Apothekenhonorar vor deutlicher Anhebung

Ist der gordische Knoten geplatzt?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

(Quelle: AdobeStock_ArtSpree)

Es geschehen noch Zeichen und (kleine) Wunder. 9,50 € ab 2026 stehen nach den Verhandlungen der Koalitionäre von CDU und SPD als neues Rx-Fixum im Schaufenster. An anderer Stelle wird sogar von 10,00 € bzw. einem Plus von 1,65 € gesprochen. Ergänzt werden soll das um weitere Zuschläge bis hinauf zu einem Rx-Festhonorar von maximal 11,00 € in ländlichen Regionen. Dass letztgenannte Förderung auf 75 Mio. € gedeckelt sein soll, die zudem aus dem übervollen Topf der pharmazeutischen Dienstleistungen genommen werden sollen – an dieser Stelle geschenkt. Genau wie die neu vorgesehenen 25 Mio. € (oder 1.500 € je Apotheke) für Prävention, was immer man dann darunter subsummiert. Die Großhandels- und Industrieskonti sollen wieder wie einst möglich sein. Ein weiterer Punkt, der nicht hoch genug gewürdigt werden kann: Die leidige Retaxations-Keule („bestrafe einen durch hohe, gar existenzielle Nachforderungen, versetze Tausende in Angst“, Mao lässt grüßen) soll im Museum der bürokratischen Folterinstrumente verschwinden.

So bedeuten 1,15 € mehr Rx-Honorar rund 53.000 € jährliches Ertragsplus (bei 1,65 € wären es 76.000 €), wobei wir von 46.000 Packungen ausgehen. Werden zudem die Skonti wieder möglich, bedeutet jedes Skonto-Prozent abseits der Hochpreiser rund 13.000 € bis 15.000 € je Apotheke. Wie viel sich aus den Lieferanten tatsächlich herausschütteln lässt, bleibt abzuwarten. Jede gesparte Minute bei der Abgabe bzw. Nachkontrolle einer Rx-Packung infolge praktikablerer Abgaberegeln im GKV-Bereich steht für größenordnungsmäßig 600 Arbeitsstunden Entlastung jährlich, im Wert von 20.000 € (PTA-Stunden als Basis) bis 30.000 € (Approbierten-Stunden). Auch wenn das mehr ein rechnerischer Wert ist, der sich nur in Teilen, wenn überhaupt, konkret monetarisieren lässt – alles in allem ist dieses Reformpaket 70.000 € bis über 80.000 € für den Durchschnittsbetrieb wert, überwiegend liquiditätswirksam, zum kleineren Teil indirekt durch Arbeitsentlastung. Ab 2027 gilt es dann, das Honorar selbst zu verhandeln, aus Sicht des Autors eher eine Chance. Wenn denn alles so kommt.

Etliches scheint sich übrigens an dem vom Autor und seinen Mitstreitern im Frühsommer letzten Jahres vorgelegten und im Bundesgesundheitsministerium eingereichten Perspektivpapier zu orientieren, auch als „Seyfarth-Papier“ seinerzeit in der Fachpresse publiziert, jedoch nicht ohne manch kritisch-spitze Anmerkungen aus der Kollegenschaft und Standespolitik. Zufall oder nicht? Erfahrungsgemäß kommt man jedoch mit Realismus weiter als mit Meckern und Forderungen aus dem Wolkenkuckucksheim.

Damit sind wir bei einem äußerst wichtigen Punkt. In der politischen Praxis entscheidet sich vieles erst auf den letzten Metern, so wie bei Olympia auch. Manche Ideen in solchen Arbeitspapieren schaffen es dann doch nicht oder deutlich abgespeckt in die endgültigen Vereinbarungen, und selbst ein Koalitionsvertrag wird mitnichten stets vollständig abgearbeitet und umgesetzt. Das entscheidet sich nicht zuletzt an der Besetzung des Bundesgesundheitsministeriums und dessen Prioritätensetzung, sodann an vielen Stellen der Fachebenen, welche letztlich die konkreten Gesetzesvorlagen formulieren, bis hin zum Gesetzgebungsverfahren, in welchem ebenfalls manch Unwägbarkeiten lauern. Am Ende ist es ein vielstufiger Prozess, bei welchem wir ganz am Anfang stehen, und der noch komplett anders abbiegen kann. Angesichts der angespannten Finanzlage, Sondervermögen hin oder her, kann das schnell passieren.

Umso mehr kommt es jetzt darauf an, dieses Angebot, welches so nicht unbedingt zu erwarten war und das wir mutmaßlich der CDU um Karl-Josef Laumann und Tino Sorge zu verdanken haben, nicht wieder zu verstolpern. Dazu gehört auch, das Paket nicht von vornherein schlechter zu reden als es alles in allem angesichts der Großwetterlage ist. Immerhin nimmt man mindestens 1,1 Mrd. zulasten der Kostenträger in die Hand. Wer hier meckert und bereits tönt, das reiche vorne und hinten nicht, muss aufpassen, nicht als „Raupe nimmersatt“ wahrgenommen zu werden, zumal die letztjährigen Betriebszahlen eher positiver als erwartet ausgefallen sind. Vielleicht erinnere man sich an den legendären Auftritt von Donald Trump: „You have no cards!“ Eine solche Abreibung könnte den Apotheken auch drohen, wenn sie ihr Blatt überreizen – je nachdem, wer Gesundheitsminister wird.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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