Oliver Vorberg
Zurückhaltung ist vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen keine ernsthafte Option für Apothekeninhaber. (© AdobeStock/Waldemar Milz)
Im laufenden Jahr werden viele Weichen gestellt, mit zum Teil gravierenden Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Apotheken. Eine wichtige Entscheidung ist bereits zum Jahresanfang gefallen: So hat der Bundesgerichtshof (BGH) dem pharmazeutischen Großhandel mit seinem Skontourteil den Weg zu massiven Kürzungen geebnet. Es dauerte nicht lange, und die ersten Schreiben der Grossisten lagen im Briefkasten, gefolgt von Besuchen der Außendienstmitarbeiter, die eine Begrenzung des maximal möglichen Rabatts auf 3,05 % ab Juni 2024 ankündigten. Bei konsequenter Umsetzung brächte dies erhebliche Rohertragseinbußen mit sich. Im Markt werden Zahlen zwischen 20.000 € und 22.000 € für eine Durchschnitts-Apotheke genannt. Bei großen Betrieben kann beim Ertragsrückgang vorne auch schnell eine 4 stehen.
Die unverzichtbare Leistung des Großhandels für die Arzneimittelversorgung soll an dieser Stelle keinesfalls geschmälert werden. Es muss allerdings die Frage erlaubt sein, warum dieser – bleibt man bei den zuvor genannten Prognosen – plötzlich (über alle Apotheken gerechnet) 386,5 Mio. € mehr benötigt, um wirtschaftlich agieren zu können. Auf jeden Fall sollten Handelsspannenausgleich, Rabattausschlüsse und diverse Gebühren nach dem Wegfall der Skonti obsolet sein, wurden sie doch bisher mit mangelnder Wirtschaftlichkeit begründet. Der Blick in die Vergangenheit zeigt zudem, dass bislang jede Konditionskürzung nur so lange anhielt, bis die Großhändler ihre Marktanteile schwinden sahen.
Alternative Stellschrauben zur Sicherung der Erträge
Zwar sind die Einkaufskonditionen nun gerichtlich gedeckelt, den Apotheken bleiben neben den o. g. Punkten allerdings weitere Stellschrauben, um den Ertrag zu optimieren. Zuerst wäre zu prüfen, ob die 3,05 % Rabatt bisher überhaupt voll ausgeschöpft wurden, oder hier noch Luft nach oben ist. Zudem bezieht sich das Urteil des BGH ausschließlich auf Rx-Arzneien, so dass ein Teil der Einbußen über die Non-Rx-Konditionen kompensiert werden kann. Auch Werbekostenzuschüsse bieten sich als Ausgleich an und sollten beim nächsten Konditionengespräch auf jeden Fall thematisiert werden. Nicht zuletzt haben genossenschaftlich organisierte Großhändler die Option, die Dividende der Anteile zu erhöhen, und liquide Apotheken sollten die Verzinsung der Vorauskasse ansprechen. Beachtet werden müssen allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen – Stichwort „Nachschusspflicht“ –, falls der Großhandel in wirtschaftliche Schieflage geriete.
Analog zur Forderung nach einer Anhebung des Honorars ist auch bei den Konditionsverhandlungen Geschlossenheit gefragt, um als Einzelunternehmer nicht benachteiligt zu werden. In Anbetracht des zur Disposition stehenden Umsatzvolumens empfiehlt sich ein gemeinsames Verhandeln, ggf. mit Unterstützung eines branchenerfahrenen Beraters.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer verbreitet das Gerücht, im BMG würde darüber nachgedacht, eine gesetzliche Grundlage für Skonti auf Rx zu schaffen. Aus Sicht des Ministeriums wäre dies ein kostenneutraler Ansatz, um etwas für die Rettung der Apotheken zu bewirken – das ist zum jetzigen Zeitpunkt aber reine Spekulation.
Eine aktive Personaleinsatzplanung ist unerlässlich
Ungemach droht auch von anderer Seite: So könnte die größte Kostenposition nach dem Wareneinkauf – die Personalkosten – in absehbarer Zeit deutlich ansteigen. Die ADEXA hat den laufenden Tarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband deutscher Apotheken (ADA) zum 31.12.2023 gekündigt und eine Forderung von 10,5 % mehr Gehalt für alle in der Apotheke beschäftigten Berufsgruppen ausgesprochen. Zwar liegt die letzte Tarifrunde noch keine zwei Jahre zurück. Die hohe Inflation der letzten beiden Jahre und die damit einhergegangene gesunkene Kaufkraft machen die Forderung aber nachvollziehbar. In Verbindung mit der durch Fachkräftemangel bedingten, marktüblichen übertariflichen Entlohnung ist insofern mit einer deutlichen Erhöhung der Personalkosten zu rechnen, die jetzt schon etwa die Hälfte des Rohertrags aufzehren. Umso wichtiger ist es, die Mitarbeiter in der Apotheke möglichst effizient einzusetzen. Die Praxis zeigt, dass in vielen Betrieben keine aktive Personaleinsatzplanung von Seiten der Apothekenleitung stattfindet, oder diese dem Personal überlassen wird.
Es spricht nichts dagegen, das Team an der Planung zu beteiligen. Im Vordergrund müssen aber optimale betriebliche Abläufe stehen. Moderne EDV ermöglicht einerseits die Auswertung der Kundenfrequenz, andererseits bieten Personal-Tools einen guten Überblick über die Personalbesetzung und machen Optimierungsvorschläge (siehe dazu den Bericht „Digitale Teamorganisation: Einfach effizienter arbeiten“ in dieser Ausgabe). Auf dieser Basis können Öffnungs- und Pausenzeiten hinterfragt und bei Bedarf angepasst werden.
Die entscheidende Kennziffer in diesem Kontext ist der Deckungsbeitrag pro Mitarbeiter. Wie Prof. Dr. Reinhard Herzog in seinem Artikel „Gehalt, Schmerzensgeld oder Rendite-Turbo“ in der AWA-Ausgabe 4/2024 modellhaft errechnet hat, können die Unterschiede zwischen einer mäßig motivierten und einer stark engagierten PTA beträchtlich sein: Unter der Annahme, dass erstere im Durchschnitt 9 Kunden pro Stunde am HV-Tisch bedient, während letztere 11 schafft, fährt die „Turbo-PTA“ aufs Jahr hochgerechnet einen um gut 45.000 € höheren Deckungsbeitrag ein als ihre Kollegin, die öfter mal in den „Stand by-Modus“ wechselt.
Schwaches Personal kostet in der Apotheke insofern viel Geld. Umgekehrt winken erhebliche Gewinnsteigerungen, wenn es personell rund läuft. Die Kennzahl „Gewinn pro Mitarbeiter“ stellt sich so in einem ganz neuen Licht dar – nämlich als offenkundige Management-Herausforderung für den Apothekenleiter.
Überaus lohnenswerter Mehraufwand
Immer noch in den Kinderschuhen steckt trotz jahrelanger Vorlaufzeit das E-Rezept. Die ersten Monate nach der verpflichtenden Einführung zeigten einmal mehr, wie gut Apotheken in digitaler Hinsicht aufgestellt sind. Im Gegensatz zu einigen Arztpraxen waren nahezu alle Betriebe ab dem ersten Tag E-Rezept-ready und wurden nur hier und da von der Software ausgebremst. In den kommenden Wochen und Monaten gilt es nun, die Chance zu ergreifen, die elektronische Verordnungen bieten.
Zum einen können sich die Apotheken als kompetente Ansprechpartner für die oft verunsicherten Patienten profilieren und diesen die eigene Umsetzung zur Einlösung des E-Rezepts nahebringen. Natürlich ist es ein Mehraufwand, Kunden z. B. bei der Einrichtung einer App zu unterstützen. Wer sich einmal registriert hat, wechselt aber nicht ohne weiteres wieder und ist somit langfristig an die Apotheke gebunden.
Zum anderen ist die Kommunikation mit den Verordnern unerlässlich, um sicherzustellen, dass E-Rezepte umgehend signiert werden, damit sie in der Apotheke zeitnah eingelöst werden können. Gerade Apotheken in Ärztehäusern hatten in den ersten Monaten nach der E-Rezept-Einführung mit Umsatzverlusten zu kämpfen, da den verordnenden Ärzten die Konsequenz der verspäteten Rezept-Signatur vielfach nicht bewusst war. Hier hilft nur ein offenes Wort.
Höchste Zeit, das „große Besteck“ auszupacken
Der Weg vom E-Rezept ins Internet ist mit dem Card-Link-Verfahren zwar einfacher, die Apotheke vor Ort hat aber unschlagbare Vorteile: Nacht- und Notdienste, eine einfühlsame Beratung, Rezepturen und Alternativvorschläge bei Lieferengpässen gibt es nur dort. Diese Vorteile müssen dem Kunden immer und immer wieder aufgezeigt werden. So sympathisch Zurückhaltung auch sein mag – jetzt heißt es, in puncto Werbung und Kundenansprache das „große Besteck“ auszupacken.
Betont werden muss auch, dass Same Day Delivery bei den Versendern oft nur ein frommer Wunsch ist. Bei der Apotheke vor Ort dagegen ist genau das seit Jahren an der Tagesordnung, noch dazu verbunden mit einem freundlichen Wort an der Haustür.
Es lässt sich nicht leugnen, dass die Vor-Ort-Apotheken vor großen Herausforderungen stehen – allen voran die überfällige Honorarerhöhung, für die man im politischen Berlin bislang keinerlei Gehör gefunden hat. Wie in jedem Markt gibt es aber auch in unserer Branche Gewinner – nämlich all diejenigen, die nicht der Vergangenheit hinterherweinen und mit den sich verschlechternden Rahmenbedingungen hadern, sondern engagiert neue Lösungen suchen. Digital, aber auch analog im Kontakt mit Lieferanten, Ärzten und an erster Stelle natürlich den Patienten.
Oliver Vorberg, Dipl. Betriebswirt (FH), Geschäftsführer der SuPport GmbH, 56068 Koblenz, E-Mail: oliver.vorberg@support-gmbh.com
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