Externe Betriebsvergleichszahlen 2023 von Dr. Schmidt und Partner – Teil 1

Die Luft ist noch dünner geworden


Oliver Vorberg

Trotz gestiegener Umsätze – in Westdeutschland um durchschnittlich 4,6 %, in Ostdeutschland gar um 8,4 % – konnten die Apotheken diese Mehrerlöse im letzten Jahr nicht auf die Ergebnisseite retten. Vielmehr wurden diese vom Wareneinsatz und höheren Kosten mehr als aufgezehrt: Deshalb steht bei den Betriebsergebnissen für 2023 unterm Strich ein sattes Minus von 21,1 % in den alten und 11,0 % in den neuen Bundesländern. Das ist die Quintessenz der detaillierten Betriebsvergleichszahlen von Dr. Schmidt und Partner. Ob es trotzdem Anlass zu Optimismus gibt, zeigen wir im Folgenden.

Externe Betriebsvergleichszahlen 2023: Vielen Betrieben fehlt die Luft zum Atmen.
(Quelle: AdobeStock_Minerva Studio)

Bahnstreiks, geschlossene Apotheken, sogar Traktoren vor dem Bundestag: 2023 begann die Zeit des Protests. Zu Recht, mag man aus Apothekensicht sagen. Im Folgenden wird diese Entwicklung näher beleuchtet. Teil 1 befasst sich mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Apothekenbranche im Jahr 2023, analysiert und interpretiert die zugrundeliegenden Kennzahlen. In Teil 2 wagen wir den Blick auf die nähere Zukunft.

I. Entwicklung in den alten Bundesländern

Die sinkende Anzahl an Apotheken – Ende 2023 waren es nur noch 17.571 Betriebe, im 1. Quartal 2024 schrumpfte die Zahl weiter auf 17.429 – bewirkte erneut eine Umverteilung des Umsatzvolumens. Trotzdem konnte die einzelne Apotheke diese Mehrerlöse nicht auf die Ergebnisseite retten. Vielmehr wurden sie vom Wareneinsatz und höheren Kosten aufgezehrt, was schlussendlich zu einer erheblichen Verschlechterung des Betriebsergebnisses führte.

Umsatzerlöse im mittleren einstelligen Bereich

Der Gesamtumsatz der Apotheken in den alten Bundesländern stieg im Jahr 2023 durchschnittlich um 4,63 % (absolut 152.467 €) auf 3.448.452 € (2022: 3.295.985 €). Eine Zusammenfassung der detaillierten Zahlen für die westdeutschen Bundesländer finden Sie in Tabelle 1.

Tab. 1: Apotheken-Betriebsvergleichszahlen 2023 für Westdeutschland

Quelle: Dr. Schmidt und Partner (Koblenz)

56.120 € der Mehrumsätze im vergangenen Jahr sind reinen Hochpreisern zuzuschreiben, 100.034 € gehen auf das Konto der gestiegenen GKV-Erlöse. Beim Tageskassenumsatz verschleiert der Wegfall des Testumsatzes ( 60.491 ) sowie der Impfzertifikate die eigentlich positive Entwicklung. Ließe man diese Sondereffekte außer Acht, wäre die Tageskasse der Durchschnittsapotheke um 56.804 € (sprich 6,07 %) gestiegen. Privatrezepte waren mit 157.474 € an der Tageskasse beteiligt und legten somit – gemessen am Vorjahr – um 3,14 % zu.

Höherer Wareneinsatz drückt Roherträge ins Minus

Wie bereits im Jahr davor egalisierte der gestiegene Wareneinsatz auch 2023 das Umsatzwachstum. Lag die Wareneinsatzquote in den westlichen Bundesländern gemessen am Gesamtumsatz der Apotheken 2022 noch bei 76,36 %, so stieg sie im vergangenen Jahr auf 78,17 % und lag damit um 178.902 € über dem Vorjahreswert! Ursächlich für diese Entwicklung sind

  • der erwähnte Anstieg hochpreisiger Arzneimittel und
  • der weitestgehende Wegfall von Covid-19-Tests.

 

Hinzu kommt der Effekt des für die Jahre 2023 und 2024 auf 2,00 € erhöhten Kassenabschlags und die nach wie vor anhaltenden Lieferengpässe.

Vor dem Hintergrund der Inflation der letzten Jahre sind die Gehälter, die an PTAs und PKAs gezahlt werden, sicher nicht zu hoch – in Relation zu den erwirtschafteten Erträgen, aus denen sie bedient werden, sind Personalkostenquoten von knapp 50 % vom Rohertrag jedoch alarmierend!

All diese Faktoren zusammen münden 2023 in einen Rückgang des Rohertrags um durchschnittlich 3,39 % (entsprechend 26.435 €) auf 752.892 € (2022: 779.328 €).

Personalkosten als Hauptkostentreiber

Der Trend steigender Kosten setzte sich 2023 weiter fort. Vorderster Kostentreiber waren die Personalkosten, was angesichts der deutlichen Tariflohnerhöhung und des Fachkräftemangels nicht verwundert. Mit 10,86 % vom Umsatz, bzw. nahezu 50 % vom Rohertrag lagen die Personalkosten um 5,03 % über denen des Jahres 2022. Absolut bedeutet dies eine Kostensteigerung um durchschnittlich 17.924 € je Betrieb.

Während sich die Energiekosten, die als „Raumkosten“ verbucht werden, etwas normalisiert haben, stiegen die apothekenspezifischen Kosten um 5,57 % an: Die Mehrkosten i. H. v. 1.635 € sind in erster Linie auf höhere Ausgaben für die Digitalisierung zurückzuführen.

Positiv zu bewerten ist ein Rückgang der „weiteren Kosten“, worunter u. a. der Aufwand für Fortbildungen und Unternehmensberatung gebucht wird. Reduziert haben sich insbesondere die sogenannten „sonstigen Kosten“, die im Vorjahr noch hohe Ausgaben für Corona-Schutzmaßnahmen beinhaltet hatten.

Betriebsergebnis bricht um gut 20 % ein

Unter dem Strich führten diese Entwicklungen in der westdeutschen Durchschnittsapotheke 2023 letztlich zu einem Betriebsergebnis i. H. v.153.655 , das um 41.054 € unter dem Vorjahresergebnis lag. Das entspricht einem satten Rückgang um 21,08 %! Gemessen am Umsatz lag die Ergebnisquote nur noch bei 4,46 % – im Jahr zuvor erreichte die Umsatzrendite noch einen Wert von 5,91 %.

II. Entwicklung in den Neubundesländern

Grundsätzlich unterlag die Durchschnittsapotheke hier der gleichen Entwicklung wie ihr Pendant im ehemaligen West-Deutschland (Tabelle 2). Zwar war die Ausgangsposition in Anbetracht eines Zuwachses beim Rohertrag eine bessere. Da dem auf der anderen Seite aber signifikant höhere Kosten gegenüberstanden, mussten auch die Betriebe in Ostdeutschland im Jahr 2023 einen Ergebniseinbruch hinnehmen.

Tab. 2: Apotheken-Betriebsvergleichszahlen 2023 für Ostdeutschland

Quelle: Dr. Schmidt und Partner (Koblenz)

Umsatzwachstum kratzt an der 10 %-Marke

Der Umsatz der ostdeutschen Durchschnittsapotheke legte im Wirtschaftsjahr 2023 um satte 8,37 % (= 244.664 €) auf 3.169.433 € zu (2022: 2.924.769 €). Mehr als die Hälfte dieses Wachstums ist hochpreisigen Verordnungen zuzuschreiben. Diese stiegen um durchschnittlich 115.098 € (+ 13,89 %) auf 945.637 € an und erreichen nunmehr einen Anteil von nahezu einem Drittel des Gesamtumsatzes.

Ein Plus von 7,07 %, respektive 113.595 €, war beim GKV-Umsatz zu verzeichnen, während die Tageskasse um 15.971 € zulegte. Letzteres ist bemerkenswert, weil natürlich auch in den ostdeutschen Regionen die Covid-19-Sonderumsätze mit Tests und Impfzertifikaten weggefallen sind. Da diese mit zuletzt 14.183 € (im Jahr 2022) jedoch erheblich geringer waren als im Westen, fiel auch ihr Wegfall weniger ins Gewicht.

Noch immer niedriger als in den alten Bundesländern fällt der Anteil der Privatrezepte am Tageskassenumsatz in Ostdeutschland aus. Dieser hatte im Wirtschaftsjahr 2023 noch bei 65.442 € gelegen und stieg 2023 immerhin um 13,59 % auf 74.337 €.

Ostdeutsche Betriebe können Rohertrag steigern

Bedingt durch den oben beschriebenen hohen Anteil hochpreisiger Verordnungen am Gesamtumsatz war mit einer hohen Wareneinsatzquote zu rechnen gewesen. Tatsächlich überschritt diese im Wirtschaftsjahr 2023 zum ersten Mal die Schwelle von 80 %. Mit 80,27 % lag sie um 1,07 Prozentpunkte bzw. 227.495 € über dem Vorjahreswert. Ursächlich sind neben Hochpreisern der erhöhte Kassenabschlag, der Wegfall der Pandemie-Sonderumsätze sowie zunehmend mehr kontingentierte Arzneien. Positiv zu bewerten ist, dass der durchschnittliche Rohertrag je ostdeutschem Betrieb trotz all dieser Faktoren mit 625.400 € den des Jahres 2022 (608.231 €) um 2,82 % übertraf – entsprechend einem Zuwachs von 17.169 €.

Weitere Betriebsausgaben

Mit Ausnahme der KFZ-Kosten war bei sämtlichen weiteren Betriebsausgaben eine Verschlechterung zu verzeichnen. An erster Stelle standen auch bei den Apotheken im Osten die Personalkosten, die noch stärker als im Westen gestiegen sind: Lag die Personalkostenquote 2022 noch bei 9,51 %, so stieg sie im Folgejahr auf 9,59 % des Umsatzes. Noch deutlicher wird das Ausmaß der Steigerung, wenn man die Personalkosten am Rohertrag misst: 48,61 % betrug die Quote im Jahr 2023, verglichen mit 45,73 % im Vorjahr. In absoluten Zahlen entspricht das einer Verschlechterung um 25.848 €.

Dank stabilisierter Energiekosten und sinkender Immobilienpreise blieben die Raumkosten auf Vorjahresniveau. Gesunkene Instandhaltungskosten legen die Vermutung nahe, dass die Kostenexplosion der Vorjahre einige Inhaber zu einem Sparkurs bewogen hat. Es bleibt abzuwarten, inwieweit ausgebliebene Investitionen in den nächsten Jahren nachgeholt werden.

Deutlich über den Werten des Jahres 2022 lagen die apothekenspezifischen sowie die weiteren Kosten. Analog zu den Apotheken in den alten Bundesländern stieg der Aufwand für Anschaffung und Wartung der EDV, während die sonstigen Kosten leicht nach unten gingen.

Betriebsergebnis büßt auch im Osten zweistellig ein

Wie eingangs bereits vorweggenommen, sank das Betriebsergebnis auch bei den Apotheken in den neuen Bundesländern. Mit 130.204 € lag es im Wirtschaftsjahr 2023 um 16.030 € unter dem des vorangegangenen Jahres (146.234 €). Das entspricht einem satten Rückgang um 10,96 %! Lag die Ergebnisquote 2022 noch bei exakt 5,0 % des Umsatzes, so brach diese im vergangenen Jahr auf nur noch 4,11 % ein.

Fazit: Steigende Kosten schlagen voll auf Erträge durch

Man muss keine Schwarzmalerei betreiben, um festzustellen, dass die Luft für viele Apotheken im vergangenen Jahr dünner geworden ist. Hatten viele Betriebe im Jahr 2022 noch von Sondereffekten der Pandemie profitiert, so entfielen diese Effekte im Jahr 2023 nahezu vollständig. Gleichzeitig machte sich der auf 2,00 € erhöhte Kassenabschlag bemerkbar. Für eine gut durchschnittliche Apotheke, die 60.000 Rx-Packungen p. a. abgibt, summierte sich allein diese Erhöhung auf einen Ertragsverlust i. H. v. etwa 11.600 €.

Zudem sind immer mehr Lieferengpässe zu verzeichnen. Infolgedessen gibt der Großhandel nur kleine Kontingente dieser Arzneimittel an die Apotheken ab und klammert diese von den getroffenen Rabattvereinbarungen aus. Kurz gesagt: Der Apotheke entgeht einerseits Umsatz, andererseits sinkt die dringend benötigte Marge.

Die gleiche Stoßrichtung ergibt sich aus dem immer höher werdenden Anteil hochpreisiger und in Relation ertragsschwacher Arzneimittel. Insbesondere in den neuen Bundesländern wirkt sich die erneute Erhöhung ihres Anteils deutlich auf die Wareneinsatzquote und somit auf den Rohertrag aus.

Demgegenüber steht die Umverteilung des Umsatzes durch die sinkende Apothekenanzahl. Waren es im Dezember 2022 noch 18.068 Betriebe, vermeldete die ABDA im Dezember des Folgejahres mit 17.571 knapp 500 Betriebe (2,8 %) weniger. Zwar profitierten die übrig gebliebenen Apotheken vom Ausscheiden ihrer Kollegen – zugleich veranschaulicht diese Entwicklung aber auch die dünner werdende Luft.

Weiter abgeschmolzen wurde der Ertrag infolge der steigenden Kosten. An erster Stelle sind hier die Personalkosten zu nennen. Einerseits macht sich die letzte Tariflohnerhöhung bemerkbar, andererseits der Fachkräftemangel, der deutlich übertarifliche Gehälter zur Folge hat. Vor dem Hintergrund der Inflation der letzten Jahre sind die Gehälter, die an PTAs und PKAs gezahlt werden, sicher nicht zu hoch – in Relation zu den erwirtschafteten Erträgen, aus denen sie bedient werden, sind Personalkostenquoten von knapp 50 % jedoch alarmierend!

Während viele Kostenpositionen im vergangenen Jahr nur geringen Schwankungen unterlagen und teilweise sogar sanken, schlägt sich die zunehmende Digitalisierung auch auf der Kostenseite nieder. Die Umstellung auf das E-Rezept, Tools zur Warenlageroptimierung und zur Personaleinsatzplanung sind zwar häufig kostenintensiv, dem steht aber auch ein hoher Nutzen für die Apotheke gegenüber, wenn diese Tools zielgerichtet eingesetzt werden.

Gemessen am Umsatz waren die Gesamtkosten im Jahr 2023 mit 17,38 % in Westdeutschland (Vorjahr: 17,74 %) und 15,62 % in Ostdeutschland (Vorjahr: 15,8 %) sogar leicht rückläufig.

Allerdings schlägt sich die beträchtliche absolute Kostensteigerung deutlich in den Betriebsergebnissen nieder: Diese sinken in den alten Bundesländern um satte 21,08 % (absolut 41.054 €), und auch in den neuen Bundesländern fällt der Rückgang bei den Ergebnissen mit einem Minus von 10,96 % (in Absolutwerten 16.030 €) zweistellig aus!

In Anbetracht dieser Entwicklung sind der Ruf an die Politik nach einer Honorarerhöhung und damit verbundenen Proteste mehr als berechtigt. Welche Handlungsoptionen bestehen und was die nächsten Monate betriebswirtschaftlich für die Apotheken bereithalten werden, das erfahren Sie in Teil 2 des externen Betriebsvergleichs 2023 in der nächsten AWA-Ausgabe 12/2024.

Datengrundlage und Hintergrund

Der externe Betriebsvergleich beruht auf Auswertungen, die dem Datenpool der Fachberatungskanzlei Dr. Schmidt und Partner (Koblenz und Dresden) entnommen wurden. Berücksichtigt werden alle Apothekenmandate, die über volle zwölf Monate des vergangenen Jahres Daten lieferten. Um Verzerrungen auszuschließen, bleiben Apotheken mit nicht marktüblicher Struktur außen vor. Darunter fallen v. a. solche Betriebe, die z. B. Zytostatika in zweistelliger Millionenhöhe abgeben, oder die einen Großteil ihres Umsatzes online generieren.

Zudem wird zwischen Apotheken in den alten und neuen Bundesländern unterschieden. Das mag anachronistisch anmuten. Der Blick auf die Zahlen zeigt aber, dass 35 Jahre nach der Wiedervereinigung noch signifikante Unterschiede bestehen, obschon eine sukzessive Annäherung stattfindet.

 

Datengrundlage und Hintergrund

Der externe Betriebsvergleich beruht auf Auswertungen, die dem Datenpool der Fachberatungskanzlei Dr. Schmidt und Partner (Koblenz und Dresden) entnommen wurden. Berücksichtigt werden alle Apothekenmandate, die über volle zwölf Monate des vergangenen Jahres Daten lieferten. Um Verzerrungen auszuschließen, bleiben Apotheken mit nicht marktüblicher Struktur außen vor. Darunter fallen v. a. solche Betriebe, die z. B. Zytostatika in zweistelliger Millionenhöhe abgeben, oder die einen Großteil ihres Umsatzes online generieren.

Zudem wird zwischen Apotheken in den alten und neuen Bundesländern unterschieden. Das mag anachronistisch anmuten. Der Blick auf die Zahlen zeigt aber, dass 35 Jahre nach der Wiedervereinigung noch signifikante Unterschiede bestehen, obschon eine sukzessive Annäherung stattfindet.

Oliver Vorberg, Dipl. Betriebswirt (FH), Geschäftsführer der SuPport GmbH, 56068 Koblenz, E-Mail: oliver.vorberg@support-gmbh.com

 

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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(11):4-4