Allheilmittel Schulden, getarnt als Sondervermögen

Ist der Ruf erst ruiniert …


Prof. Dr. Reinhard Herzog

(Foto: AdobeStock_studio v-zwoelf)

… lebt es sich ganz ungeniert, so das bekannte Sprichwort. Der Ruf der künftigen CDU-SPD-Regierung ist hinsichtlich finanzieller Solidität noch vor Antritt erschüttert. Dabei spielt es eine herausragende Rolle, dass man bisher eisern das Image der „schwäbischen Hausfrau“ gepflegt hat, die Schuldenbremse wie eine Monstranz ungeachtet der Weltlage vor sich her getragen wurde und die Ampel-Regierung an lächerlichen 15 Milliarden Euro gescheitert ist. Heute reden wir von einer Blanko-Schuldenermächtigung für die Sicherheit und weitere 500 Mrd. € für die Infrastruktur. Abenteuerliche Beträge? Stellen wir sie in den richtigen Kontext. 2025 wird unsere Wirtschaftsleistung rund 4.400 Mrd. € betragen. Da das Infrastruktur-Füllhorn über 12 Jahre hinweg ausgeschüttet werden soll, relativieren sich selbst Beträge von 500 Mrd. €, an der kumulierten Wirtschaftsleistung gemessen. Die „Maastricht-Regeln“ (3 % Neuverschuldung jährlich) entsprächen allein gut 130 Mrd. € p. a. Finanzielle Abgründe sehen anders aus. Viele Länder schieben ganz andere Defizitquoten vor sich her.

Eine größere Leerstelle klafft jedoch darin, wofür das Geld überhaupt ausgegeben werden soll. Leider kann man Dummen so viel Geld geben wie man will, sie machen damit eben dumme Dinge, und mit mehr Geld noch größere Dummheiten. Normalerweise schreibt man zudem erst einmal seine Wunschliste, versieht sie mit Preisen und zieht dann einen Summenstrich. Hier werden Fantasiesummen vorab ins Schaufenster gestellt, und es dürften sich schnell Interessenten finden, welche sich an dieser Auslage zu bedienen wissen. Der ganze Angang ist also grundlegend verkehrt, aber der besonderen parlamentarischen Situation geschuldet.

Hunderte Milliarden klingen nach viel. Doch schon ein einziger moderner Kampfjet kostet 100 bis 200 Mio. €, High-End-Jets weit mehr, und ein wirksamer Raketen-Abwehrschirm einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag, wenn es überhaupt reicht. Wie viel wir davon in USA oder sonst international einkaufen oder lieber in Europa selbst entwickeln, entscheidet über enorme Zeitverzüge sowie weitere hohe Milliardenkosten. Viel wird schlicht in der Administration und für das Personal versacken. So betrachtet müssen die gern genannten 200 Mrd. € (oder mehr) zusätzlich für die Bundeswehr gar nicht mal viel bedeuten. Ginge es dagegen nur um die reine Abschreckung, gäbe es sogar recht preiswerte Möglichkeiten aus dem Waffen-ABC, aber da sind allzu viele Bedenken davor. Machen wir das Fass Infrastruktur auf, erhöht sich der Kreis derer, die laut „Hier“ rufen, nochmals auf ein Zigfaches – bis hin zu ersten Stimmen aus dem Gesundheitswesen. Davor kommen aber ein marodes Verkehrswesen mitsamt Bahn, die Technisierung und Digitalisierung, die „Bildungs-Infrastruktur“ oder der Klimafonds, der nun weitere 100 Mrd. € erhalten soll. Und allein 100.000 Sozialwohnungen dürften bereits 25 bis 30 Mrd. € verschlingen. Immerhin: Das meiste dient der Binnenkonjunktur, fließt also zu guten Teilen dem Staat und seinen Bürgern wieder zu.

Gemessen an diesen Summen wären eine runde Milliarde Euro an „Apotheken-Strukturhilfe“ oder 50.000 € bis 60.000 € pro Betriebsstätte zusätzlich nicht mehr als die berühmten Peanuts. Angesichts des völlig verkehrten Ansatzes – zuerst einen Haufen Geld ins Schaufenster zu stellen und dann in der langen Schlange zu verteilen – gehen jedoch die Apotheken ein hohes Risiko ein, in eben jener Schlange der Gierigen und weitaus Mächtigeren wiederum am hinteren Ende zu landen. Denn über den Erfolg wird, wie so oft, eine Mischung aus „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ und „wer am lautesten schreit, wird als erstes gehört“ entscheiden, neben der gesellschaftlichen Bedeutung und Wahrnehmung. Das zeichnet sich schon ab.

In der Gesundheitsbranche positionieren sich traditionell die Kliniken und Ärzte ganz vorn, auch die Pflege. Man schaue nur auf die Beschäftigtenzahlen! Und es reist ja mitnichten nur die Gesundheitsbranche auf dem Infrastruktur-Ticket. Es wäre nicht verwunderlich, wenn es für die Apotheken beim schönen Anblick des Geldsegens bliebe und sie sogar von ihren Vorlieferanten wie Industrie und Großhandel ausgestochen würden. Es sei denn, der Berufsstand findet noch ein Patentrezept, welches den Platz in der Interessentenschlange spürbar verbessert. Eigentlich sind dem Beruf wirksame Rezepte ja auf den Leib geschneidert ...

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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