Interpharm Online Apotheke & Wirtschaft

„Apotheken sind keine Organe der Systempflege“


Dr. Hubert Ortner

In seinem Vortrag auf der Interpharm zeigte Dr. Moritz Wollring auf, welche gravierenden Vorteile eine Restrukturierung nach StaRUG im Vergleich zu den unerquicklichen Alternativen einer Regelinsolvenz oder Eigenverwaltung bietet. Zugleich warnte er vor Tricksereien: Die bringen einen schneller ins Gefängnis, als man sich vorstellen kann, und verbauen zudem die Möglichkeit einer Sanierung ohne Insolvenz.

Zu Beginn seines Vortrags auf der Interpharm skizzierte Moritz Wollring das „Schreckens-Szenario“ einer Regelinsolvenz, die Apotheken in der Regel ungleich härter trifft als andere Unternehmen. Das hat zwei Gründe: Zum einen haftet der Inhaber aufgrund der Rechtsform als eingetragener Kaufmann (e. K.) nicht nur mit dem Betriebsvermögen, sondern auch mit seinem gesamten Privatvermögen. Zum anderen verlieren Apothekeninhaber bei einer Regel-Insolvenz Ihre Betriebserlaubnis und zum Teil sogar die Approbation, weil das Berufsrecht mit dem Insolvenzrecht kollidiert: Laut Vorgaben des Fremdbesitzverbots dürfen nur approbierte Pharmazeuten eine Apotheke führen. Damit ist der Insolvenzverwalter de jure gezwungen, unmittelbar nach seiner Bestellung durch das Gericht die Apotheke zu schließen und alle Mitarbeiter zu entlassen.

In der Praxis ist die Regelinsolvenz insoweit nur die „Ultima Ratio“ für Unternehmen, die bereits zahlungsunfähig sind und überdies keine Sanierungsperspektive haben. Besteht hingegen eine realistische Chance, dass der Betrieb wieder nachhaltig rentabel arbeitet, dann sieht das Insolvenzrecht zwei alternative Verfahren vor:

  • die Eigenverwaltung (auch Insolvenz in Eigenregie) und
  • die Restrukturierung nach StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz).

 

Wollring: „Diese Alternativen können die negativen Konsequenzen einer Regelinsolvenz ganz oder zumindest zu einem guten Teil abfedern.“ Der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht hat mit seiner Kanzlei früher selbst zahlreiche Insolvenzen begleitet. Zwischenzeitlich hat er seinen Schwerpunkt aber mehr darauf verlegt, wie sich Insolvenzen vermeiden lassen – anstatt diese, wenn schon unvermeidlich, zu managen.

Aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage in der Branche haben sich in den letzten Jahren immer mehr Apothekeninhaber in seiner Kanzlei gemeldet. „Im letzten Jahr waren es durchschnittlich zwei pro Woche“, so Wollring, „die wegen einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit unseren Rat gesucht haben“.

 

Hinweis

Der Artikel basiert auf einem Vortrag auf dem Interpharm-Satelliten „Apotheke & Wirtschaft“ am 27. März 2025.

Die gesamte Veranstaltung ist als Video on demand noch bis 31. Juli 2025 im Internet (kostenpflichtig) abrufbar unter

interpharm.de/video-archiv

Eigenverwaltung – die harte Tour

Bei der Eigenverwaltung übernimmt der Apothekeninhaber selbst – unter der Aufsicht eines Sachwalters – die Aufgabe des Insolvenzverwalters. Auch hier schlägt die private Haftung voll durch, soll heißen, das gesamte Privatvermögen muss liquidiert werden. Das ist für die Inhaber naturgemäß besonders hart. Allerdings kollidiert dieses Verfahren nicht mit dem Fremdbesitzverbot, sodass der Inhaber seine Betriebserlaubnis behält und die Apotheke grundsätzlich fortführen darf.

Restrukturierung nach StaRUG – starke Instrumente

Das Restrukturierungsverfahren nach StaRUG ist de facto eine vorweggenommene Insolvenz bei drohender Zahlungsunfähigkeit. Im Vergleich zu einer Regelinsolvenz und Eigenverwaltung bietet dieses Verfahren zahlreiche Vorteile und gilt insofern als „Königsweg“ bei der Sanierung angeschlagener Betriebe. Damit es genutzt werden kann, müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Das Unternehmen darf noch nicht zahlungsunfähig, sondern nur drohend zahlungsunfähig sein. Formal muss die sogenannte Liquiditätskennziffer (LKZ) über 0,9 liegen – das bedeutet, dass mindestens 90 % der Zahlungsverpflichtungen noch durch liquide Mittel gedeckt sind.
  • Der Unternehmer muss als „zuverlässig“ gelten und darf weder gegenüber dem Finanzamt noch der Krankenkasse im Zahlungsverzug sein.
  • Negativvoraussetzung ist, dass der Betrieb ohne Restrukturierung zwingend in die Insolvenz gehen müsste.

 

Während sich eine Regelinsolvenz oft über Jahre hinzieht, ist eine Eigenverwaltung i. d. R. innerhalb eines Jahres abgeschlossen, und eine Restrukturierung nach StaRUG nochmal deutlich schneller. „Unser schnellstes StaRUG-Verfahren war nach zweieinhalb Monaten beendet“, so Wollring. Im Schnitt dauern die Verfahren 4 bis 6 Monate. Der ideale Zeitpunkt, um ein solches Verfahren auf den Weg zu bringen, ist zwischen einer drohenden und tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit. Zum Zeitpunkt der Antragstellung müssen noch 90 % der Verbindlichkeiten durch liquide Mittel gedeckt sein. Wichtig: Hier kommt es nicht auf das Vermögen, sondern die Liquidität an. Wollring: „Man kann vermögend und trotzdem zahlungsunfähig sein.“

Den größten Vorteil des StaRUG-Verfahrens sieht der erfahrene Sanierungsspezialist darin, dass dieses „starke Instrumente zur Verfügung stellt, um ein Unternehmen ohne Insolvenz saniert zu bekommen“ (siehe Textkasten). Die entscheidende Frage lautet für ihn: „Was kann das StaRUG-Verfahren für einen Apothekeninhaber in finanzieller Schieflage leisten …?“ Seine Antwort in Kurzform: „Eine ganze Menge.“

 

Die zehn wichtigsten Vorteile einer Restrukturierung nach StaRUG

  • Vermeidung einer Insolvenz, kein Stigma, kein Verfügungsverlust
  • Schuldenbereinigung gegen eine im Restrukturierungsplan vereinbarte Quotenzahlung – entspricht de facto (nicht formal) einer Restschuldbefreiung
  • Anfechtungsansprüche können nicht geltend gemacht werden
  • Umfassender oder selektiver Vollstreckungsschutz, wodurch sich z. B. eine Kontopfändung wieder aufheben lässt
  • Schutz vor Vertragskündigungen: Damit kann u. a. verhindert werden, dass die Bank bestehende Kreditverträge kündigt, was i. d. R. zu einer kurzfristigen Zahlungsunfähigkeit führt
  • Anfechtungsfeste Verwertung von Sicherheiten, auch in Form von Unternehmensverkäufen
  • Keine Geschäftsführerhaftung nach § 15 a, b Insolvenzordnung – dennoch gibt es strafrechtliche Fallstricke (siehe Absatz „Never ever“)
  • Anfechtungsfeste Gewährung neuer Finanzierungen
  • Steuerliche Erleichterungen für Sanierungsgewinne
  • Gesellschaftsrechtliche Anpassungen wie z. B. Verschmelzungen ohne notarielle Beurkundung

Never ever

Eine ausdrückliche Warnung sprach Moritz Wollring vor möglichen Tricksereien aus: „Wenn Ihre Liquidität knapp wird, dann gibt es ein paar strafrechtlich relevante Dinge, die Sie niemals tun sollten!“ Konkret geht es um folgende drei Punkte, die allesamt strafbewehrt sind:

  1. Unternehmer, welche die Arbeitnehmeranteile bei der Krankenkasse schuldig bleiben, machen sich strafbar.
  2. Wer Bestellungen bei Lieferanten aufgibt, obwohl klar ist, dass diese nicht mehr bezahlt werden können, begeht einen sog. „Eingehungsbetrug“: Der wird i. d. R. hart verfolgt und bei Beträgen ab 50.000 mit mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe geahndet.
  3. Last but not least sollten Firmeninhaber bei einer Liquiditätskrise niemals Vermögenswerte an Familienmitglieder, Freunde oder sonstige Personen verschieben. Auch das ist strafbar.

Erschwerend kommt hinzu, dass Unternehmer, die einen der drei oben aufgeführten Fehler begehen, damit als „unzuverlässige Schuldner“ gelten: Das hat zur Folge, dass ihnen ein StaRUG-Verfahren verwehrt bleibt. Wollring: „Machen Sie solche Fehler nicht!“ Es gelte die Faustformel: „Wenn sich etwas falsch anfühlt, dann ist es vielleicht auch falsch.“

Erste Herausforderung: Schauen, wo das Geld bleibt

Allerdings läuft die punktuelle Krisenbewältigung eines StaRUG-Verfahrens zwangsläufig ins Leere, wenn die Perspektive für einen langfristig profitablen Betrieb fehlt. Deshalb stehe bei Wollring, wenn seine Kanzlei einen neuen Mandanten übernimmt, als erstes eine solide Finanz- und Liquiditätsplanung auf der Agenda. „Damit alle Beteiligten überhaupt wissen, wo das Geld bleibt.“ Hier machen es sich betroffene Unternehmer nach Einschätzung des Sanierungsspezialisten mitunter zu einfach: „Auch wenn die Politik natürlich die Rahmenbedingungen vorgibt, so ist es nun mal Ihre Verantwortung als Unternehmer, dafür zu sorgen, dass Ihr Betrieb innerhalb dieser Vorgaben rentabel arbeitet.“ So würden Apotheker häufig verkennen, dass sie ein Unternehmen betreiben, das per Definition gewinnorientiert arbeiten müsse – „und kein Organ zur Systempflege“.

Moritz Wollring: "Mich erstaunt immer wieder, wie wenig sich Apothekeninhaber um eine aktive Finanzplanung kümmern. Das machen viele aus dem Bauch heraus."

 

Dr. Hubert Ortner, Biochemiker, Chefredakteur AWA – APOTHEKE & WIRTSCHAFT, 70191 Stuttgart, E-Mail: hortner@dav-medien.de

Weitere Artikel zum Thema

Wenn Sie sich ausführlicher zu dem (leider) sehr aktuellen Thema Sanierung und Restrukturierung nach StaRUG informieren möchten, dann finden Sie dazu zwei weitere aktuelle Berichte im AWA:

1. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Insolvenzrecht!“ in der Ausgabe AWA 19/2024 (ab Seite 6) sowie

2. „Ohne Insolvenz wieder auf die Beine kommen“ im AWA 4/2025 (ab Seite 6).

(Foto: AdobeStock_VRD)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(08):8-8