Kunden mit Angeboten locken – ein Vergleich zwischen LEH und Apotheken

Mit der Wurst nach dem Schinken werfen


Emanuel Winklhofer

Infolge der hohen Inflation greifen Verbraucher vermehrt zu Handelsmarken. Das gilt für den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ebenso wie für Apotheken. Bei Letzteren dienen Werbeaktivitäten vor allem einem Zweck: über eine erhöhte Kundenfrequenz auch das Rezeptvolumen zu steigern.

Noch zu Zeiten der Pandemie waren Markenprodukte mehr denn je gefragt. Denn als das öffentliche Leben weitgehend stillstand, haben sich die Menschen hochwertige Produkte gegönnt. Durch die hohe Inflation hat sich das Einkaufsverhalten der Verbraucher jedoch drastisch geändert. So mussten die 100 größten globalen Marken im Lebensmitteleinzelhandel Rückgänge beim Umsatz um 20 % hinnehmen, manche sind sogar ganz aus den Regalen verschwunden wie z. B. Nestea (nach 75 Jahren im Handel), Punica (nach 45 Jahren) oder Wrigleys Spearmint Kaugummistreifen. Selbst Topmarken wie Nespresso, Lindt, L´Orèal oder Kinderschokolade leiden unter diesem Umsatz-Einbruch. Die Angst infolge des Ukraine-Krieges sowie die hohen Energiekosten zwingen viele Menschen zum Sparen, da die Preise selbst bei den Grundnahrungsmitteln kräftig aufgeschlagen haben (z. B. Butter + 42 %, H-Milch + 47 %, Mehl + 48 %).

Die realen Konsumzahlen liegen noch immer ein Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie (GfK), was viele Konsumenten dazu veranlasst, zu den günstigen Eigenmarken der Supermärkte zu wechseln. Im Schnitt sind diese Handelsmarken um etwa 40 % billiger als die Originale. Früher noch empfand man die günstigen Eigenmarken als zweitklassig. Da allerdings selbst Stiftung Warentest den Handelsmarken mittlerweile eine hervorragende Qualität attestiert, greifen viele Verbraucher zu diesen Produkten, zumal sich auch das optische Erscheinungsbild in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert hat. Hier sind vor allem die Handelsmarke „Ja“ von Rewe und „Gut & Günstig“ von Edeka zu nennen.

„Es geht bei Angeboten für OTC- und Freiwahl-Produkte um eine Umverteilung, denn man weiß heute, dass Kunden zwischen drei Stammapotheken wechseln. Alle Werbeaktivitäten verfolgen nur den einen Zweck, dieses Verhältnis zugunsten der eigenen Offizin zu verschieben. Denn hierdurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit stark, dass sie auch ihre Rezepte in dieser Apotheke einlösen.“

Auch in den Drogeriemärkten spiegelt sich dieses Bild wider: Die Marke Balea von dm oder Isana von Rossmann dominieren das Sortiment, und geht man durch ein Einkaufszentrum oder eine Fußgängerzone, sieht man überall die auffälligen Schilder der Bekleidungsgeschäfte mit „Sale“ oder „%%“.

Wie reagiert der LEH?

In den Supermärkten gibt es so viele Sonderangebote wie seit vielen Jahren nicht mehr. Bei den Waren des täglichen Bedarfes erzielen die Hersteller derzeit 20 % ihres Umsatzes mit preisreduzierten Artikeln. Ein Beispiel: Im ersten Halbjahr war die 500 g Packung Kaffee eines Münchner Herstellers bereits 27 Mal bei den deutschen Supermarktketten im Angebot. Im Schnitt kosten die Markenprodukte während eines Angebots-Zeitraumes etwa 40 % weniger.

Die Markenartikelhersteller selbst schlagen den Märkten Angebotsaktionen vor, um allzu große Einbußen beim Absatz zu verhindern und einem Image- und Bekanntheitsverlust vorzubeugen. Zum Teil werden auch hohe Werbekostenzuschüsse für diese Aktionen von den Herstellern an die Supermärkte bezahlt.

Gibt es eine Parallele zur Apotheke?

Auch in den Apotheken ist deutlich zu spüren, dass die Verbraucher sparen. Das, was die Handelsmarken im LEH darstellen, entspricht den Generika-Produkten in der Offizin. Vor allem durch die Lieferengpässe in den vergangenen Monaten sind viele Verbraucher auf andere Hersteller umgeschwenkt, nach dem Motto „egal von welcher Firma, Hauptsache Ibuprofen, Paracetamol oder Nasenspray“. So gelang es auch weniger bekannten Unternehmen, sich schnell im Markt gegen die bekannten Produkte zu etablieren.

Dass es bei den Arzneimitteln Angebotspreise gibt, weiß der Verbraucher inzwischen hinlänglich, nicht zuletzt durch die intensive Werbung vieler Präsenz- und vor allem der Online-Apotheken. Sind Generika im Angebot, spart der Kunde auf doppelte Art und Weise gegenüber den Originalen. Doch auch bei den Originalherstellern gibt es Sonderpreise auf OTC- und Freiwahl-Artikel.

Reiner Verdrängungswettbewerb

Auf der Angebotsseite besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Apotheken und dem LEH oder Drogerien: Apotheken erwirtschaften den größten Teil ihrer Erträge mit Rx-Produkten, also über Rezepte. Für ein Frequenzmarketing, bei dem Angebotsflyer in den lokalen Haushalten verteilt werden, lässt sich deshalb ein ganz anderes Ziel definieren: Die Kundenfrequenz ist heute eine der wichtigsten Kennzahlen für die Apotheke. Je mehr Kunden in die Apotheke kommen, desto mehr Rezepte werden eingelöst – das ist das Ziel, und deshalb muss man hier „mit der Wurst nach dem Schinken werfen“.

Für die Hersteller haben die Angebotsflyer von Apotheken nur eine untergeordnete Bedeutung, da der Gesamtabsatz dadurch nicht wesentlich erhöht wird. Für die einzelne Apotheke stellt sich ein vollkommen anderes Bild dar: Es geht um eine Umverteilung, denn man weiß heute, dass Kunden zwischen drei Stammapotheken wechseln. Dies bedeutet im mathematischen Durchschnitt, dass ein Kunde von zehn Einkäufen 3,3 Mal in eine bestimmte Apotheke geht. Alle Werbe- und Marketingaktivitäten verfolgen insofern nur den einen Zweck, dieses Verhältnis zu verschieben. Heißt also, dass der Kunde nicht nur für statistische 3,3 von 10 Besuchen in die eigene Apotheke kommt, sondern für vier, fünf oder sechs. Dann hat die Werbung Sinn gemacht, denn hierdurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit stark, dass er auch seine Rezepte in dieser Apotheke einlöst. Es geht also um einen reinen Verdrängungswettbewerb zwischen den Apotheken. Will ein Apothekenleiter mehr Ertrag generieren, muss er diesen seinen Kollegen wegnehmen. So ist nun mal der Markt, und das ist auch legitim (siehe Praxistipp unten).

In Deutschland gibt es viele Flyer-Konzepte im OTC- und Freiwahl-Segment. Der pharmazeutische Großhandel und Kooperationen bieten diese Angebotsflyer an, die meistens mit der Industrie bereits vorverhandelt sind. Das heißt, die Arzneimittelhersteller bezahlen Geld, damit bestimmte Produkte zu Sonderpreisen angeboten werden. Sie wollen allerdings meistens auch ein Mitspracherecht, welche Artikel in dem Flyer erscheinen sollen. Damit kauft sich die Industrie relativ günstig in diese Werbeaktivitäten ein, um ihre Produkte bekannt zu machen.

Für Apotheken ist das ein zweischneidiges Schwert, denn natürlich will man Kosten sparen. Wenn Apothekenleiter allerdings Geld ausgeben, um Werbung konzipieren, drucken und verteilen zu lassen, dann besteht das Ziel ausschließlich darin, mehr Frequenz in die eigene Apotheke zu holen. Und dies lässt sich nur mit bekannten Produkten mit einem hohen Absatz erreichen. Mit wenig bekannten Artikeln ist es viel schwerer, Verbraucher zu einem Apothekenbesuch zu motivieren. Arzneimittel im Markt bekannt zu machen, ist übrigens ausschließlich die Aufgabe der Hersteller!

Angebote auf allen Kanälen präsentieren

Wie hoch der prozentuale Preisabschlag angesetzt werden soll, kann nicht mit einer einfachen Formel angegeben werden. Hierfür empfiehlt es sich, das Umfeld zu beobachten, mit welchen Rabatten regional – aber auch im Internet – geworben wird. Abschläge von 25 % bis 35 % auf den UVP/AVP haben auf den Verbraucher inzwischen auch schon eine starke Wirkung. Die Zeit, in der man mit 50 % bis 60 % geworben hat, ist längst vorbei.

Printwerbung hat in den letzten zwölf Monaten beim gesamten Einzelhandel wieder zugenommen. Doch ist es inzwischen auch wichtig geworden, zusätzlich die digitalen Kanäle zu bedienen. Angebote müssen auf allen Kanälen – analog wie digital – präsentiert werden: in der Apotheke, im Schaufenster, auf der Homepage, in den sozialen Medien und wo die Apotheke sonst noch vertreten ist.

 

Praxistipp: Wechselwillige Kunden für sich gewinnen

Die hohe Inflationsrate und die Angst vor der (finanziellen) Zukunft in Deutschland haben den Einzelhandel kollektiv dazu gebracht, durch Rabattaktionen ihre Umsätze zu halten. Auch für Apotheken ist es sehr wichtig, keine Kunden zu verlieren und idealerweise Neukunden dazu zu gewinnen. Dafür ist Frequenz-Marketing mit Angebots-Flyern ein probates Mittel. Viele „Schnupperkunden“ sind durchaus wechselwillig. Werden sie gut betreut, kommen sie sicher öfter in Ihre Apotheke, und werden langfristig dann auch ihre Rezepte bei Ihnen einlösen.

Emanuel Winklhofer, Apotheker, Agentur für Kommunikation, Seminare und Coaching, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(17):14-14