Stellschrauben für mehr Ertrag

Zum Erfolg verdammt


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Sich auf die Politik zu verlassen, könnte sich als Illusion herausstellen. Und ob es gelingt, spürbare Honorarerhöhungen „auf der Straße“ zu erkämpfen, sei dahingestellt. Klugerweise nimmt man das Schicksal selbst in die Hand und bedient die Hebel, die in eigener Reichweite liegen.

Sich auf die Politik zu verlassen, könnte sich als Illusion herausstellen!
(C_Iakov Kalinin/stock.adobe.com)

Das „Treppchen der Medaillenplätze“ für den wirtschaftlichen Erfolg lautete bislang:

  • „Bronze“ für die Einkaufsbedingungen und Rabatte,
  • „Silber“ für einen kostenbewussten Personaleinsatz,
  • „Gold“ für die Einnahmenseite, mit dem Rohertrag je Kunde als zentrale Erfolgsgröße.

Diese Reihenfolge lässt sich schnell nachvollziehen. Die durchschnittliche Apotheken kauft für etwa 2,5 Mio. € bis knapp 3 Mio. € im Jahr ein, bei einem Umsatz von gut 3 bis 3,5 Mio. €. Ein Prozentpunkt mehr Rabatt über alles entspricht 25.000 € bis 30.000 €. Doch die Einkaufsrabatte befinden sich eher im Rückwärtsgang. Industrie und Großhandel überwälzen ihre steigenden Kosten zunehmend auf ihre Kunden, und das sind nun einmal die Apotheken als erste Adresse.

Um einen Umsatz-Prozentpunkt niedrigere Personalkosten schlagen durchschnittlich mit rund 30.000 € bis 35.000 € positiv zu Buche. Doch ein derart kostengünstigerer Personaleinsatz ist in Zeiten eines „Arbeitnehmermarktes“ immer schwerer umzusetzen. Die Lohnkosten je Kunde haben mit typischen Werten um 6,00 € bis 6,50 € Rekordwerte erklommen. Die Zeichen stehen eher auf weitere Anstiege, die 7 € sind in Sichtweite. Insoweit gibt es zurzeit keine niedrig hängenden Früchte.

Es gilt „Gold“ anzupeilen – die Optimierung des Ertrages je Kundenbesuch. Bei Kundenzahlen von etwa 50.000 bis 55.000 pro Jahr und einem heutigen Rohertrag je Kundenbesuch in der Gegend von 14 € spielt eine Optimierung um 1 € je Kundenbon stolze 50.000 € bis 55.000 € mehr ein – die Goldmedaille. Natürlich wäre eine Honorarerhöhung – jeder Euro mehr je Rx-Packung macht im Schnitt rund 43.000 € Ertragsplus – die süßeste „low hanging fruit“. Einstweilen bleibt das aber ein frommer Wunsch. Also strecken wir uns: Ist 1 € mehr Rohgewinn pro Kundenbesuch überhaupt realistisch? Ja, das ist es – wenn man mehrere Hebel gleichzeitig bedient (ein Beispiel siehe in Tabelle 1).

Tab. 1: 1 € Rohertrag mehr je Kunde …

Ansatzpunkt

Ertrag p. a.

+ 1.000 Rezepte je 14 € Rohertrag

+ 14.000 €

+ 3.000 Zusatzverkäufe je 4 € Stückertrag

+ 12.000 €

„Top-Picks“ ertragsoptimieren, 6.000 Pckg.

+ 6.000 €

Preise + 8 % auf 60 % (= 270.000 €) des OTC-Sortiments

+ 21.600 €

Summe:

+ 53.600

... entspricht etwa

+ 1 € je Kunde

Ansatzpunkte

Diese Hebel zur spezifischen Ertragssteigerung sind (Abbildung 1):

  • die Erhöhung des Rezeptanteils,
  • Zusatzverkauf mit Köpfchen,
  • eine kluge Produktauswahl,
  • die Nutzung von brachliegenden Preisspielräumen,
  • die Erkennung und Achtung der (Mitarbeiter-)Zeit als kostbarste Ressource.

Abb. 1: Erfolgversprechende Wege zu einem höheren Kundenertrag

1. Mehr Rezepte!

Bei einem Rezeptertrag von 12 € bis 14 €, je nach Ärzteumfeld auch mehr, und einem OTC-Stückertrag um 3,50 € bis 4 € (ein typischer „Barkorb“ kommt dann auf 5 € bis 6 €) liegen die Verhältnisse auf der Hand: Mehr Rezepte steigern den durchschnittlichen Kundenertrag. Allerdings müssen genügend Rezepte „spazieren gehen“, damit sich ein entsprechendes Marketing mit „Lockaktionen“ überhaupt lohnen kann. Im dichtbesiedelten, ärztereichen Stadtumfeld ist das so, in isolierten Stadtteillagen schon spärlicher, noch weniger auf dem Land. Letztlich bedeuten mehr Rezepte in der eigenen Apotheke, dass andere weniger haben. Eine Umverteilung muss also mit vertretbarem Aufwand möglich sein. Dies ist vor Ort zu analysieren. Bei Landapotheken wäre die Frage, wie es gelingt, mehr Rezepte aus den Facharztpraxen der Stadt „heimzuholen“. Im kompetitiven Stadtumfeld geht es darum, sich gegenüber der Konkurrenz herauszuheben, ohne einen ruinösen Wettbewerb anzuzetteln. 1.000 Mehrrezepte (bei im Schnitt 32.000) heben den durchschnittlichen Ertrag je Kunde schon um rund 25 Cent.

2. Zusatzverkauf

Zusatzverkäufe werden in Seminaren gern in ihrer Bedeutung überhöht, und der Aufwand wird oft unterschlagen. Wenn nur jede zweite oder gar jede dritte Ansprache und Beratung zu einem Erfolg führt, aber im Schnitt zwei bis drei Minuten teure Handverkaufszeit (0,70 € je Minute, Mix aus PTA und Approbierten) erfordert, wechseln Sie im Grunde nur Geld bei typischen Stückerträgen im Bereich von 3,50 € bis 5 € je Zusatzverkaufsprodukt. Dennoch wäre es ein Fehler, diese Option nun gar nicht zu nutzen. Einige Lösungsansätze: Zusatzverkäufe auslastungsorientiert anbieten (in Stoßzeiten weniger, sonst mehr), indikationsbezogene Empfehlungslisten mit sich selbst erklärenden Produkten und einer klaren, evidenzbasierten Argumentationskette (das erlaubt eine zeitoptimierte, trotzdem hochwertige Beratung), zudem Produkte, die standortabhängig vernünftig preispositioniert sind und für wenig Diskussionen sorgen. So kann der Zusatzverkauf sehr wohl positive Ertrags- und Deckungsbeitragseffekte entfalten.

3. Produktauswahl

Angesichts der Produktvielfalt können Sie ein und denselben Wirkeffekt mit zig unterschiedlichen Produkten erzielen. Standortabhängig sollten Sie für die 10 bis 12 Top-Indikationen auch die Top-Empfehlungen parat haben und entsprechend präsentieren. Es macht sich bezahlt, hier über eine passende Auswahl näher nachzudenken. Entscheidend ist der jeweilige „Top-Pick“ im Zentrum der jeweiligen Indikation: Marke, Packungsgröße, Darreichungsform, Preisgestaltung? Das sieht in München-Grünwald anders aus als in Duisburg-Marxloh oder Klein-Eulenhausen. „Eingerahmt“ wird dies durch eine „Premium-Variante“ sowie eine Sparvariante, vor allem letztere außerhalb des primären Sichtfeldes („Bückware“). Hier winken angesichts von hoch vierstelligen bis fünfstelligen Absatzzahlen in der Summe nennenswerte Ertragsaufbesserungen.

4. Preisspielräume

Viele Seiten könnten wir nur zum Thema OTC-Preisgestaltung füllen. Tatsache ist: Preisspielräume werden noch viel zu wenig genutzt. Andererseits preisen sich etliche Apotheken bei teureren Dauerverwender-Produkten selbst aus dem Markt. Teils erheblicher Erhöhungsspielraum besteht immer unterhalb gewisser Wahrnehmungsschwellen. Ein Produkt, oft sogar ein hochwirksames Arzneimittel, für 2,61 € sollte es eigentlich nicht mehr geben. Bei 2,95 € schaut auch niemand hin, vielleicht auch nicht bei 3,95 € oder gar 4,95 € je nach Umfeld. Ähnlich lässt sich vieles in der Freiwahl „glattziehen“, eingerahmt von dem einen oder anderen sorgfältig dosierten „Knaller-Angebot“, um nicht allzu „verschlafen“ daherzukommen.

5. Zeit = eine Kostbarkeit

Gehen Sie alles unter der Prämisse „Zeiteffizienz“ an. Opfern Sie, wo immer möglich, nicht wertvolle Stunden für geringe Erfolgschancen oder wenig wertschöpfende Aktivitäten, sondern konzentrieren Sie sich auf klar umrissene „Hochwertziele“. Viel zu oft werden noch Dinge aus der Hüfte (oder Routine) heraus gemacht, um des Machens oder unscharfer Begriffe wie „Image“ willen. Das ist jedoch immer weniger zu leisten.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(19):4-4