Thomas Hammer
Als Kriterium für die Auswahl von Aktien ist die Dividendenrendite eines der einfachsten Instrumente: Statt Bilanzen zu analysieren und Wachstumschancen abzuwägen, wird einfach die letzte Dividende des Unternehmens ins Verhältnis zum aktuellen Aktienkurs gesetzt – und daraus ergibt sich die maßgebende Kennzahl für die dividendenorientierte Aktienstrategie. Das erkannte schon 1991 der amerikanische Fondsmanager Michael B. O‘Higgins, der diese Vorgehensweise unter dem griffigen Namen „Dogs of the Dow“ in einem Buch veröffentlichte und damit populär machte (s. a. Tab. 1).
Tab. 1: Weltweit investierende Dividenden-Fonds im Überblick
Fonds |
ISIN |
Wertentwicklung p. a. in % |
||
1 Jahr |
5 Jahre |
10 Jahre |
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JPMorgan Global Dividend Fund A |
LU0714179727 |
3,83 % |
10,62 % |
9,62 % |
Fidelity Global Dividend Fund A |
LU0731782826 |
2,49 % |
7,40 % |
7,96 % |
Amundi Global Equity Sustainable Income A2 |
LU1883320993 |
4,46 % |
8,03 % |
7,31 % |
HSBC Global Sustainable Long Term Dividende XC |
LU1236620081 |
7,71 % |
9,38 % |
- |
DWS Invest ESG Equity Income LD |
LU1616932940 |
– 3,40 % |
7,30 % |
- |
Vergleichsindex: |
||||
MSCI World High Dividend Yield NR |
– 1,15 % |
7,19 % |
8,03 % |
Der Begriff „Dogs“ bezeichnet in den USA börsennotierte Unternehmen, die von Analysten aufgrund ihres konservativen Geschäftsmodells als langweilig bezeichnet werden. Die ursprünglich auf den amerikanischen Dow-Jones-Aktienindex bezogene Strategie ist denkbar einfach: Aus den im Dow Jones enthaltenen Titeln werden die zehn Aktien mit der höchsten Dividendenrendite ausgesucht und gekauft. Einmal pro Jahr wird das Depot neu justiert, indem die Aktien verkauft werden, die aufgrund einer gesunkenen Dividendenrendite aus der Spitzengruppe herausgefallen sind. Diese werden dann durch die neu hinzugekommenen „Dogs“ ersetzt.
Mit dieser einfachen Strategie sollen Anleger das erreichen, was letztlich das Ziel jedes Aktieninvestors ist: nämlich eine höhere Rendite als bei einem Investment in den vergleichbaren Gesamt-Aktienindex. Diese These untermauern die Befürworter der Dividendenstrategie mit diversen Langfrist-Studien. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Konzentration auf dividendenstarke Aktien nicht immer zu einem Renditevorsprung führt.
Spielart der Value-Strategie
Im Grunde verkörpert die Dividendenstrategie eine besondere Spielart des so genannten Value-Investments, bei dem Aktiengesellschaften mit besonders solider Substanz und stetigen hohen Unternehmensgewinnen bevorzugt werden. Wenn die Gewinne regelmäßig ausgeschüttet werden und die Börsenbewertung eher niedrig ist, ist bei solchen Unternehmen zumeist auch die Dividendenrendite überdurchschnittlich hoch. Das Gegenstück zu diesem Ansatz ist die Wachstumsstrategie, die im Börsenjargon oftmals auch als „Growth-Strategie“ bezeichnet wird. Hier stehen bei der Aktienauswahl weniger die reinen Bilanzgewinne des Unternehmens als vielmehr dessen zukünftige Marktchancen im Blickpunkt.
Ob Value- oder Growth-Investments besser abschneiden, hängt zum großen Teil von der Stimmung an der Börse ab:
- Bei einem allgemeinen Aufwärtstrend sind oftmals Aktien von zukunftsträchtigen Unternehmen besonders stark gefragt, weil Anleger in einem überwiegend positiv gestimmten Umfeld eher bereit sind, für die Chance auf einen überdurchschnittlichen Gewinn in der Zukunft mit etwas mehr Risikofreude zu investieren. In der Folge steigen aufgrund der hohen Nachfrage die Kurse von Growth-Aktien, zu denen beispielsweise Technologietitel zählen, stärker als die Kurse von Value-Titeln wie Energieversorgern oder Banken.
- Umgekehrt bevorzugen Aktieninvestoren in unsicheren Börsenzeiten oft Unternehmen mit krisenresilientem Geschäftsmodell und gesunder Substanz. Beides zusammen soll dafür sorgen, dass bei einer Börsenbaisse die jeweiligen Aktien nicht allzu weit nach unten gezogen werden. Davon profitieren dividendenstarke Titel, die häufig zu dieser Kategorie zählen.
Im langfristigen Vergleich hatte in früheren Zeiten die Dogs-of-the-Dow-Strategie im Vergleich zum Dow Jones klar die Nase vorn. Allerdings zeigt sich seit einiger Zeit ein differenziertes Bild. So hat das amerikanische Anlegerportal „The College Investor“ ermittelt, dass in den vergangenen 20 Jahren das Dogs-of-the-Dow-Investment mit einer jährlichen Durchschnittsrendite von 10,8 % exakt gleich wie der Dow-Jones-Aktienindex abgeschnitten hat.
Bei globaler Betrachtung liegen dividendenorientierte Anlagestrategien hingegen leicht hinter dem allgemeinen Markt, berichtet die Investmentgesellschaft HQ Trust, die den Weltaktienindex MSCI World mit dem dividendenorientierten MSCI World High Dividend Yield verglichen hat. Von Januar 2008 bis April 2023 erzielte der Dividenden-Index 7,9 %, während der allgemeine MSCI-Index 8,6 % Jahresrendite vorweisen konnte.
Risikopuffer im Börsentief
Allerdings zeigt diese Studie auch, dass gerade in schlechten Börsenzeiten die Dividendenstrategie Stabilität bringt: Während der MSCI World von Ende 2021 bis April 2023 ein Minus von 7,6 % verbuchte, erreichte der MSCI World High Dividend Yield ein Plus von 2,8 %. Auch der deutsche Dividenden-Index DivDax erzielte in den vergangenen drei Jahren eine bessere Rendite als der Dax.
Anleger sollten bedenken, dass die reine Auswahl nach Dividendenrendite einen großen Schwachpunkt birgt – nämlich den ausschließlichen Bezug auf die Vergangenheit. Weil sich die Rendite immer nach der Formel „zuletzt gezahlte Dividende geteilt durch den aktuellen Aktienkurs“ errechnet, haben Unternehmen, bei denen seit der letzten Ausschüttung der Kurs aufgrund schlechter Geschäftsentwicklung gefallen ist, eine besonders hohe Dividendenrendite. Dies nützt dem Anleger jedoch wenig, wenn der Aktienkurs mangels realistischer Wachstumsaussichten immer weiter abbröckelt oder die Höhe der Ausschüttung möglicherweise nicht langfristig beibehalten werden kann.
Nicht nur auf die Dividende schauen
Vor diesen Hintergrund ist es ratsam, bei der Auswahl von Aktien mit hoher Dividendenrendite sowohl die Stetigkeit der bisher gezahlten Dividenden als auch die Prognosen für die künftige Gewinnentwicklung mit zu berücksichtigen. Damit lässt sich vermeiden, dass stark risikobehaftete Aktien, deren Dividendenrenditen lediglich aufgrund eines Kursverfalls seit der letzten Dividendenzahlung gestiegen sind, mit im Depot landen. Fondsanleger können die Dividendenrendite mit zusätzlicher Analyse kombinieren, indem sie statt eines rein dividendenbezogenen Indexfonds (ETF) einen aktiv gemanagten Aktienfonds mit Dividendenstrategie wählen.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Dividendenstrategien im Vergleich zum Gesamtmarkt häufig mit einer geringeren Schwankungsintensität und mit mehr Stabilität in Börsentiefs verbunden sein können. Damit bietet sich eine global ausgerichtete Dividendenstrategie für eher konservative Aktieninvestoren an, die bei der Auswahl ihrer Titel auf eine solide Unternehmenssubstanz und nachhaltige Gewinne achten. Ob die Ausschüttungen direkt wieder investiert werden sollen oder nicht, hängt von der persönlichen Situation des Anlegers ab. Wer langfristig Vermögen aufbauen will, nutzt mit der sofortigen Wiederanlage den Zinseszinseffekt. Ist hingegen ein Zusatzeinkommen aus Kapitalerträgen erwünscht – etwa im Ruhestand –, können ausgezahlte Dividenden einen Teil dazu beitragen.
Thomas Hammer, Freier Wirtschaftsjournalist, 75443 Ötisheim, th@hammertext.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(16):12-12