Nach dem ABDA-Paukenschlag

Andere Gesichter, neue Perspektiven, bessere Zahlen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wer hätte das von den „Apothekers“ gedacht, bekannt dafür, eher brav in der Menge zu laufen? Auf oberster Konzern-Managementebene kennt man Sprüche wie: „Entweder ich sehe andere Zahlen oder andere Gesichter!“ Von Albert Einstein wissen wir: „Wir können Probleme nicht lösen, indem wir dieselbe Art von Denken verwenden, mit der wir sie geschaffen haben.“

Zumindest von außen betrachtet erschien die Wiederwahl der zwar eher glücklosen ADBA-Präsidentin Gabriele R. Overwiening nur eine Formsache zu sein, zumal ohne Gegenkandidat/in. Vielleicht war auch das, neben der „Denkzettel-Theorie“, ein Grund, warum 52 % Gegenstimmen zusammenkamen. Eine „Wahl“ mit nur einer Kandidatin ist vielleicht etwas zu viel Devotheit. Doch dürften die Ursachen tiefer gehen. In Transformationszeiten sind Durchsetzungsstärke, ja geradezu eine gewisse Brutalität und Kaltschnäuzigkeit, daneben kühle analytische Intelligenz und ausgeprägte Zukunftsorientierung gefragt, durchaus mit disruptiv-innovativen Elementen. Konflikte trägt man jedoch tunlichst nur mit einer Exit-Strategie und unter Abwägung realistischer Gewinn- und Verlustrisiken aus. Aufklärung ist dabei alles (wie wir in der modernen Kriegsführung sehen), in unserem Fall wirtschaftlich. Das bedeutet, den Markt im Gestern, Heute und vor allem Morgen zu verstehen. Es bestehen gelinde Zweifel, ob der Apothekenmarkt von der Standesführung abseits der vorhandenen, durchaus ausführlichen Marktdaten wirklich durchdrungen wird, Stichwort Kennzahlen auch und gerade im Branchenvergleich.

Und damit sind wir beim Punkt. Was sollte künftig dringend besser werden? Viele werden das alte Lied anstimmen wollen, welches da auf eine Strophe lautet: Mehr Honorar zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, Refrain, und wieder von vorne. Nur diesmal lauter, mit mehr Pauken und Trompeten. Man kann allerdings auch wieder mit Pauken und Trompeten untergehen. So verständlich es sein mag, und selbst wenn man sich damit (partiell) durchsetzte: Das verschafft eine Atempause, die grundlegenden strukturellen Herausforderungen der Apotheken löst es nicht. Und die waren, sind und bleiben: Wozu Apotheken, und warum noch in der heutigen Struktur? Können andere das nicht auch und womöglich billiger? Dem muss man sich stellen, selbst wenn es dem akademischen Selbstverständnis widerspricht!

Hier kommt bereits die erste Entwarnung: Die Logistikfunktion wird absehbar bleiben. Die Medikamente kommen nicht durch das Smartphone gekrochen, nur weil Günther Jauch es vormacht, wie einfach man seine Gesundheitskarte daran hält. Der Autor hat an anderen Stellen bereits analysiert, welche Kostenstrukturen Versender oder Drogeriemärkte aufweisen, selbst wenn man die Gewinnerwartungen ganz tief hängt. Am Ende machen die es in der Breite des Versorgungsspektrums jedenfalls auf heutigem Level nicht billiger, im Gegenteil. Das würde sich mit einer maßvollen Honorarerhöhung kaum ändern, mit 12 €, 14 € oder gar 15 € Rx-Festaufschlag sehr wohl, wenn man den Rx-Versand eben nicht verboten bekommt. Grundsätzlich stellt sich die Frage, warum eine Rx-Packung schon heute 9 € bis 10 € Rohertrag erfordert – und das für viele Apotheken trotzdem nicht auskömmlich ist. Ist das System nicht viel zu komplex, überreguliert, schwerfällig, und am Ende ohne erkennbaren Patientennutzen zu teuer? Wo bleibt der Fitness-Plan inklusive kräftigem Abspecken des „Bürokratie-Hüftgolds“, was einer indirekten Honorarerhöhung und Ressourcen-Neuausrichtung gleichkäme?

Das ist aber nur „Brot und Butter“. Wirklich tragfähig wird ein „Basis-Versorgungspaket plus X“. Das X ist die Zukunfts-Herausforderung: Eine chancenreiche Primärfunktion als erste gesundheitliche Anlaufstelle (samt neuen Qualifikationserfordernissen und einigem Konfliktpotenzial mit den Ärzten), der Themenkreis „Testen, Screening, Monitoring“ samt „Big Data“ und eine daraus erwachsende (Lebenszeit-)Begleitung, und nicht zuletzt neue Märkte: Cannabis zum Zweiten?

Auf etwa 150 € (= durchschnittlicher Pro-Kopf-Rohertrag) lautet der „Customer Value“ eines Apothekenkunden pro Jahr über alle, Rezept- wie OTC-Kunden. Den gilt es zu stabilisieren und auszubauen. Der Life-Science-Markt gibt das her – wenn man mehr Freiheit und Kreativität wagt. Genau solcher Spirit gehört an die Standesspitze.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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