Erste Wirtschaftszahlen 2024 und Ausblick

Alles wird gut – nur für wen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die erste Hochrechnung der Treuhand Hannover für die ersten drei
Quartale in 2024 sehen gar nicht so schlecht aus. Und nun?
(Foto: AdobeStock_Ai Studio)

Überraschungen kommen unverhofft, das liegt in der Natur des Begriffes. So verhielt es sich mit den ersten Wirtschaftszahlen für das abgelaufene Jahr 2024. Wer allenthalben auf einen Rückgang der Betriebsergebnisse, bestenfalls auf eine „rote“ oder „schwarze“ Null getippt hatte – Skonti-Wegfall im zweiten Halbjahr, das Weiterwirken des erhöhten Kassenabschlags oder die Tariferhöhungen lassen grüßen –, wurde eines Besseren belehrt. Um rund 10.000 € auf nunmehr 158.000 € stieg das durchschnittliche Betriebsergebnis, was immerhin einem Anstieg von fast 7 % entspricht, und damit weit oberhalb der Inflationsrate im letzten Jahr, die unter 2,5 % lag. So lautete jedenfalls die erste Prognose der Treuhand Hannover, vorgestellt anlässlich des diesjährigen Kooperationsgipfels im München und ja auch vielfach publiziert. Tatsächlich handelt es sich um eine Hochrechnung der ersten drei Quartale, die endgültigen Abschlüsse befinden sich in diesen Wochen auf der Zielgerade. Nach einem starken Oktober schwächelte das Jahresende etwas, vor allem hinsichtlich der Absatzzahlen. Möglicherweise fällt also die endgültige Jahresbilanz noch etwas anders aus.

Hätte man sich nicht lieber schwächere Zahlen gewünscht? Nach wie vor knackt (krankt?) der Berufsstand an der Frage, wie er sich gegenüber der Politik darstellen und Eingang in den wichtigen Koalitionsvertrag finden soll. Wer dort nicht auftaucht, steht jedenfalls nicht prioritär auf der „To-Do-Liste“ der Politik. Die vier Zauberbuchstaben – Geld – stehen regelhaft ganz oben auf der Wunschliste. Dafür liefern die oben zitierten Zahlen auf den ersten Blick eine denkbar schlechte Vorlage. 7 % mehr Gewinn in diesen verrückten Zeiten – da ist doch alles gut, oder? Was beklagen sich die Apotheker eigentlich? Jammern ist man von dort ja gewohnt, und so könnte man jedenfalls ohne Detailkenntnisse etwaige (Geld-)Forderungen leicht abbügeln. Nun wissen wir auch, dass Bruttogewinne von Selbstständigen anders betrachtet werden müssen als klassische „Löhne“, insbesondere wenn nennenswert Kapital und Risiko im Spiel sind. Nehmen wir 700.000 € gebundenes Kapital (knapp ein Jahres-Rohertrag als Betriebswert), darauf gerade einmal 7 % Verzinsung (50.000 €), und ziehen das vom Betriebsergebnis ab, dann verbleiben 108.000 €. Mit Nebenkosten gerechnet, liegen wir, verheiratet, zwei Kinder, unter dem Strich im Bereich eines Oberstudienrats (A14) oder nur wenig mehr.

Zudem sind Durchschnitte das eine, die Gewinnverteilung das andere. So „krebst“ das untere Drittel mit überschaubar fünfstelligen Betriebsergebnissen dahin, deutlich über 1.000 Betriebe sind regelrecht defizitär. Zur Ehrlichkeit gehört freilich, dass ein hoher Anteil auf Filialen entfällt, die eben im Verbund gestützt werden und insoweit nur einen geringen Gewinnbeitrag leisten (müssen), bisweilen gar strategische Kosten der Marktbesetzung erfordern. Ob das in heutiger Lage noch sinnvoll ist, darüber lässt sich trefflich streiten. In jedem Fall gilt es viel genauer hinzuschauen, damit man nicht vollends nach unten gezogen und von Arbeit sowie (Personal-)Problemen überwältigt wird. Das erst recht, wenn auch die ertragsbringenden Betriebe nur noch auf dünnem Rendite-Eis wandeln, von margenschwacher Umsatz- und Absatzmasse getragen werden und somit selbst vulnerabler werden.

Richtet man den Blick auf das obere Drittel, hellt sich die Lage auf. Da steht typischerweise die Zwei als erste Ziffer des sechsstelligen Betriebsergebnisses, gern auch mal eine Drei, Vier oder – dann allerdings anzahlmäßig stark sinkend – eine noch höhere Ziffer. Das Thema „Verbund- und Familieneinkünfte“ sei hier nur am Rande angemerkt.

Und nun? Man wird gut daran tun, ein übersichtliches Bündel an Maßnahmen und Angeboten für die Politik zu schnüren: Sich Märkten wie OTC-Cannabis proaktiv öffnen (da im Moment mit dem größten Potenzial), mehr Alltagsfreiheiten und Risikoreduktion (Retaxationen!), Marktrestriktionen auf der Einkaufsseite beseitigen. Und ja, eine klug-maßvolle Honorarforderung, die das Gegenüber aber nicht gleich die Tür zuschlagen lässt. So viele neue Chancen wird es nicht mehr geben, damit zumindest für die große Mehrheit wieder vieles gut wird, und nicht nur für das obere Viertel. Doch haben wir eigentlich selbst ein großes Bild, wo wir abseits des „bewährten“, aber im Feuer des Fortschritts stehenden Geschäftsmodells wirklich hin wollen?

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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