Analyse des Verordnungsvolumens nach Facharztgruppen

Wie gut schöpfen Sie Ihr lokales GKV-Potenzial ab?


Sertan Öksüz, Axel Witte

Eine präzise Bestandsaufnahme der lokalen Hauptverschreiber auf Ärzteseite ist für die wirtschaftliche Bewertung einer Apotheke von essenzieller Bedeutung. Der Abgleich des theoretisch möglichen mit dem tatsächlich abgeschöpften GKV-Verordnungsvolumen liefert Ihnen als Inhaber eine belastbare Größe darüber, wie erfolgreich Sie mit Ihrer Apotheke den lokalen Teich „abfischen“.

Wie gut schöpfen Sie mit Ihrer Apotheke das GKV-Potential in Ihrem lokalen Umfeld ab? Der Artikel gibt Ihnen eine Praxisanleitung dazu. (© AdobeStock_JRJfin.com)

Die Analyse des direkten Umfelds einer Apotheke ist für ihre wirtschaftliche Bewertung unerlässlich. Dieser Artikel stellt anhand eines konkreten Beispiels aus der Praxis dar, wie sich das GKV-Umsatzpotenzial einer Apotheke errechnen und zudem beurteilen lässt, wie effizient dieses Potenzial abgeschöpft wird.

Die Datengrundlage

Das Verschreibungsvolumen der im Einzugsgebiet einer Apotheke praktizierenden Ärzte ist in der Regel der Faktor mit dem stärksten Einfluss auf die Umsätze dieser Apotheke.

Daher ist es wichtig, den durchschnittlichen Arzneimittelumsatz der verschiedenen Arztgruppen zu kennen, um hieraus abzuleiten, über wie viel GKV-Arzneimittelvolumen die Apotheke theoretisch verfügt. Dies wird anschließend mit der tatsächlichen Abschöpfung verglichen.

Die Grundlage für die Berechnung des Verschreibungspotenzials der im Einzugsgebiet einer Apotheke ansässigen Ärzte finden Sie in Tabelle 1.


Gewichtung der durchschnittlichen GKV-Umsätze

Bei den Durchschnittswerten aus Tabelle 1 kann ein Apotheker jedoch nicht davon ausgehen, dass er 100 % des vorhandenen Verordnungsvolumens der Ärzte erreichen wird. Denn nicht alle Patienten werden ihre Rezepte nach dem Arztbesuch in seiner Apotheke einlösen. In äußerst günstigen Fällen kann ein Apotheker damit rechnen, dass etwa 80 % (= Gewichtungsfaktor) des Rezeptvolumens eines Arztes auch tatsächlich in seiner Offizin eingelöst wird und als Umsatz bei ihm verbleibt. Der Gewichtungsfaktor wird hauptsächlich durch die Entfernung der Ärzte zur Apotheke, die Nähe von Wettbewerbsapotheken sowie durch lokale Besonderheiten bestimmt.

Für unsere Beispielapotheke wurde eine Schätzung bezüglich des Gewichtungsfaktors vorgenommen. Der sich hieraus ergebende theoretische Verordnungsanteil wird als Soll-Wert in der rechten Spalte von Tabelle 2 ausgewiesen.

 

Ausgehend von einem Streurezeptanteil von etwa 30 % des Rezeptumsatzvolumens ergibt sich bei unserer Beispielapotheke ein Soll-GKV-Umsatz (brutto) in Höhe von 2.994.900 €.

Mit Hilfe der Rezeptabrechnungsstatistik unserer Beispielapotheke lassen sich nun die Soll-Umsätze der ansässigen Ärzte mit den tatsächlichen Ist-Umsätzen abgleichen (siehe Tabelle 3).


Zu defensiv oder Menschenfänger?

Der Vergleich des theoretisch ermittelten Umsatzes eines Arztes (SOLL) mit dem tatsächlichen Umsatz (IST), den der Apotheker mit diesem Arzt realisiert, zeigt sehr deutlich, welche Akzeptanz die Apotheke bei den Patienten hat. Entspricht das SOLL näherungsweise dem IST, besteht de facto kein Handlungsbedarf.

Negative Abweichungen zeigen dem Inhaber, dass er irgendetwas falsch macht: Sei es, dass er zu wenig auf seine Apotheke aufmerksam macht, die Apotheke z. B. durch unfreundliches Verhalten einen schlechten Ruf hat, die Lieferfähigkeit zu wünschen übriglässt, oder die Apotheke schlicht keinen modernen, attraktiven Eindruck vermittelt.

Vielleicht hat man aber auch den Kontakt zu den Ärzten vernachlässigt. Dies bleibt einer sich anschließenden Analyse vorbehalten, aus der entsprechende Handlungsmaßnahmen abzuleiten sind.

Positive Abweichungen in den Umsatzzahlen können hingegen als Indikator für eine erfolgreiche Geschäftsführung der Apotheke betrachtet werden. Sie deuten darauf hin, dass der Inhaber effektive Maßnahmen zur Kundenbindung umsetzt, einen guten Ruf durch exzellenten Kundenservice genießt, eine hohe Lieferbereitschaft aufweist und/oder die Apotheke einen modernen und ansprechenden Eindruck macht.

Diese Aspekte tragen dazu bei, dass die Apotheke nicht nur die Erwartungen erfüllt, sondern sie sogar übertrifft.

Der Unterschied liegt im Kern darin, ob die Geschäftsführung zu der Gruppe der zu Defensiven oder der Menschenfänger gehört. Der Fisch stinkt bekanntlich immer zuerst vom Kopf …

Fazit

Es existieren verschiedene Herangehensweisen, um den Standort und das Marktpotenzial von Apotheken zu analysieren. Wir wollen an dieser Stelle exemplarisch auf die Berechnungen von Prof. Dr. Reinhard Herzog in der AWA-Ausgabe 19/2022 („Marktpotenzial – die Basis allen Erfolgs“) verweisen.

Für eine vollumfängliche Standortanalyse müssen weitere Faktoren wie die Entwicklung des Wettbewerbs oder das zukünftige Einwohnerpotential herangezogen werden. Auf jeden Fall ist die Analyse des Abschöpfungspotenzials der lokalen Hauptverschreiber sowie eine Gegenüberstellung der Soll- und Ist-Rezeptumsatzvolumina eine erste wichtige Kennzahl, um das Potenzial einer Apotheke zu analysieren.

Indem Sie als Apothekeninhaber regelmäßig eine umfassende Standortanalyse durchführen und ihre Handlungen auf die gewonnenen Erkenntnisse abstimmen, können Sie aus einer passiven Rolle heraustreten und zu einem proaktiven Akteur werden, der die Kunden gezielt anspricht und für sich gewinnt.

 

Sertan Deniz Öksüz, Betriebswirt, RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, 45128 Essen, E-Mail: soeksuez@rst-beratung.de

Axel Witte, Dipl.-Kfm., Steuerberater, Geschäftsführender Gesellschafter der RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, 45128 Essen, E-Mail: awitte@rst-beratung.de

 

Lesen Sie doch weiter!

.... z.B. den ergänzenden Beitrag von Prof. Reinhard Herzog: Je nach Facharztgruppe: Große Umsätze, bisweilen nur wenig verdient in AWA 9/2024!

Welche Fachärzte echte Renditebringer für Apotheken sind und welche bloß Umsatz in die Kassen spülen, lohnt sich unbedingt herauszufinden. (© AdobeStock/Andrey_Popov)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(06):10-10