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Rechnen statt Jammern


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Aussichten mögen durchwachsen sein – umso mehr kommt es darauf an, hinsichtlich der eigenen (Zahlen-)Situation im Bilde zu sein. Noch allzu oft bewegen sich viele Inhaber im Nebel- oder gar Blindflug, obwohl einfach verständliche Werkzeuge Abhilfe schaffen können.

Nutzen Sie die praxiserprobten Rechentools auf der AWA-Website, die von Prof. Dr. Reinhard Herzog zusammengestellt und laufend aktualisiert werden. (© AdobeStock/MUCHIB)

So wie keine Verkehrsmaschine mehr ohne Radar und diverse Navigationssysteme unterwegs ist, sollte kein Unternehmer ohne entsprechende kaufmännische Navigationshilfsmittel unterwegs sein.

Apotheken haben heute, bei stets neue Rekorde erklimmenden Umsätzen, nur noch Margen wie klassische Lebensmittler oder sogar wie Discounter – betreiben aber betriebswirtschaftlich oft noch ein „Management per Rückspiegel“, sprich durch Blick auf längst vergangene Zahlen in den betriebswirtschaftlichen Auswertungen. So wichtig das sorgfältige Studium der Erfolgsrechnungen ist, so entscheidend ist die Planung der Zukunft, kurz- und mittelfristig. Was kann ich mir (nicht) mehr leisten an Personalkosten, Marketing, anderen Sachkosten oder auch Investitionen, wenn ich ein gewisses Zieleinkommen für meinen Lebensunterhalt und einen eventuellen weiteren Vermögensaufbau benötige?

Die Software der Wahl ist eine Tabellenkalkulation, am weitesten verbreitet in Form von Microsoft Excel. Die Grundlagen dieser Programmgattung sollte man heute zum elementaren Handwerkszeug für eine zielorientiert-zahlenbasierte Unternehmensführung zählen. Die passende Anwendung finden Sie u. a. in Form der Excel-Datei ApoSim_mini (in der jeweiligen Jahresvariante) auf unserer Website www.apotheke-wirtschaft.de zum kostenfreien Download (nach Registrierung als AWA-Abonnent). Hier gibt es zudem etliche andere Rechenblätter und hilfreiche Dokumente. Nutzen Sie diese Chance!

Abbildung 1 zeigt den Hauptteil eines Apothekenblattes. Es lassen sich vier Betriebe parallel oder auch ein einziger in unterschiedlichen Varianten darstellen. In einfacher, übersichtlicher Form lassen sich Einnahmen sowie Kosten eingeben. Einige Hilfstabellen unterstützen bei der Berechnung von Abschreibungen, Zinsen und Tilgungen, eine Personalmatrix gestattet die Hochrechnung Ihrer Lohn-Gesamtkosten inklusive Nebenleistungen.

 

Abb. 1: ApoSim_mini – ein starkes Rechenwerkzeug trotz Mini-Aufwand

Bereits diese einfache Zusammenstellung der einzelnen Positionen in absoluten Beträgen erlaubt am Ende die Berechnung eines Netto-Verfügungsbetrages („Nettoeinkommen“) zumindest in sehr guter Näherung – denn es werden sowohl die Gewerbe- als auch die Einkommensteuer je nach familiärer Situation (ledig, verheiratet, mit oder ohne Kinder) berechnet.

Was-wenn-Rechnungen

Schon an dieser Stelle kann an den Einnahmen und den Kostenpositionen „gedreht“ werden. Die Beispiel-Apotheke in Abbildung 1, mit 3,5 Mio. € Umsatz und etwas über 750.000 € Rohertrag im durchschnittlichen Bereich (West) unterwegs, spielt noch ein monatliches Nettoeinkommen von gut 6.000 (verheiratet ohne Kinder) ein, bei einem Betriebsergebnis von 135.000 € vor Steuer (3,9 % vom Umsatz).

Ein Grund für dieses allenfalls gerade noch akzeptable, aber keineswegs überragende Ergebnis liegt in der Belastung mit recht hohen Kapitalkosten von 24.000 € für Zinsen, gut 40.000 € Abschreibungen und 50.000 € an Tilgungen. Schuldenfrei würden hingegen 9.800 € monatlich herausspringen. Die Apotheke wandelt insoweit auf schmalem Grat.

Dreht man bei dieser Apotheke an der Umsatzschraube (bei gleicher Spanne und gleichen Kosten), von 3,5 Mio. € ausgehend, passiert folgendes mit dem monatlichen Netto-Verfügungsbetrag:

  • + 5 % (auf 3,675 Mio. €): es bleiben rund 7.850 €,
  • + 10 % (3,850 Mio. €): dann sogar knapp 9.500 €,
  • 5 % (3,325 Mio. €): nur noch etwa 4.000 €,
  • 10 % (3,150 Mio. €): Absturz auf rund1.500 €.

 

Man sieht, dass diese Apotheke kaum Spielraum nach unten hat, bzw. dann mit herben Kostenreduktionen gegensteuern müsste – doch an welchen Stellen, ohne im Wettbewerb noch weiter abzufallen und womöglich weitere Kunden zu verlieren?

Dieses Schicksal erleiden mehr und mehr Betriebe, die margen- und renditeschwach unterwegs sind. Die „Hebelwirkung“ von Umsatz- und Spannenveränderungen ist gerade dort sehr groß. Apropos Spannen: Spielen wir auch daran (Ausgangswert 21,5 %) bei unveränderten 3,5 Mio. € Umsatz:

  • + 0,5 %-Punkte (auf 22,0 %): es bleiben rund 6.900 €,
  • + 1,0 %-Punkte (22,5 %): dann sogar gut 7.700 €,
  • 0,5 %-Punkte (21,0 %): Rückgang auf etwa 5.100 €,
  • 1,0 %-Punkte (20,5 %): Einbruch auf noch 4.150 €.

 

Am Ende zählt natürlich schlicht der Rohertrag, hervorgegangen aus der Kombination von Umsatz und Spanne. Sehr gefährlich wird es, wenn Umsatz- und Spannenrückgänge zusammenkommen. 5 % Umsatzrückgang und 1 %-Punkt Spannenverlust drücken unsere Apotheke auf hochproblematische 1.800 €, selbst wenn da wenigstens die soziale Absicherung des Inhabers bereits abgezogen ist (wie in allen anderen Beispielen auch).

Praktisch wachsen meist die Umsätze, während die Spannen zurückgehen. Wenn es gut läuft, steigen die Roherträge trotzdem (unterproportional). In den aktuellen Zeiten drohen u. a. wegen erstmal wegfallender Einkaufsskonti auch absolut zurückgehende Werte. Genau solche Zusammenhänge sollten Sie kennen – bevor Sie sie schwarz auf weiß in Ihrer betriebswirtschaftlichen Abrechnung oder gar nachträglich in der Gewinn- und Verlustrechnung des abgelaufenen Jahres zusammen mit dem sorgenvollen Gesicht Ihrer Berater präsentiert bekommen.

Excel-Möglichkeiten nutzen

Nochmals mächtiger wird solch eine Tabelle, wenn Formeln und Querverknüpfungen genutzt werden. So können Sie einerseits z. B. die Personalkosten in Euro eingeben. Andererseits können Sie aber auch einen Anteil am Rohertrag (oder Umsatz) festlegen, indem Sie eine entsprechende Formel eingeben (siehe Abbildung 2). Hierzu nehmen Sie Bezug auf die jeweilige Zelle, in welcher der Rohertrag steht – hier ist das die Zelle B4 (Spalte B, Zeile 4), multipliziert mit 0,49 für 49 % vom Rohertrag. Ändern Sie jetzt Umsatz bzw. Spanne (und damit den Rohertrag), passen sich die Personalkosten entsprechend an.

 

Abb. 2: Verwendung von Formeln

Ähnliches können Sie für die Beiträge und Rezeptabrechnungskosten vorsehen (z. B. 0,4 % vom Umsatz in der Summe). Noch spannender wird es, wenn die Investitionskosten, Abschreibungen, Zinsen und Tilgungen verknüpft und so die direkten Auswirkungen auf das Einkommen sichtbar werden. Lange Rede, kurzer Sinn: Es lohnt sich, solche Werkzeuge zu nutzen – erst recht in diesen wirtschaftlich angespannten Zeiten!

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Hier kommen Sie direkt zu den AWA-Kalkulations-Tools – von der einfachen Rechenhilfe bis hin zur komplexen Apotheken-Betriebssimulation.

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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(13):4-4