Selbst das will gelernt sein

Wünsch-Dir-Was im Frühling


Prof. Dr. Reinhard Herzog

In den alten Märchen hatte man gern einen, bisweilen sogar drei Wünsche frei. Viele Märchenhelden scheiterten jedoch fulminant an der Aufgabe, strategisch klug und vorausschauend ihre Wünsche zu benennen. In der bekannten Erzählung „Vom Fischer und seiner Frau“ trieben es die großzügig mit viel Langmut Beschenkten schließlich so weit, dass sie, schon im Palast angekommen, wieder in ihrer alten Fischerhütte landeten. Selbst wer in die privilegierte Lage gerät, nach seinen Wünschen gefragt zu werden, kann viel falsch machen. Und das droht unserem Berufsstand.

Natürlich ist es wohlfeil, als erstes nach den wichtigsten vier Buchstaben zu rufen – Geld! Es ist der Universalschmierstoff für (fast) alles – neben dem gern vernachlässigten Faktor Zeit. Bei Licht betrachtet sind jedoch die Roherträge über viele Jahre hinweg fast kontinuierlich im Rahmen der Inflation gestiegen, und je Apotheke infolge sinkender Betriebszahlen sogar noch stärker, trotz Versand. Dann würfelte Corona so vieles durcheinander: Einige Apotheken fanden sich eine Etage tiefer wieder, andere wurden wirtschaftlich kräftig nach oben gespült. Nun haben die Preise das Sprinten gelernt. Da liegt es nahe, einmal einen grundlegenden wirtschaftlichen Schnitt zu machen und die Honorare unter den neuen Bedingungen vorbehaltlos anzuschauen. Neben inflationären Entwicklungen, begleitet vom Megathema Personal- und Zeitnot, ist der Leistungsumfang einer Rezeptbelieferung regulatorisch und bürokratiebedingt gegenüber den Geburtsjahren des Kombimodells drastisch gestiegen. Aktuell kommt eine immens aufwändige Mangelverwaltung hinzu. Wächst sich dies zu einem Dauerzustand aus, haben nicht nur, aber eben auch die Apotheken ein ernstes Problem. Ein neuer Aufschlag für den Versandhandel?

Da empfiehlt sich eine Komponentenzerlegung der einzelnen Honorarbausteine. Was soll weiterhin oder auch neu separat entlohnt werden (Notdienste, Botenfahrten, pharmazeutische Dienstleistungen u. a. m.), und was alles wird mit dem bislang meilenweit dominierenden Packungshonorar abgegolten? Welchen Umfang räumen wir dort dem pharmazeutischen Part ein, was ist „übliche“ bzw. von den Vertragspartnern gewünschte Verwaltung und Auswahlkontrolle der Präparate, und was sind Sonderleistungen (wie gerade das Engpassmanagement), welche zeitnah gesondert honoriert gehören? Wer durch die Lande geht, erkennt, dass sich Preise allenthalben von gewohnten Größenordnungen entfernt haben.

Entsprechend wäre eine Neujustierung der Vergütungskomponenten auf sachlich fundierter Basis vonnöten. Basis könnten rechnersimulierte Modellapotheken mit vernünftigen Kostenansätzen (insbesondere für zukunftsfähig entlohntes Personal) sowie einem angemessenen Unternehmereinkommen sein. Bei Letzterem ist auch das unternehmerisch gebundene Geld als verzinstes Risikokapital zu berücksichtigen. Macht man dieses Fass auf, droht aber ein neues „2hm-Debakel“ auf Gutachterebene. Sind die absoluten Zahlen nicht noch zu gut, wenn auch mit (zu) großer Verteilungsbreite, um dieses Wagnis einzugehen? Möchte man aber wirklich substanzielle und strukturelle Verbesserungen, kommt man an einer Neubewertung nicht vorbei. Man mag 12,00 € fest plus 5 % statt 3 % Zuschlag als künftiges Kombimodell fordern: Jeder Euro fix je Rx-Packung kostet alle Krankenkassen zusammen um 900 Mio. €, jeder Prozentpunkt gut 400 Mio. €. Einen solchen Multi-Milliardenbetrag aus der hohlen Hand einfach on top wird es wohl nicht geben. Die Gefahr ist groß, dass es nur ein lächerlicher Trostpreis wird; 50 Cent für Lieferengpass-Management lassen grüßen. Vielleicht nehmen wir, psychologisch klüger, lieber den Kassenrabatt ins Visier?

Scheut man das Risiko, die „wirtschaftlichen Hosen“ auf dem Gutachtertisch herunterzulassen, bleibt die kluge Alternative, sich vehement für eine Entrümpelung des Berufs einzusetzen. Über Bürokratiekosten im Milliardenbereich ist hier viel geschrieben worden. Die zweite Stoßrichtung gilt der „Beinfreiheit“ und neuen Betätigungsoptionen – sprich der Stärkung von Handlungskompetenzen gerade in Märkten, die sich erst entwickeln. Das mag Cannabis sein, in jedem Fall werden Tests und präventive Früherkennung dazugehören, neue (pharmazeutische) Dienstleistungen sowie das kommende Mega-Thema Datenmanagement. Schon im alten China wusste man: „Der kluge Vogel wählt selbst den Baum aus, auf dem er rastet.“

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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