Auswirkungen des Skonto-Urteils auf die Apotheken

Wer nicht hart verhandelt, wird gnadenlos geschröpft


Joachim Ullrich

Der Großhandel hat das Skonto-Urteil des BGH genutzt, um seinen Apothekenkunden deutlich schlechtere Konditionen zu diktieren und sich selbst die Taschen voll zu machen. Inhaber, die sich diesem Diktat kampflos gebeugt haben, müssen mit deutlich schlechteren Einkaufsrenditen leben, die voll auf das Ergebnis durchschlagen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, um sich die Einbußen an anderer Stelle wieder zurückzuholen. Der Artikel liefert Ihnen einen Überblick der vielen „sonstigen“ Gebühren des Großhandels, die allesamt verhandelbar sind, um die Skonto-Einbußen so gut wie möglich zu kompensieren.

Folgen des Skonto-Urteils: Wer nicht verhandelt, wird geschröpft!
(Foto: AdobeStock_stockmotion)

Nach dem Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Februar diesen Jahres dürfen Einkaufsvorteile bei Rx-Arzneimitteln bekanntlich nur noch maximal in Höhe der Großhandelsmarge (3,05 %) gewährt werden. Darüber hinausgehende Skonti sind unzulässig, so das Urteil der Karlsruher Richter.

Ab Juni begannen die Großhändler damit, das BGH-Urteil umzusetzen. Tatsächlich hatten die Großhändler das Skonto genutzt, um auf die Rx-Umsätze – und nur auf diese – einen zusätzlichen Rabatt zu gewähren und sie damit verdeckt höher zu rabattieren als mit ihrer zugestandenen Spanne von 3,05 %. Das Skonto in dieser Form bezog sich nicht auf die gesamte Rechnung und war keineswegs immer an ein Zahlungsziel gebunden.

So kam es vor, dass Apotheken, die ihre Monatsbezüge per Dekadenrechnung bezahlten, denselben Skontosatz erhielten wie Apotheken, die ihre Rechnung am 15ten des Folgemonats komplett bezahlten. Insofern war die Skonto-Gewährung Teil der Rx-Konditionen, die sich aus Rabatt und Skonto zusammensetzte. Diese gängige Praxis wurde mit dem Urteil nun unterbunden, und Verstöße dagegen sind mit empfindlichen Strafen verbunden, die kein Großhändler tragen will.

Somit mussten per 01.06.2024 alle Vereinbarungen zwischen Großhandel und Apotheken neu verhandelt werden. Doch nur wenige Inhaber nutzten die Chance, ihre Konditionen komplett neu auszuhandeln. Viele fügten sich der Aussage des Großhandels, der Spielraum für die neuen Rx-Konditionen sei durch den Gesetzgeber auf 3,05 % beschränkt worden, also könne auch nur über diesen Rabatt verhandelt werden.

Es wurde nicht verhandelt, sondern diktiert

In der Praxis führte das dazu, dass auf Grund der Masse der Kunden viele Apotheken bis Ende Juni noch keine Vereinbarung erhalten hatten. Auch wurde mit vielen Apotheken nicht gesprochen, vielmehr teilten die Großhändler ihnen schriftlich mit, wie sie sich die Umsetzung des Urteils vorstellten. Viele Apotheken erhielten die volle Spanne von 3,05 %, andere mussten auch da Einbußen hinnehmen – je nach Umsatzgröße zwischen 0,5 % und 0,75 %.

Es wurde also nicht verhandelt, sondern diktiert. Überdies wurden Anfragen von wechselwilligen Apotheken an andere Großhändler auf breiter Front abgelehnt, da alle mit ihren eigenen Kunden in Verhandlungen waren und somit der Wettbewerb quasi aufgehoben wurde.

Apotheker, die bei Konditionsverhandlungen versiert und „kampferprobt“ waren, begannen schnell auszuloten, was tatsächlich möglich ist – und waren damit auch erfolgreich. Die Großhändler ihrerseits verfolgten konsequent nur ein Ziel: den Apothekenkunden so wenig wie möglich Kompensation für den Verlust anzubieten.

Ein Großhändler war besonders restriktiv und ließ überhaupt keine Form von Ausgleich zu, andere zeigten sich kundenorientierter und versuchten, Lösungen mit den Apothekern auszuhandeln. Im Kern ging es bei allen Verhandlungen um die vom Großhandel in der Vergangenheit erhobenen Gebühren und Aufschläge, um die Ergebniseinbußen infolge der vormals hohen Rabatte zu kompensieren.

Stellschraube 1: Berechnungsbasis beim Packungswertausgleich

Wichtigste Stellschraube ist der sog. Packungswertausgleich (auch KSA – Konditionssicherungsausgleich oder BSA – Bestellstrukturausgleich), ein Hebel, den die Großhändler sehr gerne genutzt haben, um ihre Ergebnisse zu verbessern. Sie argumentieren, dass der Gesetzgeber ihnen eine feste Spanne zugeschrieben hat und die Apotheken für deren Abweichung nach unten einen Ausgleich zu entrichten hätten. Die Soll-Spanne der Großhändler liegt zwischen 6,46 % und 6,48 %. Nehmen wir der Einfachheit halber an, die Ist-Spanne eines Großhändlers liegt für einen Apothekenkunden bei 5,48 %. Bei einer Soll-Spanne von 6,48 % ergibt sich damit eine Differenz von 1 ,00% zwischen Ist und Soll. Diese 1,00 % werden nun über den gesamten Rx-Umsatz (ohne Hochpreiser) ermittelt.

Bei einem monatlichen Rx-Umsatz von 100.000 € mit dieser Apotheke führt dies zu einer Belastung von 1.000 im Monat, die gegen den gewährten Rabatt zu rechnen sind.

Nachdem die Rx-Rabatte vom BGH auf maximal 3,05 % „heruntergestutzt“ wurden, ist die Legitimation der (vielen) sonstigen vom Großhandel erhobenen Gebühren und Aufschläge – zumindest in ihrer Höhe – mehr als fragwürdig. Diese sind der Schlüssel, um einen fairen Ausgleich im Sinne der Apotheken herzustellen.

 

Über die Sinnhaftigkeit der Argumentation wollen wir hier nicht diskutieren, da der Packungswertausgleich gelebte Praxis bei allen Großhändlern ist und diese auch nicht darauf verzichten werden, nur weil die Apotheker das gerne hätten. Sehr gut ansetzen kann man als Inhaber in den Verhandlungen allerdings bei der Berechnungsbasis: Eine Absenkung derselben bedeutet sofort eine Verbesserung der Einkaufskonditionen.

Bleiben wir bei obigem Beispiel und nehmen an, dass wir eine Absenkung der Berechnungsbasis auf 5,73 % verhandeln können (entsprechend einer Verbesserung um 0,75 %): Dann liegt die Differenz zwischen Soll (5,73 %) und Ist (5,48 %) nur noch bei 0,25 %. Der Abzug würde damit anstatt bei 1.000 € nur noch bei 250 € monatlich liegen. Aktuell liegt die Ist-Spanne je nach Einkaufsstruktur zwischen 5,7 % und 5,2 %, in Extremfällen sogar noch deutlich darunter. Die Absenkung der Berechnungsbasis ist insofern ein direkter Hebel, um einen Teil des Rx-Skonti-Verlusts aufzufangen. So gibt es Apotheken, die eine so niedrige Berechnungsbasis verhandeln konnten, dass die erzielte Ist-Spanne höher ist als die Soll-Spanne und somit kein Abzug mehr anfällt.

Tatsächlich ist es für Apotheker geradezu ein „Muss“, mit dem Großhandel hart über diese Berechnungsbasis zu verhandeln, um eine Verbesserung der Einkaufskonditionen zu erreichen. Verhandlungsprofis haben es sogar erreicht, dass zum Beispiel die vorbestellten Impfstoffe rabattiert werden, aber nicht in die Berechnung des Packungswertes einbezogen werden. Die Impfstofflieferungen können – je nach Höhe – den Packungswert ganz schnell um 0,5 % nach unten drücken.

Diese Ertragssicherung ist leicht erreicht, wenn man verstanden hat, wie die Wirkweise des Packungswertes funktioniert und mit welchen Forderungen man den Großhandel konfrontieren muss.

Stellschraube 2: Touren- und Transport-Kosten

Wenden wir uns nun den Touren- oder Transportkosten zu. Die aufgrund der vormals hohen Spritkosten, die sich längst wieder normalisiert haben, erhobenen Zuschläge sind auf jeden Fall verhandelbar. Eine Halbierung bis hin zur Abschaffung dieser Zuschläge ist durchaus angemessen. Auch die Zusatzkosten von 100 € je zusätzliche Tour, die der Großhandel den Apotheken üblicherweise in Rechnung stellt, wenn diese mehr als die üblichen zwei Anfahrten pro Tag benötigen, können bis auf null verhandelt werden. Wichtig ist auch hier, den Großhandel aktiv damit zu konfrontieren.

Neben den Tourenkosten werden i. d. R. auch noch Kosten für den Mindestlohn berechnet. Es gibt Großhändler, welche die beiden Positionen Touren und Mindestlohn in einen Servicebeitrag zusammengefasst haben und diesen gegenüber der Vergangenheit reduziert haben. Dennoch können auch diese Positionen auf null verhandelt werden.

Stellschraube 3: Kooperationskosten und Vergütung von Hochpreisern

Ebenfalls verhandelbar sind die Kosten, die Apotheker für eine mögliche Kooperation mit ihrem Großhandelspartner zahlen, die über den reinen Medikamentennachschub hinausgeht. Grundsätzlich stellt sich bei Kooperationen stets die Frage nach den Konditionen und ob diese angemessen sind – oder das Preis-Leistungsverhältnis eher zu wünschen übriglässt.

Deren typische Einkaufsmodelle wurden in den letzten Monaten teilweise verbessert, was zu besseren OTC-Ergebnissen der Mitglieder führte. Auch das ist ein weiterer Beleg dafür, wie essenziell es ist, alle Positionen in die Verhandlungen mit dem Großhandel einzubeziehen. Die Stückvergütung bei Hochpreis-Arzneimitteln ist ein weiterer Hebel, um das entstandene Minus aus dem Rx-Bereich auszugleichen. Eine sehr gute Vergütung für einen Hochpreisartikel liegt bei 35 je Stück. In der Regelung sollte unbedingt enthalten sein, dass auch Hochpreisartikel im Angebot mit 35 € vergütet werden und nicht nur der Angebotspreis greift.

Stellschraube 4: Rabattausschlüsse

Ausnahmen von der Rabattierung sind eine weitere, wichtige Stellschraube. In der Vergangenheit wurden viele Rx-Artikel von einer Rabattierung oder Skontierung ausgenommen. Dazu zählten Impfstoffe, Kühlartikel, BTM, TFG- sowie Kontingent-Artikel. Es gibt Apotheken, die es geschafft haben, dass ausnahmslos alle Rx-Artikel mit einem Rabatt von 3,05 % abgerechnet werden!

Positiver Nebeneffekt einer solch einfachen, transparenten Regelung: Dadurch wird die Prüfung der oft recht komplexen Großhandelsrechnung ungemein erleichtert. Ergänzend dazu sollten auch die Bezugskosten für Kühlartikel, BTM-Belege sowie Retourenkosten für Kühlartikel und BTM in die Verhandlung einbezogen werden. Schließlich ist auch die Aufhebung der Rabattrückrechnung dem Grunde nach verhandelbar: Das mag sich in der Praxis zwar schwierig gestalten – unmöglich ist es aber nicht.

Schlechte Einkaufskonditionen schlagen voll ins Kontor

So viel zu den Optionen, die Sie haben, um die negativen Effekte des Skonto-Urteils zu kompensieren. Um belastbare Aussagen darüber zu treffen, wie Sie beim Einkauf dastehen und wie sich bessere Einkaufskonditionen auf das Ergebnis Ihres Betriebs auswirken würden, braucht es zunächst jedoch eine solide Datenbasis. Ohnehin ist die detaillierte Kenntnis der Zahlen elementar, um die Ertragskraft der eigenen Apotheke jederzeit transparent im Blick zu haben und ggf. frühzeitig gegenzusteuern, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht. Fakt ist, dass schlechtere Einkaufskonditionen – wie durch das Skonto-Urteil verursacht – ohne Gegenmaßnahmen voll auf das Ergebnis durchschlagen.

Weiterhin sollen die Überlegungen in diesem Artikel Ihnen helfen, die Veränderungen im Rohertrag richtig zu bewerten. Vor dem Skontourteil lag die Einkaufsrendite über alles im Schnitt zwischen 6 % und 7,5 %, wobei ein hoher Anteil an Hochpreisartikeln diesen Wert stark nach unten drückt. Die Einkaufsrendite gibt an, wie hoch die gesamte Vergünstigung, die ein Händler im Einkauf erzielen kann, im Vergleich zum Listenpreis bzw. den Standardkonditionen ausfällt. Die goldenen Zeiten mit Einkaufsrenditen jenseits der 10 % liegen freilich schon viele Jahre zurück. Nach Umsetzung des Skontourteils durch den Großhandel pendelten sich die Einkaufsrenditen im Schnitt zunächst bei 3,5 % bis 4,5 % ein.

Erstaunlich ist, dass Apotheken, die engagierte Nachverhandlungen mit ihren Großhandelspartnern geführt haben, diesen Wert zwischen Juni und Mitte November wieder auf 5 % bis 6 % steigern konnten. Und die ersten Apotheken sind bereits wieder bei Einkaufsrenditen jenseits der 7 % angekommen! Diese Entwicklung überrascht insofern nicht, als dass Unternehmer, die ihre Zahlen genau kennen und mit einer klaren Strategie in die Verhandlungen mit dem Großhandel gehen, damit i. d. R. auch Erfolg haben.

Viele Inhaber konnten die deutlich schlechteren Einkaufskonditionen infolge des Skonto-Urteils zwischenzeitlich zu 30 % bis 50 % kompensieren, manche sogar zu knapp 70 %! Wer das nicht schafft, der wird dies beim Rohertrag und Ergebnis schmerzlich zu spüren bekommen.

 

Solche guten Verhandlungsergebnisse werden typischerweise nicht durch ein einziges Gespräch erreicht – vielmehr braucht es dazu zahlreiche Gespräche und Verhandlungen. Aber ganz offensichtlich hat sich diese Hartnäckigkeit und Ausdauer bezahlt gemacht, wie der Blick auf die Entwicklung der Einkaufsrenditen zeigt.

Diese Tugenden werden in den nächsten Monaten sogar noch an Bedeutung gewinnen: Schließlich ist nach dem Bruch der Ampel-Koalition keinesfalls zu erwarten, dass auf absehbare Zeit Rückenwind aus dem politischen Berlin für die Anliegen der Apothekerschaft kommen wird. Geschweige denn die so vehement wie glücklos geforderte Erhöhung des Rx-Fixums. Auch die Wiederzulassung der Rx-Skonti, wie sie vor dem Scheitern der Ampel noch durchaus realistisch erschien, ist mittlerweile in weite Ferne gerückt.

Verhandeln oder verhandeln lassen

Insofern ist jede/r Apothekeninhaber/in mehr oder weniger auf sich selbst gestellt und muss für seinen/ihren Betrieb ausloten, wie sich die Erträge sichern lassen. Ein Teil des entstandenen Defizites lässt sich wohl durch Kosteneinsparungen ausgleichen, ein Teil kann durch Umsatzwachstum aufgefangen werden – aber den größten Erfolg versprechen gezielte Verhandlungen: Inhaber, die es nicht schaffen, die nach dem Skonto-Urteil vom Großhandel diktierten Konditionen durch harte Nachverhandlungen zumindest teilweise zu ihren Gunsten zu verbessern, werden deutliche Einbußen beim Ertrag hinnehmen müssen.

Wer sich solche Verhandlungen selbst nicht zutraut, der sollte sich externe Hilfe bei „kampferprobten“ Verhandlungsprofis suchen. Die Kosten dafür sollten durch die dadurch erreichten Einsparungen im Einkauf mehr als wettgemacht werden, zumal die neu verhandelten Konditionen i. d. R. auf längere Zeit festgeschrieben werden.

 

Joachim Ullrich, Apothekenberatung und -entwicklung, 61381 Friedrichsdorf, E-Mail: info@apothekenberatung-ullrich.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(23):6-6