Emanuel Winklhofer
Als Apotheker sind wir Experten für Arzneimittel, Wirkungen, Nebenwirkungen, Krankheiten, Prävention und vieles mehr. So sollte man meinen, dass wir mit diesem anstrengenden Studium genug für das Berufsleben gelernt haben. Dann aber, in der eigenen Offizin, sieht man sich als Apothekeninhaber plötzlich einer Vielzahl von Aufgaben gegenübergestellt, für die man nie geschult wurde: Die Bank verlangt Rentabilität, der Steuerberater die Optimierung der Zahlen, Mitarbeiter sind unterschiedlich motiviert und der Lagerumschlagswert ist zu niedrig! Manchmal kommt es einem so vor, als führe man 100 Berufe aus, habe aber nur einen richtig gelernt.
Heutzutage müssen wir unser unternehmerisches Geschick auch mit Franchisebetrieben messen, und selbst das Szenario von Apothekenketten ist – wenngleich derzeit rechtlich unterbunden – immer noch denkbar. Insofern stehen wir immer wieder als Einzelunternehmer mit solchen „Global Playern“ im Wettbewerb. Diese vielfältigen Herausforderungen in Kombination mit dem politischen Zickzackkurs wirken auf Menschen völlig unterschiedlich: Der eine spuckt in die Hände und denkt sich: „Jetzt erst recht! Ich kämpfe!“, ein anderer sieht nicht mehr die Herausforderung, sondern nur noch die Überforderung.
Schnell erhalten wir als Chefs Führungsaufgaben, ohne wirklich Führungskompetenzen erlernt zu haben. Wir tragen somit auch Verantwortung für andere Personen und unser Unternehmen. Damit das gelingt, sollten wir uns zunächst folgende zwei Grundsatzfragen stellen:
- Wie kann ich Menschen so führen, dass es mir und ihnen gut geht, alle Freude an der Arbeit haben und wir gemeinsam ein erfolgreiches Unternehmen gestalten?
- Welche Fähigkeiten und Ressourcen bringe ich für diese Aufgabe mit, und habe ich in punkto Führung noch Defizite bzw. Nachholbedarf?
Gute Führung steht und fällt mit Soft Skills
Soft Skills – auch „weiche“ Faktoren genannt – sind außerfachliche oder fachübergreifende Kompetenzen. Während Hard Skills berufstypische Qualifikationen (pharmakologisches Wissen, Galenik, Analytik etc.) beschreiben, betreffen Soft Skills direkt die Persönlichkeit und gehen über fachliche Fähigkeiten hinaus. Hard Skills können im Studium oder in der Ausbildung durch Klausuren und Leistungstests objektiv bewertet werden. Weiche Faktoren dagegen sind schwieriger zu erlernen und überprüfen.
Zu den Soft Skills gehören sämtliche Fähigkeiten und Qualifikationen, die neben den Hard Skills berufliche und private Erfolge bestimmen. Sie betreffen persönliche, soziale und methodische Kompetenzen.
Im beruflichen Umfeld werden unter dem Begriff Soft Skills üblicherweise folgende Eigenschaften subsumiert:
- Kommunikationsfähigkeit,
- Führungskompetenz,
- Kooperations- und Koordinationsfähigkeit,
- Konfliktlösungskompetenz,
- Menschenkenntnis,
- Selbstbewusstsein.
Das Spektrum der Soft Skills ist also sehr breit und reicht von Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen über Kommunikations- und Kritikfähigkeit bis hin zum Durchsetzungsvermögen und der Fähigkeit, andere Menschen aktiv einzubinden und für ein gemeinsames Ziel zu begeistern. All diese Kompetenzen sind eine Mischung aus Wissen, Können und Wollen. Wir benutzen sie ständig.
Professionelle Unternehmensführung ist wichtiger denn je
Es gibt Wahrheiten erster und zweiter Ordnung. Zu den Wahrheiten erster Ordnung zählen Größen wie Millimeter, Grad Celsius, Stunden, Ampere und vieles mehr. Wahrheiten zweiter Ordnung sind subjektive, zum Teil widersprüchliche Wirklichkeitsauffassungen wie z.B. das Wesen der Gerechtigkeit oder die Definition des Begriffes „schlank“. Wenn Sie zehn Personen interviewen, was für sie schlank ist, bekommen sie wahrscheinlich zehn (unterschiedliche) Antworten. Und das Komische ist: Alle haben Recht. Das kommt daher, weil es kein klar festgelegtes und messbares Muster hinter dem Begriff „schlank“ gibt.
Aus diesen Gründen lohnt es sich für Sie als Apothekeninhaber definitiv, dass Sie sich immer wieder aktiv mit den Themen Führung, Motivation und Verbesserung Ihrer Soft Skills beschäftigen: Schließlich tragen diese häufig unterschätzten „soften“ Kompetenzen weit mehr zum Gesamterfolg Ihres Unternehmens bei, als man auf den ersten Blick vermuten würde!
Das Ziel guter Führung lautet: Menschen nach ihren Fähigkeiten dort einzusetzen, wo sie mit Freude ihre Bestleistung bringen. Dazu dürfen wir unsere Mitarbeiter allerdings nicht ständig einstufen, wie dies in großen Unternehmen häufig der Fall ist: Denn ein ständiger Vergleich im Team schafft einen unguten Wettbewerb und macht Mitarbeiter zu Konkurrenten!
Langfristige Topleistung wird in der heutigen Arbeitswelt üblicherweise von gut eingespielten Teams erbracht, die sich ideal ergänzen. Stars sind herzlich willkommen, wenn sie sich ins Team einfügen können: So gewinnt weder ein Lionel Messi noch ein Cristiano Ronaldo allein ein Fußballspiel – es ist immer das Verdienst der gesamten Mannschaft.Führen heißt, Menschen zu zeigen, dass sie sich uns anvertrauen können. Unsere pharmazeutische Fachkompetenz alleine reicht nicht aus, um damit schon eine gute Führungskraft zu sein. Zugleich ist eine professionelle Unternehmensführung angesichts der großen Herausforderungen notwendiger denn je, damit eine Apotheke ihren unternehmerischen Auftrag, nachhaltige Gewinne zu erwirtschaften, erfüllen kann.
Um Ihnen zu helfen, Ihre Führungskompetenz zu verbessern, beleuchten wir dieses essenziell wichtige Thema in einer kleinen Serie. Unter anderem werden wir Ihnen in den folgenden drei Artikeln praxisnahe Infos zu den verschiedenen Führungskompetenzen, Führungsaufgaben, Führungsstilen, Führungsinstrumenten sowie dem Umgang mit Widerstand an die Hand geben.
Wen oder was können wir führen?
1. Uns selbst: Hierzu zählt die Persönlichkeitsentwicklung, das Selbstmanagement, der Umgang mit Visionen und Zielen sowie die Vorbildfunktion, die wir als Führungskraft immer haben.
2. Das Unternehmen: Dazu brauchen wir Kompetenzen in den Bereichen Betriebswirtschaft, strategisches Handeln, Marketing und Controlling. Diese Fähigkeiten müssen wir natürlich nicht alle selbst einbringen, sondern können sie auch extern zukaufen.
3. Das Team: Bei der Auswahl und Weiterentwicklung der richtigen Mitarbeiter kommt es darauf an, deren Stärken zu erkennen und zu fördern, angemessenes Feedback zu geben, das Team zu steuern und grundsätzlich das eigene Apothekenteam zu motivieren.
Vorsicht Falle! Die beiden häufigsten Führungsfehler
Zwei Führungsfehler werden besonders häufig gemacht – wenn Sie es schaffen, diese zu vermeiden, haben Sie schon viel richtig gemacht:
1. Wir setzen zu viel voraus: Ob beruflich oder privat, diesem Trugschluss sitzen wir immer wieder auf: Wir glauben, der andere wisse doch, was wir meinen. Weit gefehlt! Woher soll er es denn wissen, wenn wir es nicht genau beschreiben? Deshalb braucht es gerade in der Mitarbeiterführung immer wieder klare Ansagen und einfache Darstellungen.
2.Wer hilft, wo fördern reicht, der schädigt: Gerade als Chefs werden wir gern gebraucht, wollen unsere Kompetenz zeigen, und so entstehen manchmal Situationen, in denen es zu einer Art „Rückdelegation“ kommt, wenn ein Mitarbeiter mit einer Aufgabe nicht zu 100% zurechtkommt. Wie gern nehmen wir wieder das Heft in die Hand und machen es selbst, da wir ja fast alles selbst am besten beherrschen ... Jemandem einen (vielleicht anstrengenden) Lernprozess zu ersparen, heißt allerdings auch, ihm das Erfolgserlebnis zu nehmen. So müssen wir uns immer wieder darauf konzentrieren, zu fördern, ohne dabei allzu viel zu helfen.
Emanuel Winklhofer, Apotheker, Agentur für Kommunikation, Seminare und Coaching, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de
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Teil 2 Wer selbst nicht führt, wird geführt in AWA 24/2022
Teil 3 Teamgespräche – viel mehr als lästige Routine in AWA 2/2023
Teil 4 Feedback als positives Führungsinstrument in AWA 4/2023
Vorbildfunktion und Führungsqualität machen gute Mitarbeiterführung aus!
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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(20):8-8