Dr. Bettina Mecking
Lieferengpässe und der akute Mangel an pharmazeutischem Fachpersonal sind zwei Themen, die in der Apothekenpraxis aktuell viel Raum einnehmen. Zur Kommunikation solcher und anderer wichtigen Inhalte mit internetaffinen Zielgruppen nutzen Apotheken vielfach Social-Media-Kanäle wie Facebook, Instagram und Twitter, über die sich Informationen auf unterhaltsame Art und Weise teilen lassen. Besonders beliebt – insbesondere in der jüngeren Zielgruppe – ist derzeit die App „TikTok“. Das von einem chinesischen Unternehmen betriebene Portal ermöglicht es, kurze Videoclips zu erstellen und über ein großes Netzwerk zu teilen, und bietet zusätzlich alle Funktionen eines sozialen Netzwerks. Weil viele Nutzer täglich immer mehr Zeit auf TikTok verbringen, binden immer mehr Unternehmen – auch Apotheken – diesen Kanal aktiv in ihre Kommunikationsstrategie ein.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum
Selbstverständlich gelten die Regelungen des Wettbewerbs- und Berufsrechts auch im digitalen Raum des Internets! So heißt es beispielsweise in § 10 Heilmittelwerbegesetz (HWG): „Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.“ Apotheken dürfen demnach nicht gegenüber Kunden für rezeptpflichtige Rx-Arzneimittel werben. Doch was genau gilt als unzulässige Werbung? Genügt dafür womöglich schon der Hinweis „wieder lieferbar“ bei einem Rx-Präparat?
Generell ermöglicht der Europäische Gerichtshof zwar Ausnahmen von § 10 HWG, diese gelten jedoch nur in folgenden Fällen:
- für eine wortwörtliche neutrale Wiedergabe von Fach- und Packungsinformationen,
- für Informationen, die nur zugänglich sind, wenn man sich aktiv darum bemüht, sowie
- für behördlich genehmigte Zusammenfassungen zu den Merkmalen eines Arzneimittels.
Insofern erlaubt das Heilmittelwerberecht Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel gegenüber Laienpublikum nur in einem sehr engen Rahmen.
Aufgrund des durch die Rechtsprechung weit ausgelegten Werbungsbegriffs ist dabei nicht nur an typisch werbliche Aussagen zu denken, sondern auch an vermeintlich unkritische Aussagen.
Lieferengpässe sind in Apotheken seit vielen Monaten leider an der Tagesordnung. Wenn es einer Apotheke gleichwohl gelungen ist, sich mit entsprechenden Arzneimitteln zu bevorraten, ergibt sich damit die Frage, ob Apotheken Patienten auch darüber informieren dürfen.
Vor allem bei verschreibungspflichtigen Medikamenten wird es schwierig. Hier dürfte die Formulierung „wieder lieferbar“ bei einem Rx-Präparat generell dem Grundsatz der Verkaufsförderungsabsicht unterliegen. Denn es ist davon auszugehen, dass Kunden, die sich etwa auf einer Apotheken-Website über die Wiederverfügbarkeit informieren, auch gleich ihren Bedarf dort decken wollen.
Rechtlich ein schmaler Grat
Da die Information über die Verfügbarkeit in der aktuellen Zeit der Verknappung für Verbraucher nicht unwesentlich ist, sei darauf hingewiesen, dass die rein formelle und solitäre Aussage, dass ein (Rx-)Arzneimittel lieferbar ist, zulässig sein kann. Sobald damit Werbe- beziehungsweise Verkaufsabsichten verbunden sind, gilt dies allerdings nicht mehr.
Fraglich ist, wie es zu bewerten ist, wenn man anstelle einer Textbotschaft Bilder oder kurze Filme sprechen lässt. So werden etwa bei TikTok Videos eingestellt, die taggleich Arzneimittelvorräte in den Apotheken darstellen. Dabei werden Lagerplätze oder Kommissionierer abgelichtet und ein „Daumen hoch“ oder eine Bildunterschrift zur Beschreibung des Gezeigten eingeblendet. Auf den Fotos sind dann z. B. erhebliche Vorräte an Antibiotika von Nahem zu sehen – neuerdings auch die viel beworbenen „Abnehm-Spritzen“ (s. u.), und zwar in einer Weise, dass die Produktnamen lesbar sind. Beide Arzneimittelgruppen sind jedoch verschreibungspflichtig.
Wie schon gesagt, dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel nur in Fachkreisen beworben werden. Die TikTok-Videos sind jedoch typischerweise allen Verbrauchern zugänglich. Diese Verstöße gegen § 10 HWG stellen zugleich auch einen Wettbewerbsverstoß dar und verpflichten zur Unterlassung, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und somit auch die Interessen der anderen Apotheken am Markt zu schützen. Dies kann kostspielige Abmahnverfahren nach sich ziehen.
„Wunderwaffen zum Abnehmen“
Rechtlich ebenfalls sehr problematisch sind telemedizinisch per Fragebogen ausgestellte Verordnungen. So erwecken verschiedene Internet-Plattformen von Drittanbietern den Eindruck, als sei es ohne Weiteres erlaubt, Rx-Arzneimittel online zu bestellen, nachdem man eine (häufig unerlaubterweise beworbene) medizinische Fernbehandlung ohne direkten Arztkontakt in Anspruch genommen hat. Eine solche erschöpft sich in der Regel im Ausfüllen eines asynchronen Fragebogens ohne jeglichen persönlichen Kontakt.
Hier laufen bereits Abmahnungen und dadurch veranlasste Unterlassungserklärungen. Die Plattformbetreiber legen allerdings immer wieder neue Websites auf, um weiterhin an dem lukrativen Markt zu partizipieren. Besonders fragwürdig ist in diesem Kontext der aktuelle Hype um „Spritzen zur Gewichtsreduktion“. Die entsprechenden GLP-1-Präparate greifen steuernd in den Glukosestoffwechsel ein und tragen dazu bei, dass das Sättigungsgefühl früher einsetzt.
Tatsächlich kann vor der angepriesenen „Zweckentfremdung“ des Diabetes-Mittels und dessen „Off-Label-Verwendung“ nur gewarnt werden. Das ist ein aktuelles Beispiel für den bedenklichen Trend, Rx-Arzneimittel zu Lifestyle-Zwecken zu missbrauchen. Um das zu verhindern und die Patienten vor missverständlichen Werbeaussagen zu schützen, gibt es das Werbeverbot gemäß HWG!
Genau das geschieht mit Werbeaussagen wie „Abnehmspritze jetzt bestellen“. Dabei handelt es sich eben nicht um eine schlichte Information zu Arzneimitteln, sondern um eine Werbebotschaft, bei der der Absatz im Vordergrund steht. Für einen Verstoß gegen § 10 HWG reicht auch bereits aus, dass zunächst nur die Gattung der GLP-1-Medikamente benannt wird, und erst später im Bestellprozess die konkreten Produktnamen. Eine solche Werbung für Rx-Arzneimittel darf gegenüber Endverbrauchern grundsätzlich nicht erfolgen – weder durch Apotheken noch durch Dritte, weder online noch offline.
Abwerben von Fachkräften – was ist zulässig, was nicht?
Der akute Fachkräftemangel in Apotheken verstärkt das aktive Abwerben von Mitarbeitern. Dies ist aber nur in Grenzen erlaubt. Für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sind Abwerbungen Chance und Risiko zugleich. Allein aufgrund des Angebotes einer hohen Wechselprämie dürfte noch kein Wettbewerbsverstoß vorliegen.
Rein rechtlich gesehen ist es grundsätzlich nicht verboten, fremde Mitarbeiter abzuwerben und dazu finanzielle Anreize zu setzten. Als relevante Abwerbung wird jede ernsthafte Einwirkung auf Arbeitnehmer verstanden, die mit dem eindeutigen Ziel erfolgt, diese/n zu einem Arbeitgeberwechsel zu veranlassen.
Zulässig ist es, wenn Arbeitgeber dem Mitarbeiter in spe bessere Arbeitsbedingungen und/oder ein höheres Arbeitsentgelt als bisher bieten und diesen dadurch zu einer ordnungsgemäßen Vertragslösung motivieren.
Wenn allerdings unlautere Umstände hinzukommen, kann es wettbewerbswidrig werden.
- Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Mitarbeiter anderer Unternehmen bewusst zum Vertragsbruch verleitet werden. Das wäre gegeben, wenn abgeworbene Arbeitnehmer veranlasst werden, noch vor Ablauf des bestehenden Arbeitsverhältnisses die Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber aufzunehmen. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein.
- Die Grenzen zur Unlauterkeit sind ebenfalls schnell erreicht, wenn die Abwerbung durch einen Kollegen erfolgt. In diesem Fall reicht das gezielte Einwirken auf den Kollegen, für ein anderes Unternehmen tätig zu werden. Solange sein Arbeitsverhältnis besteht, verbieten ihm dies die arbeitsvertraglichen Treuepflichten.
- Rechtlich ebenfalls kritisch zu beurteilen ist, wenn einem Mitarbeiter direkt Musterkündigungsschreiben und ein neuer Arbeitsvertrag vorgelegt werden, solange er sich noch in einem anderen Beschäftigungsverhältnis befindet. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht jüngst die Grenzen zur Rechtwidrigkeit enger gezogen.
Dr. Bettina Mecking, M. M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin und Geschäftsführerin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, b.mecking@aknr.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(16):14-14