Parteienlandschaft im Umbruch

Endspiel oder Zeichen vitaler Demokratie?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

In der politischen Landschaft überschlagen sich die Ereignisse. Eine einst stolze, liberale Partei, untrennbar mit einer international hochgeachteten Wirtschafts- und Außenpolitik verbunden, rangiert auf Landesebene hinter einer Tierschutzpartei. Dunkelrot ist im politischen Abendhimmel am Erlöschen. Eine einstige achtbare Volkspartei namens SPD dümpelt ziellos. „Grün“ ist dabei, sich in seine politischen Spektralfarben zu zerlegen. Anders als in der Physik spaltet sich nun grün in dunkelgrün und tiefrot mit immer noch einigen moralisierend-bevormundenden Farbklecksen – Zukunft offen. Vielleicht hilft ein Rekord-Dürresommer 2025. Die blaue Alternative triumphiert, ohne ernsthafte Handlungsoptionen und womöglich auch Befähigungen, selbst wenn sie könnte, wie sie wollte. Das neue Bündnis in Form einer „One-Woman-Show“ lässt sich noch gar nicht abseits von blumigen Vorstellungen in der harten politischen Praxis verorten.

Bleiben die Christdemokraten als letzte „Volkspartei“? Nun, mit einem Drittel der Stimmen (auch die müssen sie in einem Jahr erst mal bekommen, ob ein Friedrich Merz da tatsächlich in der Breite überzeugt?) ist man zwar König unter Einäugigen, aber eben auf verzwergte Koalitionspartner angewiesen. Mit den Neuen und den Blauen will man nicht, könnte wahrscheinlich auch nicht – selbst wenn es die interessante Chance böte, diese ungeliebten Parteien an den Klippen der Realität zerschellen zu lassen. Es gab auch mal Republikaner, eine Schill-Partei – wer kennt die überhaupt noch? Im Grunde bleibt da nur eine gewisse Hoffnung, dass sich eine SPD doch wieder berappelt.

Für eine von der Politik und einem regulatorischen Rahmen abhängige Branche wie die Apotheken sind das gefährliche Entwicklungen. An wen soll man sich noch halten? Je stärker eine Parteienlandschaft zersplittert und nochmals dysfunktionalere Abwehr-Koalitionen gegen den „Teufel von rechts“ nicht nur auf Landes-, sondern auf Bundesebene ins Spiel kommen könnten, umso größer ist die Gefahr, dass letztlich der Stillstand konserviert, gar der Rückschritt beschleunigt wird. Die Latte für Kompromisse wird so tief hängen, dass keine nennenswerten Fortschritte zu erwarten sind. Stillstand und Bewahren kann ja sogar etwas Gutes bedeuten – wenn man Bewahrenswertes vorzuweisen hat.

Wären die Apotheken zukunftsfest finanziert, die Wachstumsdynamik intakt – es wäre nichts besser, als dies schlicht zu erhalten. Genau daran krankt es aber. Die Branche benötigt durchgreifende Reformen. Wo man dann die Schwerpunkte setzt – bei einer besseren Finanzierung, einer strukturellen Reform, „Entschlackung“ und mancher Deregulierung, bei einer grundlegenden neuen Rollenfindung des Berufs, oder idealerweise allem zusammen – sei mal offen gelassen. Aber es braucht einen großen Sprung, keine Trippelschritte. Stillstand tötet – jede Woche einige Apothekenexistenzen und so manch Lebensperspektive, in einigen Fällen sogar physisch. Die Selbstmordrate bei Apothekern (und auch Ärzten) liegt über dem Durchschnitt, und die Zeichen stehen nicht zum Besseren.

Abseits dieser persönlichen Schicksale sehen wir einen massiven ökonomischen Werteverfall. Apothekenwerte lösen sich bundesweit im Milliardenmaßstab einstweilen in Luft auf. Investoren wird eine ganze Branche zu Ausverkaufspreisen auf dem Silbertablett serviert – wer öffnet dafür das gesetzgeberische Fenster? Insoweit könnte man sogar froh sein, wenn eine sich in ihren Gegensätzlichkeiten blockierende Regierung schlicht nichts Bedeutendes hinbekommt, also auch das nicht. Volkswirtschaftlich droht jedoch eine Katastrophe. Und das bedeutet: Statt Innovation droht plumpe Kostendämpfung, egal wie.

Wenn sie klug sind, schaffen die Apotheken es, das so zu wenden, dass sie mehr Freiheiten bekommen, von manchem Regulierungskorsett befreit werden und viel mehr Optionen erhalten, die Patienten direkt zur Kasse zu bitten. Das wird nämlich ein zentraler Punkt werden: Es wird weitaus weniger „auf Krankenschein“ geben als heute. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Gesundheitsgütern. Da fragt sich nur, wer zahlt, und wer an welcher Stelle möglichst freizügig kassieren darf. Und ob man sich überhaupt noch daran erfreuen könnte, wenn wir auf „Weimarer Pfaden“ wandeln.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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