Erste Absichtserklärungen

Wunschliste erfüllt?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Kaum war die letzte Ausgabe des AWA erschienen, legten die mutmaßlichen Koalitionäre der nächsten Regierung ein erstes Arbeitspapier vor, in welchem auch das Thema Gesundheit mitsamt den Apotheken aufgegriffen wurde. Was wäre zu erwarten, wenn es denn so Gesetz würde?

Werden die Vorschläge der AG Gesundheit eins zu eins umgesetzt, dann winken den Apotheken  Ergebniszuwächse im hohen fünfstelligen Bereich (© AdobeStock_C_nadezhda1906)

Das Arbeitspapier der Koalitionäre zeichnet bereits ein erstes Bild mit noch einigen Leerstellen. Im Grundtenor sieht es weniger nach hartem „Cost cutting“, sondern eher nach einem weiteren Zuschütten struktureller Probleme mit Geld aus. Tendenziell dürften eher die Versicherten auf der Verliererseite stehen.

Als wichtigster Punkt speziell für die Apotheken ist die einmalige Erhöhung des Rx-Festhonorars um 1,15 € netto auf 9,50 € zu erwähnen. Danach soll das Honorar verhandelt werden. An anderer Stelle im Kostentableau ist sogar von 10,00 die Rede, wir orientieren uns hier an der Textpassage.

75 Mio. € sollen in die Förderung von Landapotheken (bzw. strukturschwache Regionen) fließen, wobei dieses Geld aus dem mit zurzeit 450 Mio. € reichlich gefüllten Fonds für pharmazeutische Dienstleistungen entnommen werden soll. Das Rx-Honorar soll dort zudem bis auf 11,00 € steigen können. 25 Mio. € sollen weiterhin für noch zu definierende Präventionsleistungen in Apotheken umgewidmet werden. Mit rund 1.500 € je Betriebsstätte hält sich dieser Betrag in eher symbolischen Größenordnungen, könnte aber ein Einstieg sein – der dann hoffentlich nicht wieder wie die pharmazeutischen Dienstleistungen vergeigt wird.

Weitere Punkte sind die Entschärfung der Retaxationen und eine Entbürokratisierung sowie Vereinfachung der Austauschregeln. Dies sollte sich in spürbarer zeitlicher Entlastung niederschlagen. Wir nehmen in unseren Berechnungen eine ersparte Minute je Rx-Packung zulasten der gesetzlichen Kassen an, wobei diese Minute mit 0,75 € als Mittel aus PTA- und Approbierten-Lohnkosten angesetzt wird.

Zu guter Letzt sollen die Lieferanten-Skonti wieder auf den Stand vor 2024 zurückgeführt werden. Wir nehmen einen realistischen Bereich von 1,0 % bis 2,0 % auf „Normal-Rx“ an, wobei kleinere Apotheken am unteren, größere Apotheken am oberen Rand landen dürften. Hier klaffen erfahrungsgemäß große individuelle Unterschiede je nach Verhandlungsgeschick und regionalen Besonderheiten. Im Hochpreisersegment sollten auf die Direktbestellungen ebenfalls wieder (überschaubare) Skonti winken können.

Vorläufige Abrechnung

Insgesamt stehen unter dem Strich durchaus bemerkenswerte finanzielle Aufbesserungen der Liquiditätslage. Eine kleinere Apotheke in der Umsatzlage um 2 Mio. € könnte in 2026 an die 40.000 € zusätzlich vereinnahmen. Bei großen Apotheken stehen schnell sechsstellige Beträge an, was das grundlegende Problem von solchen pauschalen Maßnahmen illustriert. Im Schnitt winken zusätzliche Erträge im Bereich von 70.000 € bis 80.000 €. Selbst wenn man weiter steigende Kosten annehmen muss (siehe auch den nächsten Abschnitt), so dürfte das Betriebsergebnis trotzdem sehr deutlich steigen.

Mindestlohn 15 € – und alles ist wieder weg?

Verbreitet wird die Befürchtung geäußert, dass die geplante Mindestlohn-Erhöhung auf 15,00 € je Stunde ab 2026 einen großen Teil der Honoraraufbesserung gleich wieder abräumen könnte. 15 € entsprechen bei einer 39-Stunden-Woche (= Basis aktuelle Apothekentarife) bzw. 169,5 Stunden pro Monat rund 2.543 € Monatsgehalt zuzüglich etwaiger Sonderzahlungen. Bei 40 Stunden pro Woche (173,8 Stunden) wären es 2.607 €.

Lediglich die PKA liegen fast durchgängig bis auf die letzte Gehaltsstufe darunter. PTA bewegen sich mit zurzeit 2.569 € (ausgenommen Sachsen und Nordrhein) in den ersten zwei Berufsjahren nur knapp darüber, in Sachsen mit 2.370 € tatsächlich darunter. Insbesondere in diesem Bundesland ergibt sich der höchste Anpassungsbedarf.

Bei den PKA beträgt der Anpassungsbedarf vom Stand 2024 betrachtet 10,3 % (237 € monatlich) in der ersten Stufe, in den nächsten Stufen würde das abschmelzen, sofern man den Lohnanstieg nach Berufsjahren abflachen würde. Will man den Abstand erhalten, würde man hier generell um etwa 10 % erhöhen müssen. PKA machen jedoch im Schnitt nur etwa 15 % der Lohnsumme aus. Eine 10 %ige Erhöhung relativiert sich insoweit. Zudem ist bereits eine 3 %ige Erhöhung für 2026 tarifvertraglich vereinbart, sodass nur etwa 7 % extra obenauf kommen müssten. Diese 3 % entfernen dann auch die PTA etwas weiter von der Mindestlohnschwelle.

Doch müssen dann nicht alle anderen Berufsgruppen auch entsprechend mehr bekommen? Die Antwort ist klar: Nein, müssen sie nicht. Dass die niedrigeren Lohngruppen überproportional angehoben werden, ist nicht neu, gern durch sogenannte „Sockelbeträge“ umgesetzt. Und nur weil man den PKA deutlich mehr gibt, müssen Approbierte nicht ebenfalls 10 % obenauf bekommen.

Im besten Fall ergeben sich + 170 € monatlich für alle, was in absoluten Beträgen insoweit gerecht wäre. Für die höchste Gehaltsstufe der Approbierten entspräche dies plus 3,55 % (statt sowieso vereinbarter 3 %). Die 170 € errechnen sich aus der niedrigsten Gehaltsstufe der PKA in 2025 plus 3 % für 2026, verrechnet mit 2.543 € Mindestlohn und aufgerundet. Für die Durchschnitts-Apotheke reden wir dann über einen Lohnsummen-Anstieg im Bereich von vielleicht 20.000 € in 2026 einschließlich Nebenkosten und auch Zuschlägen für geringfügig Beschäftigte. Das liegt meilenweit unter dem avisierten Honorarplus. Wenn denn alles so kommt – die Zahl der Freiheitsgrade ist bekanntlich noch sehr hoch (siehe auch Herzogs letzte Seite: Ist der gordische Knoten geplatzt?).

 

Landapotheken wieder attraktiv?

Noch sehr im Vagen bewegen sich die Vorstellungen zur Förderung unterversorgter Regionen bzw. Land-Apotheken. Abgesehen von Definitions- und Abgrenzungsfragen, was als förderungswürdig gelten soll, richtet sich der Blick auf die Höhe des Fördertopfes, der mit 75 Mio. € beziffert ist. Daraus könnte man z. B. 750 Standorte mit je 100.000 € jährlich beglücken, oder 1.500 mit der Hälfte davon.

Würde das viel nützen? Wir hatten unlängst (AWA 04/2025, Seite 4 f.) den Mindest-Rohertrag für eine Apotheke auf rund 550.000 € beziffert, und dies setzt bereits einige Kompromisse und Positiv-Annahmen hinsichtlich der Rahmenbedingungen voraus.

In Einwohner umgerechnet, bewegen wir uns damit in der Gegend von 3.800 bis 4.000 Einwohnern, die dafür nötig sind, je nach erzielbaren Pro-Kopf-Roherträgen auch etwas mehr. Im Schnitt kann man bisher bundesweit von etwa 150 € Apotheken-Rohertrag je Einwohner ausgehen – der durch die Honorarerhöhung auf 9,50 € bereits um rund 10 € steigt.

Auf dem Land sind diese Werte infolge fehlender Fachärzte und tendenziell geringerer OTC-Umsätze niedriger anzusetzen. 100.000 € Fördersumme verschieben insoweit die Einwohnerzahl um etwa 700 bis 800 Einwohner nach unten – statt 4.000 Einwohner würden bereits 3.200 bis 3.300 für den Mindest-Rohertrag reichen. Will man Solitär-Standorte in entfernten, noch kleineren Gemeinden erhalten, müsste man also weit tiefer in die Tasche greifen.

Andererseits dürfte die Zahl solcher Standorte nicht allzu hoch sein. Tatsächlich lässt sich mit 75 bis 100 Mio. € durchaus einiges bewegen, wenn man die Summen zielgerichtet auf tatsächliche „Notstandsgebiete“ fokussiert. Diese Fokussierung wird die Herausforderung werden. Andernfalls droht das Geld zu versickern, und dies würde nicht einmal groß auffallen, denn dazu ist die Summe im Gesamtkontext einfach zu klein.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(08):4-4