Michael Jeinsen
Nach dem weitgehenden Ende der coronabedingten Einschränkungen herrscht allenthalben ein gewisser Nachholbedarf. Das gilt leider auch für Einbrecher, deren „Geschäft“ unter den Lockdowns ebenso gelitten hatte wie das vieler ehrlicher Unternehmer. So fielen allein im Südwesten Berlins und im angrenzenden Brandenburg in der zweiten Dezemberhälfte zwölf Apotheken professionellen Einbrechern zum Opfer. Fast jede Nacht eine – und einmal sogar gleich zwei auf einen Streich …
Ein Blick in die Statistik zeigt: Das Phänomen ist längst nicht auf die Hauptstadtregion beschränkt. So meldet die Regulierungsabteilung des Spezial-Apothekenversicherers PharmAssec auf Anfrage: „Im genannten Zeitraum wurden uns 33 Einbruch-Diebstähle und Versuche mit einem Gesamtschaden von rund 270.000 € gemeldet“. Hochgerechnet auf alle Versicherer ist demnach von deutschlandweit etwa 100 bis 120 Apothekeneinbrüchen allein in der Advents-, Weihnachts- und Neujahrszeit auszugehen! Die dabei entstandenen Schäden dürften sich auf rund eine Million Euro summiert haben.
Apotheken als „Premium-Einbruchsziele“
Apotheken bieten sich aus mehreren Gründen als ideale Einbruchsziele an: Ihre Lage ist „top“, weil immer ebenerdig, zudem müssen sie laut Apotheken-Betriebsordnung (ApBetrO) über eine Schleuse und einen Labor-Notausgang verfügen. Auch die Lagerorte machen es ungebetenen Besuchern einfach: So ist interessante Beute – das sind nun mal die Vorschriften – dankenswerterweise ausgeschildert. Der gute alte Giftschrank outet sich wie eh und je als BTM-Lager. Und für das restliche verschreibungspflichtige Lager reichen Grundkenntnisse des Alphabets, um alles Gewünschte zügig zu finden.
Hinzu kommen bauliche „Einladungen“. So sind Automatiktüren praktisch nicht zu sichern, während die Türen zum Flur des Ärztehauses oder Notausgänge zum Hof oft nur über einfache Schlösser verfügen; Kellertüren und Fenstergitter sind oft stark veraltet, und Schleusen gleichen nicht selten offenen Scheunentoren. Insofern gibt es in punkto Sicherheit bei den allermeisten Apotheken noch viel Luft nach oben …
Unser Tipp: Stellen Sie im Nachtdienst mal einen Einbruch mit einer Stoppuhr nach. Hinten alles dunkel, Start mit Taschenlampe an der Automatiktür, dann BTM-Schrank, danach Chef-Schreibtisch: Schubladen auf, Safeschlüssel suchen, möglicherweise im Mitarbeiterraum die Kaffeekasse oder in der Offizin die Kassenlade leeren, auf dem Rückweg am Generalalphabet bei „TIL“ checken – Sie wissen schon warum. Jetzt Stoppuhr drücken und Ihre Zeit wegen der besseren Ortskenntnis mit dem Faktor drei oder vier multiplizieren – dann haben Sie einen realistischen Zeitbedarf für professionelle Einbrecher in Ihrer Offizin ermittelt.
Bleibt dieser unter 40 Minuten, haben Sie ein latentes Problem. Denn unter 45 Minuten schafft es kaum eine Streife zu Ihrem Objekt. Warum nicht?
Alarmanlage oder nur Blinkanlage ...?
Insbesondere dann, wenn die apothekeneigene Alarmanlage nur Rotlicht blinken lässt, wegen dauernder Fehlalarme ausgeschaltet wurde oder nur auf das Handy des Inhabers aufgeschaltet ist, vergeht viel Zeit. Und selbst bei Sicherheitsdienst-Aufschaltungen bleibt Einbrechern in der Regel ausreichend Zeit, ihre „Einkaufsliste“ abzuarbeiten, bevor die Polizei eintrifft. Denn erstmal muss der Wachdienst zur Apotheke fahren, um nachzusehen, ob es tatsächlich Einbruchspuren gibt, weil die Polizei angesichts abertausender Fehlalarme nicht mehr sofort ausrückt.
Deshalb taugen nur Alarmsysteme etwas, die die Zeit bis zur Alarmierung der Polizei auf ein Minimum reduzieren. Hier hat sich insbesondere die so genannte „Life-Intervention“ – also die Direktansprache eines Einbrechers im Moment der ersten Tatgeräusche – bewährt. Eine solche jagt selbst erfahrenen Panzerknackern noch den Schreck in die Glieder, sodass sie im Idealfall auf dem Absatz kehrt machen und das Weite suchen.
Die Hürden möglichst hoch legen
Grundsätzlich zu empfehlen ist, es Einbrechern so schwer wie möglich zu machen. Das beginnt mit einem geldarmen Safe und möglichst unauffindbarem Safeschlüssel. Ideale Verstecke sind übrigens das Generalalphabet oder der Kommissionierer: Einfach in eine lagerfremde Packung legen und dort ordnungsgemäß einsortieren. Das findet garantiert kein apothekenfremder „Besucher“. Zudem empfiehlt sich ein getarnter BTM-Schrank. Auch sollten Safe und BTM-Schrank möglichst weit auseinander stehen, am besten sogar in unterschiedlichen Etagen.
Alle Kassenladen sollten über Nacht offenstehen, idealerweise mit Kleingeld und kleinen Geldscheinen drin. Unsere Erfahrung zeigt, dass eine Beute von drei bis fünf 20-Euro-Scheinen viele Einbrecher schon befriedigt, sogar so sehr, dass sie sich das Gewicht des Hartgeldes nicht auch noch aufbürden wollen.
Attraktive Beuteware – also Tilidin & Co. – sollten im Generalalphabet nicht völlig lege artis einsortiert sein, während im Kühlschrank eine dieser Packungen griffbereit liegt, weitere aber hinten oder unten versteckt sind. Dann ist der Vorrat hinterher noch da. Fast alle Schränke und Schubladen sollten unverschlossen sein – bis auf eine oder zwei völlig unwichtige: Die werden dann prompt aufgebrochen, doch es findet sich nichts als wertloser Krimskrams.
Wichtig: Rezepte gehören niemals in den Safe oder BTM-Schrank – denn wenn diese geklaut werden, sind Sie Ihre wertvollsten Urkunden los. Für Diebe hingegen sind ausgestellte Rezepte nichts als Altpapier.
Einbruchschaden mehr als verzehnfacht
Wie fast alles in Apotheken sind auch Feuerlöscher vorgeschrieben – drei an der Zahl: je einer in Offizin, Lager und Labor. Einer davon – der im Labor – ist ein echter „Problembär“: Denn dort ist wegen des (mittlerweile nur noch revisionsrelevanten) Bunsenbrenners dezidiert ein Pulver-Löscher vorgeschrieben. Wenn ein solcher zum Einsatz kommt, ist die gesamte Offizin mit superfeinem Löschpulver überzogen, das in jede Ritze dringt, Elektronikbauteile von Laptop über Klimaanlage bis hin zum Kommissionierer nach und nach zerfrisst und sich wie ein klebriger Belag überall festsetzt.
Dass dieser ABC-Pulverlöscher mangels benutzter Gasflamme eigentlich sinnlos ist, weiß jeder – dennoch ist er aus Arbeitsschutzgründen immer noch vorgeschrieben. Sie sollten ihn also so klein wie möglich halten und so versteckt wie möglich anbringen. Am besten mit einem Warnhinweis versehen, dass er nur bei einem Gasflammen-Brand genutzt werden soll. Verstecken ist deshalb clever, weil Pulver-Feuerlöscher bei Einbrechern sehr beliebt sind, lassen sich mit ihnen doch alle Spuren im Handumdrehen beseitigen: Das hyperfeine Pulver macht selbst den deutlichsten Finger- und Fußabdruck unsichtbar.
Dazu ein wenig erfreuliches Praxisbeispiel des Autors: Bei einem Apothekeneinbruch hatte sich der eigentliche Schaden i. H. von 6.000 € durch die Löschpulver-Beseitigung mehr als verzehnfacht! Denn die Spezialbehandlung inklusive Austausch aller Elektronikteile, Profi-Reinigung aller Böden, Wände und der gesamten Apothekeneinrichtung sowie die zeitaufwendige Handreinigung jeder einzelnen Packung waren richtig teuer. Allerdings immer noch besser als eine lange Betriebsunterbrechung oder gar eine fehlgeschlagene Wiedereröffnungsrevision wegen zu viel ABC-Pulver.
Unser Tipp: Ersetzen Sie alle ABC-Pulver-Löscher in Ihrer Offizin durch CO2-Löscher bis auf den einen vorgeschriebenen: Den tauschen Sie gegen das Modell mit der kleinstmöglichen Löschpulvermenge, und wenn Sie ganz auf Nummer sicher gehen wollen, dann gönnen Sie sich im Labor einen zusätzlichen CO2-Löscher: Damit können sie den kleinen Pulver-Löscher noch besser vor Einbrechern verstecken, ohne dadurch Ihre Pflichten zu verletzen.
Machen Sie sich selbst ein Bild
Die verheerende Wirkung eines ABC-Pulverlöschers hat die „Heute Show“ am 27. Januar 2023 präzise beschrieben: Einmal damit im „Puma“ einen Kabelbrand löschen, „danach muss der ganze Panzer auseinandergenommen werden, um das Löschpulver zu beseitigen.“
Michael Jeinsen, Zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), Spezialmakler für Apotheken, Bereichsleiter Apothekenschutz beim BVSV, E-Mail: berlin@die-Apothekerhelfer.de www.Apo-Helfer.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(04):12-12