Ein Beitrag aus der Arbeitsrechtspraxis zur erfolgreichen Mitarbeitersuche

Der freundliche Arbeitsvertrag – ein Experiment


Dr. Uwe Schlegel

Wo steht eigentlich geschrieben, dass Arbeitsverträge sperrig, unverständlich und unfreundlich formuliertsein müssen? Nirgendwo, weiß der Autor aus eigener langjähriger Berufspraxis im Arbeitsrecht, und trittmit diesem Artikel den Gegenbeweis an. Lassen Sie sich überraschen, wie anders (im positiven Sinn) ein freundlicher Arbeitsvertrag wirkt und testen Sie diesen selbst in Ihrer Apothekenpraxis.

Es ist keineswegs ein Naturgesetze, dass Arbeitsverträge spröde und unfreundlich formuliert sein müssen (© AdobeStock/tippapatt) 

Nein, geneigte Leserin, geneigter Leser, wir wollen nicht schon wieder das Klagelied von der Personalnot im Allgemeinen und der besonders schwierigen Situation bei Apotheken im Speziellen anstimmen. Ganz im Gegenteil. Der nachfolgende Beitrag möchte Mut machen.

Wir wollen Sie als Apotheken-Inhaber oder -Leiter hoffnungsfroh in das Rennen um gute Arbeitskräfte schicken – mit einem Arbeitsvertrag, der zunächst Sie selbst, sodann aber auch Ihre Bewerber im positiven Sinne überraschen dürfte.

Eine gute und eine schlechte Nachricht

Wenn es darum geht, sich zu entscheiden, ob man zuerst die gute oder zuerst die schlechte Nachricht hören möchte, entscheiden sich die meisten Menschen dafür, als erstes die schlechte Nachricht mitgeteilt zu bekommen. Und so wollen wir es hier auch handhaben.

Also, zuerst die schlechte Nachricht: Es gibt nicht genügend fähige Arbeitskräfte für alle Arbeitgeber. Deshalb können sich die begehrten, weil raren Arbeitnehmer häufig den aus ihrer Sicht passenden Arbeitgeber aussuchen.

Jetzt die gute Nachricht: Es gibt durchaus Arbeitskräfte – auch eine ganze Reihe fähiger Arbeitnehmer, engagiert, häufig gut gelaunt, bisweilen sogar mit Freude bei der Arbeit. Aber: Es gibt nicht ausreichend viele gute, qualifizierte Arbeitnehmer für alle Arbeitgeber, die nach einer Arbeitskraft suchen. Was heißt das?

Willkommen in der Realität

Wenn es nicht genügend von etwas gibt, dann entbrennt häufig ein Wettbewerb um das begehrte, aber rare Gut. Und so ist das auch im Kampf um die für Arbeitgeber interessanten Arbeitnehmer: Es gewinnt derjenige, der im Wettbewerb mit dem attraktivsten Angebot um die Ecke kommt. Nun wird vielleicht dem einen oder anderen schon der Schweiß auf der Stirne stehen. Denn in diesem Zusammenhang kommt ja sogleich der Gedanke – Stichwort Wettbewerb –, dass wahrscheinlich derjenige im Wettbewerb gewinnen wird, der den höchsten Preis (sprich das höchste Arbeitsentgelt) bietet. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. 

So gibt es unzählige Untersuchungen darüber, dass die Höhe des Arbeitslohns zwar ein wichtiges Kriterium bei der Arbeitsplatzwahl ist. Es ist jedoch keinesfalls das einzige. Über die Wahl des aus Sicht des Arbeitnehmers „richtigen“ Arbeitgebers entscheiden eine ganze Reihe weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein sympathischer Vorgesetzter, ein nettes Team, kurze Wege von der Wohnung zum Arbeitsplatz und vieles mehr. Und dann gibt es da noch etwas, das viele betroffene Arbeitgeber vermutlich gar nicht auf dem Zettel stehen haben. Dazu gleich mehr.

Standard-Prozedere: Der unfreundliche Arbeitsvertrag

Natürlich braucht es für ein rechtlich wirksames Arbeitsverhältnis einen rechtlich wirksamen Arbeitsvertrag. Wieder ein Allgemeinplatz. Aber: Haben Sie sich den von Ihnen verwendeten Arbeitsvertrag einmal richtig gründlich von vorne bis hinten durchgelesen? Oder haben Sie sich einfach ein für gut befundenes Dokument im Internet heruntergeladen? Nach dem Motto: Den Vertrag hat sicherlich ein kluger Kopf entworfen, das wird schon in Ordnung gehen. Das aber, liebe Leserin, lieber Leser, kann tüchtig in die Hose gehen.  

Würden Sie sich nämlich den von Ihnen eingesetzten Arbeitsvertrag mal durch die Brille des (potenziellen) Arbeitnehmers durchlesen, würde Ihnen wahrscheinlich etwas auffallen: Der Vertrag ist mit hoher Wahrscheinlichkeit recht unfreundlich, in Teilen verschwurbelt und damit unverständlich formuliert. Abgesehen davon erwecken zahlreiche Verträge den Eindruck, als ginge es im Wesentlichen nur um eines – nämlich den Vorteil des Arbeitgebers. Und das kommt, bei demjenigen, dessen Herz Sie erobern wollen, womöglich nicht gut an.

Nun werden Sie sich vielleicht fragen, ob Arbeitsverträge nicht so formuliert sein müssen, wie sie üblicherweise formuliert sind. Die überraschende Antwort lautet: Nein, das muss nicht so sein! Wir machen das meist aus Gedankenlosigkeit und schaden uns damit nachhaltig.

Es geht auch anders: Der freundliche Arbeitsvertrag

Das bis hierhin Gesagte führt zu einem spannenden Gedanken: Was wäre, wenn man zur Abwechslung mal einen freundlichen Arbeitsvertrag formuliert? Der Autor dieses Beitrags hat sich dazu ganz viele Gedanken gemacht und stellt in diesen Tagen den ersten Entwurf eines wahrhaft freundlichen Arbeitsvertrages vor. Nachfolgend geben wir Ihnen ein Formulierungsbeispiel zum weiteren Nachdenken.  

Vielleicht motiviert Sie das dazu, einmal das Experiment zu wagen, nach Ihrer nächsten erfolgreich abgeschlossenen Bewerbungsrunde mit einem freundlichen Arbeitsvertrag um die Ecke zu kommen und die neue PTA oder den neuen Pharmazeuten im positiven Sinn zu überraschen?

Ein Formulierungsbeispiel: Die Urlaubsregelung

In einem typischen Arbeitsvertrag heißt es zum Thema Urlaub beispielsweise häufig:

„(1) Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vergüteten Erholungsurlaub von __ Arbeitstagen pro Kalenderjahr (auf der Basis einer 6-Tage-Woche). Hiervon sind __ Arbeitstage (auf der Basis einer 6-Tage-Woche) der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz in der derzeit geltenden Fassung. __ Arbeitstage werden als vertraglicher Zusatzurlaub gewährt. Der Zusatzurlaub mindert sich um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung hat.

(2) Bei Eintritt/Ausscheiden während eines Kalenderjahres hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für den vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, soweit sich nicht aus den zwingenden Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes ein höherer Anspruch ergibt.  

(3) Der Jahresurlaub muss im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Auch bei Vorliegen der gesetzlichen Übertragungsvoraussetzungen verfällt der Urlaub mit Ablauf des 31. März des Folgejahres (Übertragungszeitraum) ersatzlos. Der gesetzliche Mindesturlaub bleibt jedoch auch in diesem Fall ganz oder teilweise erhalten, wenn der Arbeitnehmer ihn wegen Arbeitsunfähigkeit oder sonst von ihm nicht zu vertretender Umstände im Übertragungszeitraum ganz oder teilweise nicht nehmen konnte und kein Verfall des Urlaubs nach den Bestimmungen dieses Vertrages eingetreten ist.

(4) Genommener Urlaub wird zunächst auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch angerechnet. Urlaubsabgeltung wird nur in Höhe des noch nicht genommenen gesetzlichen Urlaubsanspruches gewährt.

Na, finden Sie nicht auch, dass das reichlich technisch und geradezu unfreundlich klingt …?

Jetzt die Formulierungen im freundlichen Arbeitsvertrag:

„(1) Wir möchten, dass Sie sich erholen. Daher legen wir großen Wert darauf, dass der Ihnen zustehende Jahreserholungsurlaub nach Möglichkeit bis Ende eines jeden Jahres vollständig aufgebraucht wird. Sollte das einmal nicht gelingen, finden wir dafür eine Lösung.  

(2) Wir bitten Sie, gewünschten Urlaub rechtzeitig anzumelden. Sollte Ihrem Wunsch nach Urlaub nichts entgegenstehen, werden wir Ihnen den erbetenen Urlaub rasch zusagen.  

(3) Sie haben einen Anspruch auf __ Tage Urlaub im Jahr. Damit erhalten Sie __ Tage mehr Urlaub, als das Gesetz dies vorsieht. Ihr Urlaubsanspruch entspricht bei einer 6-Tage-Woche einem Urlaub von _ Wochen.“

Der typische Arbeitsvertrag ist in der Regel recht unfreundlich, in Teilen verschwurbelt und damit unverständlich formuliert. Abgesehen davon erwecken zahlreiche Verträge den Eindruck, als ginge es im Wesentlichen nur um eines – nämlich den Vorteil des Arbeitgebers. Das muss aber nicht so sein! Wie wäre es, wenn Sie nach Ihrer nächsten erfolgreich abgeschlossenen Bewerbungsrunde die neue PTA oder den neuen Pharmazeuten mit einem freundlichen Arbeitsvertrag überraschen?

 

Sichern Sie sich Ihren freundlichen Arbeitsvertrag!

Wenn Sie unser Beitrag neugierig gemacht hat, dann haben Sie vielleicht Interesse, einen vollständigen, freundlich formulierten Arbeitsvertrag zu bekommen. Das können Sie! Schreiben Sie dazu einfach eine kurze Mail an uwe.schlegel@etl.de. Der Autor übersendet Ihnen dann per Mail kostenlos ein „druckfrisches“ Exemplar eines freundlichen Arbeitsvertrages.  

Aber bitte aufpassen: Es handelt sich um ein Testexemplar, gewissermaßen eine Betaversion, die vielleicht hier und da noch der Verbesserung bedarf. Wenn Sie damit leben können, sind Sie herzlich eingeladen, bei unserem Experiment mitzumachen.

Dr. Uwe P. Schlegel, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der ETL Rechtsanwälte GmbH, 51107 Köln, E-Mail: uwe.schlegel@etl.de

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