Gesundes-Herz-Gesetz

Herz-Schmerz in der Apotheke?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Im Moment hält sich die Begeisterung für jedwedes Neue in Grenzen, zu sehr liegt der Fokus auf den wirtschaftlichen Aspekten und dem Tagesgeschäft. Gleichwohl können Wege, wie sie mit dem „Gesundes-Herz-Gesetz“ beschritten werden, die Rolle der Apotheke stärken.

Ein Screening auf Herz-Kreislauf-Risiken ist auch für Apotheken reizvoll – wenn es preislich darstellbar ist und auf valider Messtechnik beruht. (© AdobeStock/dragonstock)

Nach einigem Hickhack ist das „Gesundes-Herz-Gesetz“ vom Kabinett verabschiedet. Welche Schwerpunkte sollen künftig gesetzt werden?

  • Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen (insbesondere Fettstoffwechselstörungen) im Rahmen der Kinder- und Jugenduntersuchungen.
  • Erwachsenen-Checkups im Alter von 25, 40 und 50 Jahren.
  • Ein gesetzlicher Anspruch auf Versorgung mit Lipidsenkern wird geschaffen, und Lipidsenker sollen so frühzeitiger als zuvor und entsprechend dem individuellen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet werden.
  • Der Anspruch auf eine medikamentöse Therapie zur Tabakentwöhnung wird ausgeweitet.
  • Ärztliche Präventionsempfehlungen zur Tabakentwöhnung und zum Ernährungsverhalten außerhalb der Gesundheitsuntersuchungen werden regelmäßig extrabudgetär vergütet.
  • Strukturierte Behandlungsprogramme („Disease-Management-Programme“, DMP) werden inhaltlich weiterentwickelt.
  • Last but not least sollen die Apotheken verstärkt in die Beratung zur Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und tabakassoziierten Erkrankungen eingebunden werden. Für niedrigschwellige Beratungsangebote in Apotheken werden neue pharmazeutische Dienstleistungen etabliert.

 

Schauen wir auf die aktuelle Todesursachenstatistik (Abbildung 1). Dort findet sich zum einen die Mortalitätsrate (Gestorbene je 100.000 Personen in der jeweiligen Altersklasse), der besseren Differenzierung halber in logarithmischer Auftragung, und klein oben ein Kuchendiagramm der absoluten Todesfälle.

Abb. 1: Todesursachen in Deutschland 2023

Sowohl relativ wie absolut dominieren nach wie vor die Herz-Kreislauf-Erkrankungen (v. a. Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Schlaganfall, plötzliche Herztode u. a.). Absolut 348.000 oder anteilig 34 % aller Todesfälle entfielen 2023 hierzulande darauf. Mit Abstand folgen Krebserkrankungen (23 %). Gut 25.000 Todesfälle standen auch letztes Jahr noch in Zusammenhang mit einer nachgewiesenen Covid-19-Infektion (nicht in den übrigen Atemwegserkrankungen enthalten). Die Bedeutung „gesunder Herzen“ liegt insoweit auf der Hand.

Risikoerfassung

Möchte man das individuelle Risiko für ein schweres Herz-Kreislauf-Ereignis abschätzen, ist der Procam-Test immer noch ein „Goldstandard“, selbst wenn er vor allem auf das Herzinfarktrisiko abzielt. Wer hier schlecht abschneidet, hat aber auch sonst schlechtere Karten z. B. im Hinblick auf einen Schlaganfall oder die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Eine Variante zeigt Tabelle 1 (oder im Internet z. B. www.assmann-stiftung.de/procam-tests). Die Fragen sind gleich, die Punktevergabe und -gewichtung sowie Risikoermittlung kann etwas variieren.

 

Während die Anamnese schnell gemacht ist (Alter, Familienhistorie), stellen die Messungen höhere Ansprüche. Zwar ist ein Blutdruck rasch gemessen, doch wie valide ist die Aussage bei Messung in der Praxis oder Apotheke (die „Weißkittel-Hypertonie“ ist ja ein geläufiger Begriff). Hier gilt es, zu belastbaren Aussagen (mehrere Messungen in Ruhe, am besten auch zu Hause, ggf. 24-Stunden-Profil) zu gelangen.

Lipidprofil hoch relevant

Auf das Punktekonto zahlt allerdings, neben dem Alter, das Lipidprofil am meisten ein. Prinzipiell sind Blutfette in der Apotheke aus Kapillarblut erfassbar, z. B. mittels Teststreifen und recht günstigen Auslesegeräten ähnlich der Blutzuckerbestimmung. Teils wird nur das Gesamtcholesterin bestimmt, doch gibt es freilich Systeme, die ein Lipidprofil erstellen. Es bietet sich dann gleich anschließend noch eine Blutglukose-Bestimmung (ggf. mitsamt HbA1c-Wert, sofern möglich) an, um einen Diabetes-Verdacht zu erhärten und ggf. zu einem baldigen Facharztbesuch zu raten.

Es gibt zudem etliche Tests für den Privatgebrauch (ob Lipidprofil, HbA1c u. a. m., Kapillarblutprobe wird eingeschickt), die gern um die 30 € bis 50 € kosten, also recht teuer sind. Zum Vergleich: In der GKV schlägt eine Blutfett-Bestimmung beim Arzt – Lipidprofil, EBM-Ziffer Nr. 32882, mit gerade mal 1,00 € zu Buche, Blutglukose (Nr. 32057) mit lächerlichen 0,25 €. Diese Werte werden validiert in klinischen Laboren erhoben. Das kegelt die Apotheken, abgesehen von zahlungswilligen Privatpatienten, an dieser Stelle hinaus. Im Paket einer (künftigen) pharmazeutischen Dienstleistung könnte dies anders aussehen. Auch der Zugriff auf die elektronische Patientenakte wird vieles erleichtern können.

Fazit

Prinzipiell ist ein Screening auf Herz-Kreislauf-Risiken für Apotheken reizvoll – wenn es preislich darstellbar ist und auf valider Messtechnik sowie belastbaren statistischen Auswertegrundlagen beruht. Im Moment kommen dafür nur zahlungskräftige Privatzahler infrage. Wir werden für die breite Masse also noch auf eine entsprechende „Gebührenziffer“ warten müssen.

Es stellt sich zu guter Letzt zudem die Frage, was eine Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten unter dem Strich gesundheitsökonomisch und volkswirtschaftlich bedeutet. So gilt nach wie vor die schlichte Erkenntnis: „An irgendetwas werdet ihr immer sterben!“

Ist das nicht der Herzinfarkt oder Schlaganfall, dann drohen Krebs, Alzheimer oder das Streiken der Atemwege, neben zig anderen Möglichkeiten. Sind diese Alternativen billiger? Ist deren Impact auf medizinische und pflegerische Kapazitäten geringer? Wie steht es um die „Leidenssumme“, erhöht sich womöglich das Leiden und die Zahl der Jahre, die in Krankheit und eingeschränkten Alltagsfähigkeiten zugebracht werden müssen? Das sind ebenfalls spannende Fragen, die am besten mit gesundem Herzen und mit diesem „am rechten Fleck“ erörtert werden.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(20):4-4