortung verteilen bedeutet aber nicht, alles auf eine Schulter zu legen: Das würde sonst zwangsläufig zu Überforderung führen. Redet nicht das gesamte Team bei jeder Entscheidung im Detail mit, lassen sich zudem die Prozesse einfacher gestalten, da die „Zwischenschritte“ einfach ausgelassen werden können. Zu viele Köche verderben ja bekanntlich den Brei.

Das „Wir“ verbindet

Spricht das Team von „Wir“ oder „Der Apotheke“? Das „Wir“ verbindet, führt zu mehr Leistung und auch weniger Quiet Quitting. Voraussetzung dafür ist, dass sich jedes Teammitglied durch die Apothekenleitung wertgeschätzt fühlt und eine Führung auf Augenhöhe stattfindet. Während in der modernen Arbeitswelt Privates und Beruf zunehmend verschwimmen, spielen Homeoffice und permanente Erreichbarkeit im Apothekenalltag nur eine untergeordnete Rolle.

Anders sieht es bei Fortbildungen und flexiblen Arbeitszeiten aus, um Urlaub oder kitafreie Tage zu genießen. Überlegenswert ist in diesem Kontext auch eine Vier-Tage-Woche mit nur einem Samstagsdienst pro Monat, falls sich das durch kooperative Absprachen im Team einrichten lässt.

Als Teamleader muss man sich insofern fragen, nach welchem Motto man grundsätzlich führen möchte:

  • Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser oder
  • Vertrauen ist gut, machen lassen besser?

 

Fühlen sich die Teammitglieder durch die Apothekenleitung bevormundet, so kann dadurch das „Wir“-Gefühl ganz schnell verschwinden und Dienst nach Vorschrift Einzug halten. Das führt zu Mitarbeitern, die zwar ihre Pflicht erfüllen, aber keine „Extrameile“ mehr gehen. Außerdem sinkt die Effizienz, wenn ständig Aufgaben durch Kontrolle doppelt abgearbeitet werden.

Mehrwert für alle Seiten

Im Idealfall umfasst das Gefühl von „Unsere Apotheke“ auch die Kunden. Letztlich sind sie es – zusammen mit dem Team –, die entscheiden, was gekauft wird. Gemeinsamkeit verbindet. Wie beim Fußball gilt: Nicht die besten Einzelspieler gewinnen, sondern die beste Mannschaft. Das „Wir“ gewinnt.

Dienst nach Vorschrift entsteht immer, wenn es zu viele Vorschriften gibt und sich einzelne Teammitglieder nicht genug wertgeschätzt fühlen. Kommen dann auch noch negative Rückmeldungen, sinken Motivation und Effektivität. Genau dann wäre die Extrameile nötig. Hakt es beispielsweise mal mit dem Warenlager, steigt dadurch die Bestellquote, und es braucht mehr Arbeitsschritte (ggf. mit Botendienst), um die Kunden bestmöglich zu versorgen. Sie müssen dann aber nur einmal kommen – ein klassischer Mehrwert für alle Seiten.

Leistung muss sich lohnen

Um Quiet Quitting zu minimieren, braucht es eine ganzheitliche Unternehmensphilosophie: Jedes Teammitglied ist gleich viel wert und kann sich entsprechend einbringen. Im Gegensatz dazu erstickt eine strenge Hierarchie jegliche Selbstentfaltung, die Produktivität sinkt, und die Mitarbeiter flüchten in den Dienst nach Vorschrift.

Dabei ist wichtig: Leistung muss sich lohnen, auch in der Anerkennung. Um Stressfaktoren zu erkennen, ist ein sogenanntes „Belastungsgespräch“ sinnvoll. Ähnlich wie bei Jahresgesprächen und Zielvereinbarungen wird hier über die Belastung im Job gesprochen. Wichtig ist es, jedem Teammitglied einen/ihren Mehrwert für die Apotheke aufzuzeigen, denn moderne Zeiten bedeuten auch: Aufgrund des eklatanten Fachkräftemangels ist schnell ein neuer Job gefunden …

Quellen und weiterführende Literatur

  • F. Laloux: Reinventing Organization, Verlag Vahlen, München 2015
  • F. Laloux: Reinventing Organization – ein illustrierter Leitfaden, Verlag Vahlen, München 2016
  • Götz Werner: Mit Vertrauen führen, Concordia Verlag, München 2021
  • iga.Report 33: Engagement erhalten – innere Kündigung vermeiden, Initiative Gesundheit und Arbeit, 2016
  • Gen Z für Entscheider/innen, Campus Verlag, Frankfurt, 2022
  • Brian J. Robertson: Holacracy, Verlag Vahlen, München 2016
  • „Quiet Quitting“: Warum Dienst nach Vorschrift jetzt trendet, Der Standard, auf www.derstandard.de, Der Standard Wien 2022, Abruf 11.11.2022
  • Generation Z - Die Machtübernahme. In: Wirtschaftswoche 37/2022, Verlag Handelsblatt, Düsseldorf
  • Wie faul sind die Deutschen. In: Wirtschaftswoche 46/2022, Verlag Handelsblatt, Düsseldorf

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

 

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Umgang mit Quiet Quitting – Engagement lässt sich nicht verordnen finden Sie in AWA 3/2023.

Verhindern Sie rechtzeitig, dass Mitarbeiter innerlich kündigen. (AdobeStock_410067192_C_shchus)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(05):12-12